Im Rahmen der jährlich durchgeführten Managerlohnstudie untersucht Travail.Suisse, der unabhängige Dachverband der Arbeitnehmenden, auch den Frauenanteil in den Verwaltungsräten und Geschäftsleitungen von Schweizer Unternehmen. Die Zahlen der Studie zeigen, dass die Frauenvertretung in den Geschäftsleitungen nach wie vor auf einem sehr tiefen Niveau stagniert. Der Frauenanteil in den Verwaltungsräten hingegen entwickelt sich auf den ersten Blick in eine erfreuliche Richtung. Im Vergleich mit anderen westeuropäischen Staaten nimmt die Schweiz jedoch eine der letzten Positionen ein. Dies zeigt einmal mehr, dass die Diskussion über eine Quotenregelung dringend notwendig ist.
Der Frauenanteil in den Geschäftsleitungen der von Travail.Suisse untersuchten Unternehmen belief sich 2016 auf 6 Prozent. Betrachtet man die untenstehende Grafik, zeigt die Entwicklung der letzten Jahre eine Stagnation im Bereich zwischen 4 und 6 Prozent. Es lässt sich also keine klare Entwicklung in Richtung der von verschiedenster Seite geforderten 20 Prozent erkennen. Insbesondere kritisch zu werten ist, dass 15 der 26 untersuchten Unternehmen Geschäftsleitungen ohne jegliche Frauenbeteiligung aufweisen. Dies entspricht einem Anteil von rund 60 Prozent reiner Männergremien. Der Frauenanteil in den Verwaltungsräten belief sich 2016 auf 24 Prozent. Dies bestätigt den kontinuierlichen Anstieg der letzten Jahre, ist jedoch noch immer deutlich unter den geforderten 30 Prozent der laufenden Aktienrechtsrevision.
Abbildung 1: Frauenanteil in Verwaltungsrat und Geschäftsleitung 2002-2016, Quelle: Eigene Darstellung, Travail.Suisse
Eine Tatsache, die mit Blick in die Zukunft hoffen lässt, ist, dass im Jahr 2016 13 Prozent der Neuzugänge in den Geschäftsleitungen und 28 Prozent der Neuzugänge in den Verwaltungsräten der von Travail.Suisse untersuchten Firmen Frauen waren. Die aktuellsten Zahlen des Schillingreports 2017 1 bestätigen diese positive Entwicklung, zeigen jedoch ebenfalls klar auf, dass der Frauenanteil in Führungspositionen weiterhin bedenklich tief ist. In diesem Sinne lohnt sich ein Blick über die Grenzen hinaus, denn insbesondere im europäischen Vergleich hinkt die Schweiz noch immer deutlich hinterher und es besteht ein grosser Aufholbedarf.
Die Schweiz als Schlusslicht im europäischen Vergleich
Gemäss Daten des Peterson Institute for International Economics 2 belegte die Schweiz 2016 im Bezug auf die Frauenvertretung in Geschäftsleitungen den erschreckenden 56. Rang von 59 untersuchten Ländern. Während Norwegen einen Frauenanteil von rund 40 Prozent vorweisen kann, liegt die Frauenvertretung in Ländern wie Italien, Schweden und Finnland zumindest über 20 Prozent. Die Schweiz hingegen fällt gemäss der Studie mit 8 Prozent deutlich ab.
In den Verwaltungsräten zeigt sich ein ähnliches Bild. Gemäss den Zahlen des Schillingreports 2017 3 und einer Studie der Credit Suisse 4 belegt die Schweiz im europäischen Vergleich auch hier einen der letzten Plätze im Bezug auf die Frauenvertretung. Spitzenreiter ist wiederum Norwegen mit einem Frauenanteil von über 40 Prozent. Auch Frankreich, Schweden, Italien, Finnland und neu auch Deutschland weisen Werte um 30 Prozent oder mehr auf, während die Schweiz gemäss der Credit Suisse Studie mit einem Frauenanteil von 13.4 Prozent klar unter dem europäischen sowie auch dem globalen Durchschnitt liegt. 5 So befindet sich die Schweiz in Punkto Frauenvertretung näher bei Ländern wie Indien und Thailand, als bei ihren europäischen Nachbarn.
