Überstürzt und am ursprünglichen Ziel vorbeiführend – so die Reaktion der Erziehungsdirektoren auf die beabsichtigten Massnahmen für mehr Studienplätze in der Medizin. Schon bevor die Anschubfinanzierung von 100 Millionen bewilligt ist, zeichnet sich ein Verteilkampf ab.
Die Erziehungsdirektoren drängen auf mehr Koordination. Das zumindest geht aus einem Schreiben hervor, das sie Mitte September an Bundesrat Johann Schneider-Ammann gerichtet haben. Zwar begrüssen die Regierungsräte das Sonderprogramm des Bundes, das 100 Millionen Franken für mehr Studienplätze in der Humanmedizin zur Verfügung stellen will. Sie zweifeln jedoch daran, dass die vorgesehenen Massnahmen ohne verstärkte Koordination zum gewünschten Ziel führen – nämlich, dass möglichst bald mehr Schweizer Ärzte für die Grundversorgung zur Verfügung stehen sollen.
Hintergrund des besorgten Briefes ist einerseits das Vorpreschen der ETH. Die renommierte Institution hat im September bekannt gegeben, dass sie in die Ausbildung von Ärzten einsteigen will. Ab Herbst 2017 plant sie einen neuen naturwissenschaftlich ausgerichteten Bachelorstudiengang mit 100 Plätzen. Den Master sollen die angehenden Ärzte danach an einer Universität mit medizinischer Fakultät erwerben.
Anderseits irritierten die Erziehungsdirektoren offensichtlich die Vorschläge für ein neues Ausbildungssystem, das ihnen Anfang September im Hochschulrat präsentiert worden war (siehe Interview mit Antonio Loprieno). Das Konzept sieht vor, den medizinischen Masterstudiengang für Absolventen von naturwissenschaftlichen oder gar pflegewissenschaftlichen Bachelorstudiengängen zu öffnen – ähnlich dem Schema des ETH-Projekts.
Nicht mehr Hausärzte mit neuem Modell
Eine Diskussion über neue Ausbildungssysteme sei zu begrüssen, steht im Brief, den EDK-Präsident Christoph Eymann im Namen des Vorstands unterschrieben hat. Doch sie müsse zwingend im neuen Ausschuss Hochschulmedizin geführt werden – und zwar in einem Zeitraum, der die nötige Sorgfalt erlaube. Wolle man möglichst schnell neue Studienplätze schaffen, so würde man hingegen besser auf das bestehende Modell setzen, schreiben die Regierungsräte. Dies sei ein Zielkonflikt, der politisch ausgehandelt werden müsse. Zudem zweifeln die Unterzeichnenden daran, dass mit den neu gestalteten Ausbildungen die ursprünglich definierten Ziele erfüllt werden können: Nachwuchs für die Grundversorgung ausbilden – also vor allem Hausärzte statt Spezialisten.
Aus diesem Grund stösst den Regierungsräten auf, dass die ETH einen Anteil der Anschubfinanzierung beansprucht. Sollte sie die gewünschten 10 Millionen Franken erhalten, fordern die Erziehungsdirektoren eine Erhöhung der gesamten Mittel. Insbesondere wollen sie erreichen, dass auch bereits erfolgte Massnahmen berücksichtigt werden. Die meisten Universitäten mit medizinischen Fakultäten haben ihre Anzahl Studienplätze schon in den letzten Jahren kontinuierlich erhöht. Für die entsprechenden Mehraufwendungen seien sie – abgesehen von den regulären Grundbeiträgen des Bundes – selbst aufgekommen, stellt der Vorstand fest. Bei der Medizin handle es sich um einen kostenintensiven Bereich, was zu einer guten Koordination und Aufgabenteilung unter den Kantonen verpflichte. Mit einer Projektausschreibung, wie sie der Bund vorsieht, könne dies nicht erreicht werden. Der Ausbau müsse langfristig finanzierbar bleiben, also auch für die Periode 2017-2020, betonen die Unterzeichnenden. Und: „Die Finanzierung darf nicht zulasten der Beiträge für die übrigen Hochschuldisziplinen, die Fachhochschulen und die Berufsbildung gehen.“