Zum 13. Mal führt Travail.Suisse, der unabhängige Dachverband der Arbeitnehmenden, die Managerlohnstudie durch. Die ersten Resultate zeigen, dass die Topmanager der untersuchten Unternehmen auch 2016 wieder immense Summen erhielten. An mehreren Generalversammlungen wurde denn auch Kritik laut, aber absurde Abstimmungspraktiken verhindern noch immer, dass die Aktionäre die Gehälter der Topmanager nach ihrer Leistungen messen können.
2013 wurde mit der Annahme der Abzockerinitiative der Grundstein gelegt um endlich gegen exorbitante Managerlöhne vorzugehen. Ende des letzten Jahres hat der Bundesrat den Entwurf der Aktienrechtsrevision veröffentlicht, welche die 2014 in Kraft gesetzte Verordnung gegen übermässige Vergütungen bei börsenkotierten Aktiengesellschaften (VegüV) ins Gesetz überführen soll. Bei der Umsetzung der Abzockerinitiative wurde der Fokus auf die Stärkung der Aktionärsrechte gelegt: Aktionäre sollen in bindenden Abstimmungen über die Löhne des Managements entscheiden können. Diese Wahl bei der Umsetzung lässt sich generell in Frage stellen und wie die Realität zeigt, sind auch die gewählten Instrumente grösstenteils wirkungslos. So werden die Anträge an den Vergütungsabstimmungen mit durchschnittlichen Zustimmungsquoten von über 90 Prozent zumeist schnell und kritiklos abgehandelt.
Tiefere Zustimmungsquoten an Generalversammlungen
Im Vorfeld der diesjährigen Generalversammlung geriet die Credit Suisse von verschiedener Seite unter Druck: Bedeutende Aktionäre und Stimmrechtsberater kritisierten die CS-Spitze und deren Vergütungen scharf, forderten die Ablehnung des Vergütungsberichtes und stellten sich unter anderem auch gegen die Wiederwahl von Verwaltungsratspräsident Rohner. Doch nicht nur bei der Credit Suisse, sondern auch bei Georg Fischer, ABB und Novartis wurde die Kritik lauter. Damit stellt sich die Frage, ob die Abzockerinitiative endlich Wirkung zeigt und Aktionäre ihre Rolle als Korrektiv endlich wahrnehmen. Und tatsächlich zeigen die Resultate der Vergütungsabstimmungen in den genannten Unternehmen ein anderes Bild als in den letzten Jahren: Die Untersuchung der Vergütungsabstimmungen in Schweizer Unternehmen im Rahmen der jährlich durchgeführten Managerlohnstudie zeigt, dass die Aktionäre von Credit Suisse, Novartis und ABB die Vergütungsberichte mit jeweils nur rund 60 Prozent annahmen, während die Aktionäre von Georg Fischer den Vergütungsbericht gar mit 55 Prozent ablehnten.
Doch es wäre voreilig aus diesen Resultaten zu schliessen, dass die Umsetzung der Abzockerinitiative endlich Früchte trägt. Zum einen sind die Abstimmungen über den Vergütungsbericht ausschliesslich konsultativ und haben somit keinerlei bindende Konsequenzen. Folglich ist es schlicht irrelevant ob ein Vergütungsbericht mit den sonst üblichen rund 90 oder „nur“ mit 60 Prozent angenommen wird. Auch im Falle einer Ablehnung, wie bei Georg Fischer, sind die Konsequenzen begrenzt. Der Konzern gab in einer Medienmitteilung nach der Generalversammlung lediglich bekannt, dass er erneut das Gespräch mit grösseren Aktionären und den Stimmrechtsberatern aufnehmen werde. Zum andern zeigt sich der Effekt der aufkommenden Kritik an den Vergütungsmodellen ausschliesslich in den konsultativen Abstimmungen zum Vergütungsbericht. Die bindenden Abstimmungen zu den Vergütungen des Verwaltungsrats und der Geschäftsleitung werden in den von Travail.Suisse untersuchten Unternehmen mit einer durchschnittlichen Zustimmungsrate von rund 90 Prozent 1 weiterhin praktisch kritiklos durchgewinkt. Auch eine Studie von Hostettler & Company (HCM) 2 , welche die Vergütungsabstimmungen in 242 Schweizer Unternehmen analysiert, zeigt, dass die durchschnittliche Zustimmungsquote bei den bindenden Abstimmungen bei über 90 Prozent liegt und auch die konsultativen Abstimmungen im Durchschnitt eine Zustimmung von 86 Prozent aufweisen.
