Fehlende Grundkompetenzen bei einem Drittel der Bevölkerung: Förderung statt Kürzungen
Eine heute veröffentlichte Studie der OECD zeigt, dass jede dritte erwachsene Person in der Schweiz Probleme im Bereich der Grundkompetenzen hat. Für Travail.Suisse, den unabhängigen Dachverband der Arbeitnehmenden, ist klar: Defizite bei den Grundkompetenzen gefährden die Integration in den Arbeitsmarkt, verunmöglichen die Teilnahme an Weiterbildung und erschweren die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Es braucht deshalb mehr und nicht weniger Förderung der Grundkompetenzen Erwachsener – jede Form von finanziellen Kürzungen in diesem Bereich ist ein reines Eigentor.
Die Schweiz hat 2023 erstmals am internationalen Programm der OECD zur Evaluation der Kompetenzen von Erwachsenen teilgenommen. Die Ergebnisse zeigen für Travail.Suisse klar auf, dass es im Bereich der Grundkompetenzen mehr statt weniger Förderung und Unterstützung braucht.
Probleme mit den Grundkompetenzen weit verbreitet
Fast jede dritte erwachsene Person in der Schweiz weist in einem der drei Bereiche der Grundkompetenzen (Lesen, Alltagsmathematik und Problemlösen) Probleme auf – jede sechste Person gar in allen Bereichen. Insgesamt weisen damit 1,67 Mio. Personen in der Schweiz Defizite bei den Grundkompetenzen auf. Im internationalen Vergleich steht die Schweiz damit zwar etwas besser da als der Durchschnitt der OECD-Länder, ist aber mit den Ranglistenplätzen 11 (Lesen), 9 (Mathematik) und 12 (Problemlösen) weit von den Spitzenplätzen entfernt. Für Travail.Suisse ist damit klar ausgewiesen, dass die Förderung der Weiterbildung im Allgemeinen und der Grundkompetenzen im Speziellen deutlich verstärkt werden muss. «Fehlende Grundkompetenzen führen oft zu prekären Jobs, Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt und zu einem eingeschränkten Zugang zu Weiterbildung; sie erschweren aber auch den normalen Alltag und schliessen vom gesellschaftlichen Leben aus», sagt Gabriel Fischer, Leiter Bildungspolitik bei Travail.Suisse.
Klare Merkmale der Benachteiligung
Erfreulicherweise zeigen sich nur geringe Unterschiede zwischen den Sprach- und Grossregionen der Schweiz. Deutliche Unterschiede zeigen sich erwartungsgemäss beim Bildungsniveau und beim Migrations-, resp. Sprachprofil (wenn die Hauptsprache keine Landessprache ist, zeigen sich überdurchschnittlich oft Probleme mit den Grundkompetenzen). Sehr problematisch sind aus Sicht von Travail.Suisse die Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Während im Bereich Lesen kaum Unterschiede zwischen den Geschlechtern festgestellt wurden, zeigen sich im Bereich Problemlösen und insbesondere im Bereich Alltagsmathematik deutliche Unterschiede. 21% der Frauen (gegenüber 16% der Männer) befinden sich hier auf tiefem Niveau, während lediglich 14% der Frauen (gegenüber 27% der Männer) ein hohes Niveau erreichen. «Eine Fokussierung auf das Geschlecht ist sowohl bei der Förderung der Chancengleichheit in der Volksschule als auch bei den Angeboten zur Stärkung der Grundkompetenzen Erwachsener zwingend notwendig», sagt Valérie Borioli Sandoz, Leiterin Gleichstellungs- und Vereinbarkeitspolitik bei Travail.Suisse.
Weitere Förderung der Grundkompetenzen notwendig
Travail.Suisse anerkennt, dass in verschiedenen Bereichen Anstrengungen unternommen werden, um die Grundkompetenzen von Erwachsenen zu verbessern, dennoch zeigen die Ergebnisse der OECD-Studie, dass noch erheblicher Verbesserungsbedarf besteht. Grundkompetenzen sind eine Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche und nachhaltige Integration in den Arbeitsmarkt, eine kontinuierliche Teilnahme an Weiterbildung und für eine gelingende und freudvolle Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Gerade der Barometer Gute Arbeit von Travail.Suisse hat unlängst grosse Unterschiede bei der Förderung der Weiterbildung und wenig hilfreiche Mitarbeitergespräche aufgezeigt. Auch diese Ergebnisse machen deutlich, dass es eindeutig mehr und nicht weniger Unterstützung bei der Förderung der Grundkompetenzen braucht. Dazu bedarf es neben der Bereitschaft der Arbeitnehmenden auch die finanzielle und zeitliche Unterstützung durch die Arbeitgebenden und die Förderung durch die öffentliche Hand. «Es ist geradezu grotesk, wenn in der Aufgaben- und Subventionsüberprüfung des Bundes auch der Verzicht auf das Weiterbildungsgesetz oder auch nur die Streichung der finanziellen Förderung aus dem Gesetz vorgeschlagen wird», hält Gabriel Fischer weiter fest.