Diese erschreckende Tatsache ist insbesondere auf die bemerkenswerten Fortschritte vieler europäischer Staaten in den vergangenen Jahren zurückzuführen. In Norwegen, Belgien, Frankreich, Italien, der Niederlande und Deutschland sind Frauenquoten in den Verwaltungsräten grosser Unternehmen heute Realität. Während in Norwegen bei Nichterfüllung harte Strafen drohen, sind in den meisten anderen Ländern keine Sanktionen vorgesehen. Besonders interessant aus Sicht der Schweiz ist der Vergleich mit Deutschland, wo 2016 eine Frauenquote von 30 Prozent für den Verwaltungsrat eingeführt wurde. Fünf Monate nach der Einführung lag der Frauenanteil bereits bei über 30 Prozent und knapp zwei Drittel der DAX-Unternehmen erfüllten die vorgeschriebene Quote. 6
Abbildung 2: Frauenanteil in Geschäftsleitung und Verwaltungsrat, Quelle: Credit Suisse Research 2016
Frauenquote muss auch in der Schweiz Realität werden
Im Rahmen der Aktienrechtsrevision, welche bald ins Parlament kommt, schlägt der Bundesrat eine Frauenquote von 30 Prozent in Verwaltungsräten und 20 Prozent in Geschäftsleitungen börsenkotierter Firmen vor. Griffige Kontrollmechanismen und Sanktionen, welche Travail.Suisse im Vorfeld gefordert hatte, sind jedoch nicht vorgesehen. Die Firmen wären lediglich verpflichtet sich bei einer Nicht-Einhaltung der Quoten nach dem „comply or explain“-Prinzip zu erklären. Obwohl die Vorlage ohne konkrete Sanktionsmöglichkeiten relativ zahnlos scheint, so wäre sie in Anbetracht des riesigen Aufholbedarfs der Schweiz doch ein Schritt in die richtige Richtung. Die Vorlage wird nicht nur von linker Seite unterstützt. Auch bürgerliche Rechtsexperten erkennen, dass im Rahmen des verfassungsmässigen Auftrags zur Gleichstellung etwas getan werden muss und sprechen sich für die Einführung einer Frauenquote im Zuge der laufenden Aktienrechtsrevision aus. 7
Travail.Suisse unterstützt die Vorlage als wichtigen, wenn auch zu zaghaften, Schritt in Richtung eines ausgeglichenen Geschlechterverhältnisses in Führungspositionen. Die Zeit, in der ein Grossteil der Unternehmen in den Händen reiner Männergremien liegt, muss endlich der Vergangenheit angehören. Das Beispiel des Kantons Basel-Stadt zeigt, was möglich ist: Innerhalb nur eines Jahres wurde in der Stadt Basel eine Frauenquote von 33 Prozent in öffentlichen und staatsnahen Betrieben erreicht. An diesem und am oben erwähnten Beispiel Deutschlands wird klar, was die Einführung von Quoten bewirken kann und was es in der Schweiz nun zu tun gilt, um das Ziel einer besseren Vertretung von Frauen in der Wirtschaft zu erreichen.
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p(footnote). 1 http://www.schillingreport.ch/de/home
2PIIE (2016): https://piie.com/publications/working-papers/gender-diversity-profitabl…
3 Schillingreport 2017 (Medienmitteilung): http://www.schillingreport.ch/de/home
4 Credit Suisse Research (2016): https://www.credit-suisse.com/ch/de/about-us/media/news/articles/media-…
5 Die Studie der Credit Suisse und der Schillingreport 2017 weisen bei der Frauenvertretung in Verwaltungsräten eine deutlich tiefere Zahl aus als die Studie von Travail.Suisse. Dies lässt sich durch die unterschiedliche Zusammensetzung der untersuchten Betriebe erklären.
6NZZ (13.6.2016): https://www.nzz.ch/wirtschaft/wirtschaftspolitik/gleichstellung-in-unte…
7 Tages-Anzeiger (22.4.2017): An der Frauenquote schneiden sich Männergeister