Josiane Aubert, Vize-Präsidentin von Travail.Suisse und Nationalrätin, hat letzte Woche 3 parlamentarische Vorstösse zu Bildungsmassnahmen in der Arbeitslosenversicherung eingereicht. Das Credo lautet: Erstausbildung vor Integration in der Arbeitslosenversicherung.
Die prognostizierten Arbeitslosenzahlen steigen ständig. Oft gehören Arbeitnehmende ohne Erstausbildung zu jenen Personen, die am schnellsten und stärksten von den Folgen der Wirtschaftskrise betroffen sind. Wenn sie ihren Job verlieren, entstehen Selbstzweifel, oft gerät das Familienleben durcheinander und es bleiben viele offene Fragen, wie es weitergehen soll. Von den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) wird dann Druck gemacht, sich möglichst schnell und à tout prix auf jede erdenkliche Stelle zu bewerben. Das Vorgehen bleibt ohne Erfolgsaussichten, solange die Wirtschaft schrumpft.
Eine von Travail.Suisse beim Büro BASS in Auftrag gegebene Studie zeigt, dass es sowohl für die betroffene Person wie auch für die öffentliche Hand eine viel bessere Strategie gäbe: Arbeitnehmende ohne Erstausbildung verdienen im Durchschnitt nämlich bis zu 2000 Franken weniger pro Monat als Arbeitnehmende mit einem Berufsabschluss. Dementsprechend gehen der öffentlichen Hand Steuereinnahmen und Sozialversicherungsbeiträge verloren. Personen ohne Erstausbildung sind zudem viel stärker von den Systemen der sozialen Sicherheit abhängig und haben stärkere Gesundheitsprobleme. Zusammen genommen ergeben sich so laut Studie Kosten für die öffentliche Hand in der Höhe von jährlich rund 10’000 Franken pro Person ohne Erstausbildung.
In Anbetracht dessen muss eine wirksame und effiziente Sozialpolitik in Zeiten von Arbeitslosigkeit viel stärker beim Erstabschluss ansetzen. Die Investitionen dafür machen sich im wirtschaftlichen Aufschwung mehr als bezahlt: Wenn eine 40-jährige Person einen Berufsabschluss während der Arbeitslosigkeit nachgeholt hat, wird sie sich nachhaltiger wieder in den Arbeitsmarkt integrieren können, mehr verdienen und wird weniger von den Sozialversicherungen abhängig sein. Die betroffene Person gewinnt an Autonomie und Würde und die öffentliche Hand wird bis zu deren Pensionierung um rund eine Viertelmillion Franken entlastet.
Damit die Krise als Chance zur Erstausbildung genutzt werden kann ist in der Arbeitslosenversicherung (ALV) ein grundlegender Perspektivenwechsel vonnöten. Für die Verantwortlichen der RAV müssen Rahmenbedingungen und Anreize geschaffen werden, die eine Erstausbildung in der ALV vor der möglichst schnellen Reintegration à tout prix begünstigen. Arbeitslosentaggelder müssen auch während einer Erstausbildung ausbezahlt werden, die absolvierten Kurse während der Arbeitslosigkeit müssen bewertet und an Ausbildungen angerechnet werden. Dabei muss die bisherige berufliche Erfahrung angemessen einbezogen werden.
Heute in die Bildung und Erstausbildung zu investieren ist also im ureigenen Interesse der öffentlichen Hand. Und dies bezüglich Jugendliche und Erwachsene. Um die Zeit erfolgreich zu nutzen, muss nun das im Föderalismus übliche Denken in engen Zuständigkeiten überwunden werden. Dies zum Wohl der betroffenen Bevölkerung, welcher eine Perspektive erhalten bleibt, wie auch der öffentlichen Finanzen, welche durch mehr Ausbildungsabschlüsse künftig stark entlastet würden. Auch die Wirtschaft wird bald wieder von verstärkten Bildungsmassnahmen profitieren, wenn sie im Aufschwung besser qualifizierte Arbeitnehmende zur Verfügung hat.
Travail.Suisse-Vize-Präsidentin und Nationalrätin Josiane Aubert hat deshalb letzte Woche drei parlamentarische Vorstösse in diese Richtung eingereicht. Travail.Suisse erwartet, dass der Bundesrat Schritte in die geschilderte Richtung unternimmt. Es ist Zeit für konkrete Massnahmen und nicht für Ausweichmanöver, wie sie der Bundesrat bisher auf ähnliche Vorstösse (Motion Robbiani 09.3198) präsentiert hat.