Travail.Suisse, der unabhängige Dachverband der Arbeitnehmenden, untersucht im Rahmen der jährlich durchgeführten Managerlohnstudie auch weitere Aspekte der Corporate Governance – z.B. die Vertretung der Frauen in den Konzernleitungen und Verwaltungsräten börsenkotierter Unternehmen. Die diesjährige Analyse von 27 Schweizer Aktiengesellschaften 1 bringt ein ambivalentes Resultat hervor: Der Frauenanteil in den Verwaltungsräten ist im Vergleich zum Vorjahr leicht gestiegen, in der Konzernleitung ist er bedauerlicherweise gesunken. Nicht einmal jede 20. Stelle ist von einer Frau besetzt.
Die weibliche Vertretung in den Konzernleitungen erweist sich auch im 13. Jahrgang der durchgeführten Studie von Travail.Suisse als äusserst beschämend. Diane de Saint Victor, Bianka Wilson, Lara J. Warner, Wan Ling Martello, Susanne Ruoff, Silvia Ayyoubi, Rita Baldegger, Florence Ollivier-Lamarque und Isabelle Welton sind jene neun Frauen, die Ende 2015 Konzernleitungsmitglied waren. Auf zwei Zeilen lassen sich also alle Frauen zusammenfassen, die Einsitz in den 27 Führungsgremien mit gesamthaft 220 Sitzen haben – dies entspricht einem Anteil von 4 Prozent. Kritisch zu betrachten ist, dass sich dieser Wert gegenüber demjenigen des Vorjahres rückläufig verhält. Bloss in neun von den untersuchten 27 Unternehmen sind Frauen überhaupt vertreten, d.h. zwei Drittel sind reine Männerkomitees 2 . Die oben erwähnte Susanne Ruoff ist die einzige Frau im Sample, welche die Funktion eines CEOs innehat. Nicht eines der Unternehmen zählt mehr als ein weibliches Konzernleitungsmitglied, was bei grossen Gremien – evt. sogar mit erweiterter Konzernleitung – mit über zehn Mitgliedern (ABB, Credit Suisse, Nestlé, Swatch, Zurich) doch eher nachdenklich stimmen mag.
Grafik 1: Entwicklung des Frauenanteils in Verwaltungsrat und Konzernleitung 2002-2015
Quelle: eigene Darstellung Travail.Suisse
Bei der Zusammensetzung der Verwaltungsräte sieht es etwas besser aus. Obwohl auch hier noch lange nicht von einem ausgeglichenen Geschlechterverhältnis gesprochen werden kann, ist 2015 der Frauenanteil wenigstens nicht gesunken, sondern die positive Entwicklung der letzten Jahre hat sich fortgesetzt. Mit einem durchschnittlichen Frauenanteil von 21.8 Prozent ist er im Vergleich zum Vorjahr um ein halbes und gegenüber 2013 um vier Prozent gestiegen. Ein Blick auf den längerfristigen Verlauf zeigt, dass die weibliche Vertretung in den Verwaltungsräten seit 2002 (8.6 Prozent) stetig zugenommen hat. So weit so gut. Trotz diesem positiven Trend ist heute nur gut jedes fünfte Verwaltungsratsmitglied eine Frau, was äusserst bescheiden ist. Ende 2015 bestanden die Verwaltungsräte in drei der untersuchten Unternehmen (Bobst, Clariant und Valora) gar aus reinen Männergremien. Nebst den 193 Verwaltungsräten waren insgesamt 54 Verwaltungsrätinnen im Amt. Bei Coop nahmen vier Frauen der gesamthaft zehn Mitglieder Einsitz im Verwaltungsrat. Auch die Post und die Zurich Insurance sind positive Beispiele mit jeweils vier Frauen im neun- bzw. zehnköpfigen Gremium. Bei Lindt & Sprüngli sind zwei von gesamthaft fünf Mitgliedern Frauen.
