Mit der Annahme der Abzocker-Initiative wurde der Bundesrat damit beauftragt, Abgangsentschädigungen zu verbieten. Mit der Verordnung gegen übermässige Vergütungen bei börsenkotierten Aktiengesellschaften und der geplanten Revision des Obligationenrechts unternahm er erste Schritte in diese Richtung. Ein Blick in die Geschäftsberichte des Jahrs 2014 zeigt aber, dass immer noch massive Entschädigungen ohne Gegenleistung bezahlt werden. Zusätzlich dazu wird es Unternehmen wohl auch weiterhin möglich sein solche zusätzlichen Leistungen zu bezahlen, da das Gesetz grossen Spiel- und Interpretationsraum lässt.
Wer arbeitet erhält Lohn, so sollte man meinen. Doch es gibt Ausnahmen. Manager von Schweizer Unternehmen erhalten auch im Jahr 2014 noch Abgangsentschädigungen. Eine Gegenleistung müssen sie dafür nicht erbringen.
Doch es wird enger für die ehemaligen Kader. Seit dem 1. Januar 2014 ist die bundesrätliche Verordnung gegen übermässige Vergütungen bei börsenkotierten Aktiengesellschaften (VegüV) in Kraft. Sie ist der erste Schritt des Bundesrates zur Umsetzung der Abzocker-Initiative. Darin werden unter anderem Abgangsentschädigungen verboten. Die Unternehmen haben nach in Kraft treten der Verordnung zwei Jahre Zeit, die Verträge der Mitglieder des Verwaltungsrates, der Geschäftsleitung und des Beirates so anzupassen, dass diese wieder mit schweizerischem Recht konform sind. Diese Frist läuft per Ende 2015 aus.
Die letzten Abgangsentschädigungen
Eine der Unternehmungen, die im Jahr 2014 hohe Abgangsentschädigungen ausbezahlt hat, ist die ABB. Die Mitglieder der Geschäftsleitung der ABB haben in ihren Arbeitsverträgen geregelt, dass sie bei Austritt aus der Unternehmung Anspruch auf eine Entschädigung haben. Diese wird ausbezahlt, bis das ehemalige Mitglied eine alternative Beschäftigung gefunden hat, in deren Rahmen es mindestens 70 Prozent seiner Entschädigung bezieht. Wird keine neue Stelle gefunden, verfällt der Anspruch auf die zusätzliche Vergütung nach 12 Monaten. Im Jahr 2013 sind aus der Geschäftsleitung der ABB drei Mitglieder ausgeschieden. Sie bezogen Abgangsentschädigungen im Wert von insgesamt 4.7 Millionen Schweizer Franken, welche auch im Jahr 2014 noch ausbezahlt wurden. 1 Die Summe, die die ehemaligen Kader in Form von zusätzlichen Vergütungen erhalten haben, entspricht rund einem Jahresgehalt pro betroffene Person. Und die Höhe der Entschädigung hätte noch höher ausfallen könne, wäre die maximale Zeitperiode von zwölf Monaten genützt worden.
Ähnlich sieht es beim Chemiekonzern Lonza aus. 2014 verliess ein Mitglied der Geschäftsleitung das Unternehmen und erhielt eine Abgangsentschädigung von rund einer Million Franken. Das entspricht Zweidrittel eines normalen Jahresgehalts, für welches der ehemalige Manager keine Leistung erbringen musste. Im Vergütungsbericht wird diese zusätzliche Zahlung lediglich als Kompensation bis zum Ende der Lohnfortzahlungsperiode beschrieben („compensation until the end of the salary continuation period“). 2
Abgangsentschädigungen werden auch im Jahr 2014 immer noch bezahlt. Aber auch weiterhin können solche Zahlungen nicht begründet werden. Wieso soll es gerechtfertigt sein ein zusätzliches Jahresgehalt zu erhalten, ohne einen Tag dafür gearbeitet zu haben? Besonders störend ist, dass die ABB nicht nur fixe, sondern auch variable Entschädigungen bezahlt. Die Grundidee, dass variable Vergütungen gute Leistungen belohnen sollen, wird dadurch völlig untergraben. Denn eine Leistung, welche nicht erbracht wurde, kann auch nicht belohnt werden.
Berater – die neuen Abzocker?
