Mit dem Dialogforum besteht ein Gefäss, um die Anliegen der Arbeitnehmenden an das Berufsbildungssystem direkt an die strategische Ebene zu adressieren. In der vierten Ausgabe des Dialogforums standen neben Anliegen zum Schutz der Lernenden in der beruflichen Grundbildung auch Fragen zur Verankerung von Laufbahngestaltungskompetenzen, zu besseren Anerkennung von Qualifikationen von Migrantinnen und Migranten und zum Follow-Up eines Projekts zum Abbau von Hürden für Menschen mit Behinderungen im Zentrum. Die Unterstützung und der Schutz der Arbeitnehmenden auf allen Bildungsstufen bleibt aus Sicht von Travail.Suisse eine zentrale Herausforderung.
Im Jahr 2021 hat die Tripartite Berufsbildungskonferenz (TBBK) ihre Arbeit aufgenommen. Die TBBK steuert die Berufsbildung verbundpartnerschaftlich auf strategischer Ebene und dient dabei als Bindeglied zwischen den verschiedenen Gremien auf operativer Ebene und dem nationalen Spitzentreffen auf politischer Ebene. Um einen breiten Einbezug der verschiedenen Akteure sicherzustellen, werden jährlich vier Dialogforen durchgeführt, die einen direkten Austausch zwischen den verschiedenen Akteuren und den Mitgliedern der Tripartiten Berufsbildungskonferenz ermöglichen. Travail.Suisse organisiert das Dialogforum der OdA Arbeitnehmende mit, anfangs Mai fand die vierte Durchführung statt. Im Zentrum standen ein Rückblick auf die drei bisherigen Durchführungen sowie ein Ausblick auf die derzeit laufende Evaluation dieser Gremien. Dabei wurde deutlich, dass sich die bisher eingebrachten 31 Eingaben zu sechs thematischen Bereichen zusammenfassen lassen (Anerkennung von Abschlüssen/Berufsabschlüssen von Erwachsenen; Menschen mit Behinderungen und Zugangshürden; Höhere Berufsbildung/Weiterbildung/Lebenslanges Lernen; Berufliche Grundbildung/Lernende; Berufliche Grundbildung/Lehrende; Geflüchtete und Zugangshürden). Es besteht also eine beachtliche Kontinuität bei den eingebrachten Themen. Aus der Evaluation wird deutlich, dass das Gefäss der Dialogforen mittlerweile gut verankert ist und angemessen funktioniert, dass aber systematische und konsolidierte Rückmeldungen zu den Eingaben und damit auch mehr Verbindlichkeit gefordert werden. Im zweiten Teil des Dialogforums stand eine breite Palette an Themen zur Diskussion.
Besserer Schutz der Lernenden in der beruflichen Grundbildung gefordert
Zwei Eingaben am diesjährigen Dialogforum befassten sich mit dem besseren Schutz der Lernenden in der beruflichen Grundbildung. Einerseits wurde nach der Überwachung, Dokumentation und Prävention von Berufsunfällen bei Jugendlichen in berufsvorbereitenden Angeboten gefragt. Hintergrund ist die Anpassung von Art. 4b ArGV 5. Weiter wurde die mangelnde Qualität der Berufsbildnerinnen und Berufsbildner vor dem Hintergrund der zunehmenden Herausforderungen durch psychische Probleme der Lernenden angesprochen. Zur Verbesserung der Qualität wird einerseits eine bessere Verankerung des Themenbereichs psychische Gesundheit in den Kursen für Berufsbildnerinnen und Berufsbildner gefordert, sowie eine grundsätzliche Verlängerung dieser Kurse und regelmässige Wiederholungskurse. Andererseits sollen die Berufsbildnerinnen und Berufsbildner durch eine bessere Anerkennung in den Betrieben gestärkt werden. Weiter braucht es unabhängige Ombudsstellen, an die sich Lernende bei schwierigen Situationen mit ihren Berufsbildnerinnen und Berufsbildnern wenden können. Travail.Suisse und seine Jugendkommission Jeunesse.Suisse bekennen sich explizit zu mehr Qualität bei den Berufsbildnerinnen und Berufsbildnern – für eine bessere Unterstützung der Jugendlichen in der Lehre und eine für eine Stärkung der Berufsbildung.
Besserer Zugang für Menschen mit Behinderung zur Berufsbildung
2022 fand die erste Überprüfung der Umsetzung der UNO-Behindertenrechtskonvention (BRK) durch die Schweiz statt. Diese Überprüfung durch den UNO-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen hat Zugangsbarrieren sowohl zur Berufsbildung als auch zur höheren Bildung festgestellt und eine Empfehlung zur Verbesserung des Zugangs zu inklusiver und zertifizierender beruflicher Grundbildung für alle Lernenden ausgesprochen. Nach wie vor ist unklar, wer genau die Verantwortung für die Umsetzung dieser Empfehlung übernimmt. Zwar wurde im Rahmen von Berufsbildung 2030 ein Projekt zum Zugang gehörloser und hörbehinderter Menschen zur Berufsbildung mit einer Auslegeordnung von bestehenden Angeboten und der Identifikation von Lücken abgeschlossen. In einem Antrag wurde aber deutlich gemacht, dass es sowohl ein Monitoring zur Verbesserung dieser Angebote wie auch eine grundsätzliche Ausdehnung auf weitere Behinderungsarten braucht. Mit den bisher getroffenen Massnahmen wird die Behindertenrechtskonvention im Bildungsbereich nicht ausreichend berücksichtigt. Travail.Suisse bekennt sich explizit zu einem besseren Zugang für Menschen mit Behinderung zur Berufsbildung – im Interesse der Inklusion der Betroffenen aber auch zur besseren Ausschöpfung des Arbeitskräftepotenzials in Zeiten des Arbeitskräftemangels.
Systematische Förderung der Laufbahngestaltungskompetenzen
Die nationale Strategie der Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung fordert die systematische und stufengerechte Förderung der Entwicklung von Laufbahngestaltungskompetenzen (LGK). Die Universitäten Bern und Lausanne haben einen umfassenden Bericht mit einer integralen Definition der LGKs auf sämtlichen Stufen der Bildung- und Berufslaufbahn erarbeitet. Als nächster Schritt wäre jetzt die konsequente Integration der LGKs in sämtlichen Bildungserlassen vorzusehen. Während die LGK im neuen Maturitätsanerkennungsreglement und in der neuen Verordnung über die Anerkennung von gymnasialen Maturitätszeugnissen bereits verankert wurden, fehlt dies in den Vernehmlassungsvorschlägen zur Totalrevision des Allgemeinbildenden Unterrichts und der Totalrevision der Berufsmaturität. Dies ist aus Sicht der Antragstellenden störend und inkonsistent. Travail.Suisse bekennt sich explizit zur Förderung der Laufbahngestaltungskompetenzen. Für die Arbeitnehmenden wird sich der Arbeitsmarkt in Zukunft noch schneller verändern. Um dabei die Arbeitsmarktfähigkeit zu erhalten, braucht es einerseits verstärkte Laufbahngestaltungskompetenzen bei den Individuen und eine gestärkte Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung zur Unterstützung der Arbeitnehmenden.