Die seit 2006 jährlich durchgeführte Studie der Guido Schilling AG 3 , in der die 100 grössten Schweizer Unternehmen untersucht werden, zeigt ein stetig positiveres, aber dennoch nicht zufriedenstellendes Bild: Der durchschnittliche Frauenanteil in den evaluierten Geschäftsleitungen beträgt sechs Prozent. Beachtlich ist, dass in über zwei Drittel der analysierten Unternehmen Veränderungen in der Zusammensetzung der Gremien stattgefunden haben – erfreulich wäre es, wenn diese Wechsel den Frauen zugutekämen. Unter den gesamthaft 125 neu eingetretenen Mitgliedern befinden sich aber nur gerade neun Prozent Frauen. 15 Prozent der Verwaltungsratsposten sind von Frauen besetzt – viel weniger als im Untersuchungssample von Travail.Suisse. Positiv zeigt sich hier jedoch der Zuwachs an weiblichen Mitgliedern im letzten Jahr; 33% der neuen sind Frauen. In der gesamten Stichprobe des Schillingreports befinden sich nur drei weibliche CEOs und eine Veraltungsratspräsidentin.
Geschlechter-Richtwerte fürs obere Kader müssen eingeführt werden
Im Hinblick auf die Aktienrechtsrevision hat der Bundesrat Ende 2015 Grundsatzentscheide gefasst, bei denen u.a. an den Richtwerten für die Geschlechtervertretung im obersten Kader festgehalten wurde: Der Verwaltungsrat grosser börsenkotierter Unternehmen soll mindestens zu je 30 Prozent aus beiden Geschlechtern bestehen (bei einer unveränderten Anpassungsfrist von fünf Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes). Für die Konzernleitung hat der Bundesrat in den Eckwerten im Vergleich zum Vorentwurf einen tieferen Wert von 20 Prozent beschlossen und die Anpassungsfrist für die Unternehmen von fünf auf zehn Jahre verlängert. Werden diese Ansätze von einem Unternehmen nicht erfüllt, so gilt der sogenannte „Comply-or-Explain-Ansatz“, der keine Sanktionen für Gesellschaften vorsieht, die diese Vorgaben nicht umsetzen, sondern eine Begründung, weshalb die Richtwerte nicht erreicht wurden sowie die Offenlegung vorgesehener Massnahmen verlangt. Travail.Suisse fordert endlich konkrete Massnahmen, denn nur so sind baldige Veränderungen in den Geschäftsführungen möglich.
h2. Noch ganze 90 Jahre bis zu einem Frauenanteil von 20 Prozent in Konzernleitungen?
Wenn es in diesem Tempo weiterginge, so würde es noch neun Jahre dauern, bis die vom Bundesrat verlangte Geschlechtervertretung von je 30 Prozent im Verwaltungsrat erreicht wäre. Bei der Konzernleitung darf es auf gar keinen Fall so schleppend weitergehen wie bisher; auf die vorgesehenen 20 Prozent Frauenanteil in den obersten Schweizer Wirtschaftsgremien müssten wir noch ganze 90 Jahre warten, also bis ins Jahr 2106! U.a. aus diesem Grund ist es enorm wichtig, dass es Richtwerte gibt, die auch eingehalten werden müssen. Sie sind eine gute Starthilfe, um einen besseren und schnelleren Einbezug der Frauen in die Spitzenpositionen zu erreichen. Travail.Suisse stützt das Vorhaben des Bundesrates, eine Quotenregelung für grosse börsenkotierte Unternehmen einzuführen, damit die Diversität der Geschlechter gefördert und ein ausgeglichenes Verhältnis endlich vorangetrieben wird. Männliche Monokulturen können durch die Partizipation von Frauen in Führungsgremien aufgebrochen werden und sich vielfältiger entwickeln.
In der Schweizer Wirtschaft bilden Frauen auch heute noch eine Minderheit. Das weibliche Geschlecht macht aber die Hälfte der Bevölkerung aus – Frauen müssen stärker in den Markt eingebunden werden. Es ist höchste Zeit, dass sie endlich adäquate Positionen zu ihren Fähigkeiten besetzen.
_____ 1 Nestlé, UBS, Roche, Novartis, Lindt&Sprüngli, ABB, Credit p(footnote). Suisse, Swatch, Zurich, Oerlikon, Clariant, Swiss Life, Schindler, Kuoni, Bâloise, Lonza, Implenia, Georg Fischer, Swisscom, Helvetia, Valora, Bobst, Ascom, Ruag, Migros, Post, Coop. 2 Bâloise, Bobst, Clariant, Coop, Georg Fischer, Helvetia, Implenia, Kuoni, Lindt&Sprüngli, Lonza, Migros, Novartis, Oerlikon, Schindler, Swiss Life, Swisscom, UBS, Valora. 3 Guido Schilling, schillingreport 2015 (2016, S.6,11,16-17): Transparenz an der Spitze.