Spitzentreffen Berufsbildung: Wichtige Weichenstellungen – jetzt braucht es klare Ziele und eine rasche Umsetzung
Am diesjährigen Spitzentreffen Berufsbildung – dem politischen und strategischen Austausch der Verbundpartner – wurden wichtige Weichenstellungen für die Berufsbildung vorgenommen. Einerseits wurde ein Bericht zur besseren Positionierung der Höheren Fachschulen verabschiedet. Eine Stärkung der Höheren Fachschulen stützt die Höhere Berufsbildung insgesamt, stärkt die Berufsbildung in der Schweiz und wird von Travail.Suisse seit Langem gefordert und unterstützt. Weiter konnte ein Commitment zum Berufsabschluss für Erwachsene verabschiedet werden. Ein Berufsabschluss für Erwachsene verbessert die Arbeitsmarktchancen von Arbeitnehmenden und lindert den Fachkräftemangel. Es braucht aber weitere Anstrengungen und insbesondere klare Zielvorgaben.
Mit dem Spitzentreffen Berufsbildung lädt der Vorsteher des WBF seit 2014 jährlich Spitzenvertreterinnen und -vertreter der Verbundpartner (Bund, Kantone und Organisationen der Arbeitswelt) ein, um über aktuelle Fragen und Herausforderungen in der Berufsbildung zu diskutieren. Das diesjährige Spitzentreffen Berufsbildung fand am 14. November unter der Leitung von Bundesrat Guy Parmelin statt. Es hat sich im Wesentlichen den folgenden vier Themen gewidmet:
- Positionierung Höhere Fachschulen
- Commitment Berufsabschluss für Erwachsene
- Prozesse und Anreize in der Berufsbildung
- Stand und Ausblick der Projekte von «Berufsbildung 2030»
Insbesondere die ersten beiden Themen sind für Travail.Suisse von grösster Wichtigkeit.
Eine bessere Positionierung der Höheren Fachschulen ist längst überfällig
Das Projekt Positionierung Höhere Fachschulen geht auf eine Motion von Alt-Ständerätin Anita Fetz zurück, welche von Travail.Suisse klar unterstützt wurde (18.3240). Bei der Höheren Berufsbildung (HBB) handelt es sich um den nicht-hochschulischen Bereich der Tertiärstufe im schweizerischen Bildungssystem. Wissenschaftliche Studien bestätigen ausnahmslos die positiven Effekte der Höheren Berufsbildung: Hohe Erwerbsbeteiligung und hohe Bildungsrenditen. Damit trägt die Höhere Berufsbildung einerseits dazu bei, den Arbeitsmarkt mit Berufsspezialistinnen und -spezialisten zu versorgen. Andererseits ermöglicht die HBB insbesondere Arbeitnehmenden ohne (gymnasiale oder berufliche) Maturität hervorragende Karriere- und Arbeitsmarktchancen und hilft so mit, die negativen Effekte der sozialen Selektion zu mindern. Die HBB setzt sich aus den Abschlüssen der eidgenössischen Prüfungen (Berufs- und höhere Fachprüfungen) und den Diplomen der Höheren Fachschulen zusammen. Die Entwicklung der Anzahl der Abschlüsse auf Tertiärstufe legt die Grundproblematik offen: Während die Abschlüsse der HBB weitestgehend stagnieren, sind sie in den letzten 15 Jahren zahlenmässig von den Abschlüssen an Universitäten und Fachhochschulen deutlich überholt worden (vgl. Abbildung 1).
Abbildung 1: Entwicklung der Bildungsabschlüsse auf Tertiärstufe 2005 – 2020
Aus Sicht von Travail.Suisse ist deshalb eine bessere Positionierung zur Stärkung der Höheren Berufsbildung insgesamt unabdingbar. Von den vorgeschlagenen Massnahmen erachtet Travail.Suisse insbesondere einen besseren Bezeichnungsschutz für Höhere Fachschulen, bessere Rahmenbedingungen für die Studierenden und die Prüfung eines ergänzenden Titels zur besseren Sichtbarkeit der Abschlüsse als Priorität. Der am Spitzentreffen vorgelegte und verabschiedete Bericht wird von Travail.Suisse daher ausdrücklich begrüsst – entscheidender wird aber sein, jetzt rachestmöglich mit der Umsetzung zu beginnen.
Wertvolles Commitment aber keine konkreten Zielvorgaben
Weiter wurde am Spitzentreffen Berufsbildung ein Commitment «Berufsabschluss für Erwachsene» (BAE) verabschiedet. Damit beknnen sich die Verbundpartner zur Wichtigkeit der BAE und setzen sich für die stete Verbesserung der Rahmenbedingungen ein. Travail.Suisse begrüsst dieses Commitment als wichtigen Schritt, erachtet es aber gleichsam als unabdingbar, konkrete Zielvorgaben zu definieren. Über 600‘000 Personen in der Schweiz haben keinen nachobligatorischen Bildungsabschluss. Dies schwächt ihre Stellung auf dem Arbietsmarkt, verwehrt ihnen den Zugang zu Höherqualifizierungen und Weiterbildungen und verstärkt den Fachkräftemangel. In der Weiterbildungsoffensive von Travail.Suisse wurde auf ein Potenzial von über 330‘000 Personen hingewiesen, die für einen BAE geeignet sind. Gleichzeitig werden aber trotz der Zunahmen der letzten Jahre erst rund 10‘000 Berufsabschlüsse pro Jahr von Erwachsenen erreicht, wovon wiederum nur rund die Hälfte Erstabschlüsse sind. Mit anderen Worten: mit 5‘000 Abschlüssen wird nur rund 1.5% des Potenzials im Bereich BAE genutzt. Travail.Suisse fordert deshalb zusätzlich zum Commitment eine verbindliche Zielvereinbarung für mindestens eine Verdoppelung der heutigen Abschlusszahlen.
Quelle der Grafik: Bundesamt für Statistik, Bildungsabschlüsse