Besonders kritisch ist zu werten, dass in nur gerade 4 von 22 Unternehmen im Nachhinein über die variable Vergütung abgestimmt wird. Das führt zu der paradoxen Situation, dass die Aktionäre im Vornherein schon über zukünftige Boni und somit über Leistungen ihrer Geschäftsleitung entscheiden müssen. Solange diese absurden Abstimmungspraktiken weiterbestehen und variable Vergütungen auf Basis einer Bewertung der tatsächlichen Leistung eines Topmanagers verunmöglichen, kann man nicht von einer erfolgreichen Umsetzung der Abzockerinitiative sprechen. Auch im Rahmen der Aktienrechtsrevision wird sich gemäss der Botschaft des Bundesrats vom November 2016 3 nichts an dieser Situation ändern. Prospektive Abstimmungen über variable Vergütung sollen weiterhin erlaubt sein – lediglich an die Bedingung geknüpft, dass nach Abschluss des Geschäftsjahres konsultativ über den Vergütungsbericht abgestimmt wird. Doch dass Konsultativabstimmungen nur begrenzt wirkungsvoll sind, wurde bereits erläutert.
Antrittsentschädigungen weiterhin gang und gäbe
Auch in einem weiteren Punkt wird klar, dass die Aktienrechtsrechtsrevision wichtige Elemente vernachlässigt und somit relativ wirkungslos bleiben wird. Eine zentrale Forderung im Rahmen der Abzockerinitiative war die Abschaffung der sogenannten Antrittsentschädigungen. Bei diesen Entschädigungen handelt es sich faktisch um Kompensationszahlungen des neuen Unternehmens für Boni, die der entsprechende Manager eventuell in der Zukunft bei seinem bisherigen Arbeitgeber erhalten hätte. Das „hätte“ und das „eventuell“ in diesem Satz zeigt bereits die Absurdität der ganzen Sache. Wieso sollte jemand für Boni für Leistungen, die er oder sie eventuell in der Zukunft erbracht hätte, „kompensiert“ werden? Der Bundesrat verpasst jedoch die Chance im Rahmen der Aktienrechtsrevision Antrittsentschädigungen ein für alle Mal zu unterbinden. Zudem verzichtet der Bundesrat darauf, einen klaren Nachweis zu fordern, dass eine Prämie einen nachweisbaren finanziellen Nachteil kompensiert.
Im letzten Jahr sorgte Tidjane Thiam, der neue CEO von Credit Suisse, mit einer Antrittsentschädigung in der Höhe von 14 Mio. CHF für Aufsehen. Doch auch aktuell wurden wieder Antrittsprämien in Millionenhöhe verteilt. Ein Beispiel ist die Versicherung Zurich Insurance, die ihren Neuzugängen in der Geschäftsleitung Antrittsentschädigungen im Wert von insgesamt 10.1 Mio. CHF in Form von Zahlungen und Aktienzuteilungen zusprach. Davon gingen 4.2 Mio. CHF an den neuen CEO Mario Greco, der im März 2016 die Geschäftsleitung übernahm. 4
Abschliessend lässt sich also festhalten, dass die Abzockerinitiative trotz der aufkommenden Kritik an den Vergütungssystemen verschiedener Unternehmen kaum Wirkung zeigt. Die entscheidenden, bindenden Abstimmungen über die Vergütungen des Topmanagements werden an den Generalversammlungen weiterhin praktisch kritiklos durchgewinkt. Ausserdem wurde das eigentliche Ziel der Initiative, nämlich gegen exorbitante Managerlöhne vorzugehen, nicht erreicht – im Gegenteil – die Managerlöhne sind seit dem Ja zur Abzockerinitiative nicht etwa gesunken, sondern weiter angestiegen!
Ohne auf die Grundsatzfrage einzugehen, ob eine Stärkung der Aktionärsrechte ein sinnvolles Instrument zur Verhinderung exorbitanter Vergütungen darstellt, kritisiert Travail.Suisse deshalb den Verzicht des Bundesrats auf wichtige und von Travail.Suisse geforderte Massnahmen, wie etwa sinnvolle Abstimmungspraktiken an den Generalversammlungen, wirksame Verbote von Antritts- und Abgangsentschädigungen, sowie eine Offenlegungspflicht der Vergütungen der einzelnen Geschäftsleitungsmitglieder.
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p(footnote). 1 Eigene Berechnung, Travail.Suisse
2HCM (2017): http://www.hcm.com/en/news-publications/
3 Botschaft Bundesrat: https://www.admin.ch/opc/de/federal-gazette/2017/399.pdf
4 Geschäftsbericht Zurich 2016: https://annualreports.zurich.com/2016/de/geschaeftsbericht/