Hierzulande hat jede achte Person zwischen 25 und 64 keinen Berufsabschluss. Die Schweiz kann sich das nicht mehr leisten, denn der Übergang vom Lehrstellen- zum Fachkräftemangel hat bereits begonnen. Travail.Suisse, der unabhängige Dachverband der Arbeitnehmenden, fordert die Politik auf, Personen ohne Berufsabschluss den Zugang zu einer Erstausbildung zu erleichtern. Notwendig dazu sind ein Commitment aller Beteiligten und massive Investitionen von Bund und Kantonen.
Nach dem Ja zur Masseneinwanderungsinitiative stellt sich die Frage, wie die Schweiz ihren Bedarf an Fachkräften decken will, mehr denn je. Die Babyboomer-Generation geht in Rente, die nachfolgenden Jahrgänge sind weniger zahlreich. Umso wichtiger ist es, dass möglichst alle Erwerbstätigen auf dem Arbeitsmarkt bleiben und sich höher qualifizieren können.
Zugang zur Berufsbildung für Erwachsene ist nicht einfach
In der Schweiz haben heute rund 600‘000 Personen keinen Erstabschluss. Die Instrumente, um eine Ausbildung nachzuholen, sind zwar vorhanden. Sie werden aber kaum genutzt, obwohl je nach Studie 52‘000 bis 93‘000 Personen potenziell dazu in der Lage wären. Travail.Suisse hat untersucht, welche Faktoren den Zugang zur Nachholbildung erschweren und ist zu folgendem Befund gekommen: Erstens fehlt es an Wissen über die Ausbildungsangebote – selbst bei Berufsbildner/innen oder Perso-nalfachleuten. Es braucht also eine breit angelegte Informationskampagne, die von Bund, Kantonen und Sozialpartnern getragen wird. Zweitens brechen vor allem Frauen aus zeitlicher Überbelastung etwa durch Familien- und Erwerbsarbeit oft eine Ausbildung ab. Sie sind auf flexible und modulare Angebote angewiesen. Drittens fehlt es Erwachsenen ohne Erstausbildung oft an notwendigen Grundkompetenzen, sie könnten durch berufsvorbereitende Angebote unterstützt werden. Viertens fehlt es an finanzieller Unterstützung, damit auch Erwachsene während einer Ausbildung ihren Lebens-unterhalt finanzieren können.
Commitment der Verbundpartner und Investitionen der öffentlichen Hand
Damit die Hindernisse überwunden werden können, braucht es den Willen und die Zusammenarbeit aller Verbundpartner der Berufsbildung, also von Bund, Kantonen und Organisationen der Arbeitswelt. Zwei Forderungen stehen für Travail.Suisse im Vordergrund:
1. Es braucht ein Commitment der Verbundpartner zur Förderung von ausbildungslosen Personen mit dem Ziel, in zehn Jahren 30‘000 Erstabschlüsse von Erwachsenen zu erreichen. Ein analoges Commitment von 2006, das zum Ziel hatte, dass bis ins Jahr 2015 95 Prozent der Jugendlichen eines Jahrgangs entweder Gymnasium oder Lehre abschliessen, war eine Erfolgsgeschichte. Das gleiche Rezept muss für Personen ohne Erstabschluss zum Einsatz gebracht werden.
2. Damit Erwachsene finanziell abgesichert einen Berufsabschluss nachholen könne, müssen Bund und Kantone in den nächsten zehn Jahren je 850 Mio. Franken investieren. Soll die Nachholbildung wirklich gefördert werden, dann müssen die Erwachsenen sich und allenfalls auch ihre Familie während der Ausbildung finanzieren können. Das ist heute nicht gegeben und muss geändert werden, damit die Nachholbildung zur Erfolgsstory werden kann.
Quotes:
„Durch die Nachholbildung könnten Erwachsene mit verhältnismässig wenig finanziellen Mitteln einen wichtigen Beitrag gegen den drohenden Fachkräftemangel erbringen“, sagt Angela Zihler, Projektleiterin Travail.Suisse.
„Bund und Kantone müssen je 850 Mio. in die Ausbildung von Erwachsenen investieren. Angesichts des Fachkräftemangels und dem Ja zur Masseneinwanderungsinitiative müssen wir die Berufsbildung neu denken. Die Förderung der Nachholbildung ist ein Gebot der Stunde“, sagt Martin Flügel, Präsident Travail.Suisse.
Weitere Informationen:
• Martin Flügel, Präsident Travail.Suisse, 079 743 90 05
• Josiane Aubert, Nationalrätin, Vize-Präsidentin Travail.Suisse, 079 635 98 20
• Angela Zihler, Projektleiterin Bildungspolitik Travail.Suisse, 079 242 67 21