Mit in Kraft treten der VegüV und der Anpassung der Arbeitsverträge, werden Fälle wie diejenigen bei der ABB und Lonza in Zukunft illegal sein. Doch ob die Bestimmungen ausreichen, um Abgangsentschädigungen ganz zum Verschwinden zu bringen, wird sich zeigen müssen. Denkbar wäre es, dass das Verbot mit der Schaffung neuer Mandate und Verträge umgangen wird. Anstelle von Abgangsentschädigungen würden die abtrettenden Kader ein vertraglich geregeltes Mandat übernehmen, welches entschädigt wird aber keine oder kaum Leistung verlangt. Eine Häufung von sogenannten Beratermandaten wäre also durchaus möglich. Im Jahr 2014 gab es bereits Fälle solcher Beratermandate.
Der ehemalige Verwaltungsratspräsident von Roche Franz B. Humer erhielt, zusätzliche zu seinem Salär für drei Monate, in denen er seine ehemalige Funktion noch ausübte, 3 Millionen Franken für die Beratung des Verwaltungsratspräsidiums. 3 Diese Summe entspricht rund Dreiviertel des Salärs des aktuellen Verwaltungsratspräsidenten und dem Dreifachen einer Entschädigung für ein normales Verwaltungsratsmitglied.
Auch bei der ABB gab es im Jahr 2014 einen solchen Fall. Der ehemalige CEO Joe Hogan bezog für die Beratung des Verwaltungsrates als „Senior Advisor“ 4.3 Millionen Franken verteilt über sieben Monate. 4 Diese Entschädigung ist beinahe so hoch, wie das Jahressalär des aktuellen CEO. Würde man Hogans zusätzliche Entschädigung auf ein Jahr hochrechnen, wäre er im Jahr 2014 sogar der bestverdienende Mitarbeiter der ABB.
Die beiden ehemaligen Top-Manager verdienen beinahe so viel wie das aktuelle Kader in den beiden Unternehmungen. Es ist jedoch anzuzweifeln, dass sie auch die gleiche Leistung erbracht haben. Wahrscheinlicher ist, dass sich die Summe auf die ehemalige Tätigkeit bezieht und eine Abgangsentschädigung ersetzt.
Hintertüren und schwammige Formulierungen
In der VegüV finden sich fast keine Spezifizierungen zum Verbot von Abgangsentschädigungen. Als einziges werden Vergütungen erwähnt, die bei Beendigung der Vertragsverhältnisse noch geschuldet werden. Konkret wird damit auf Lohnfortzahlung während der Kündigungsfrist abgezielt. Diese werden auch weiterhin ausbezahlt werden können.
Der nächste vom Bundesrat geplante Schritt zur Umsetzung der Abzocker-Initiative ist die Revision des Obligationenrechts (Aktienrecht). Damit soll die VegüV ins Gesetz übertragen werden. Jedoch bleibt der Text des Entwurfs nicht derselbe wie bei der VegüV, sondern bringt einige Veränderungen mit sich.
Abgangsentschädigungen werden weiterhin unzulässig sein. Es werden aber zwei neue Aspekte miteinbezogen. Erstens handelt es sich dabei um Konkurrenzverbote. Ehemalige Kader-Mitarbeiter dürfen zwar noch mit einem Konkurrenzverbot belegt werden, wenn ein solches geschäftsmässig begründbar ist. Es darf aber nicht marktunüblich entschädigt werden. Dadurch wird verhindert, dass Manager nach Beendigung des Vertragsverhältnisses hohe Entschädigungen erhalten, welche einer Abgangsentschädigung gleichkommen. Zweitens werden nicht marktübliche Vergütungen in Zusammenhang mit einer früheren Tätigkeit verboten.
Das Problem dieser zusätzlichen Artikel ist, dass die Formulierungen sehr offen gefasst sind. In einem konkreten Einzelfall bleibt enorm viel Spielraum um die Begriffe „geschäftsmässig begründbar“, „marktüblich“ und „Zusammenhang mit einer früheren Tätigkeit“ auszulegen. Travail.Suisse hat darauf schon in der Vernehmlassung zur Aktienrechtsrevision hingewiesen (http://travailsuisse.ch/aktuell/vernehmlassungen). Das gleiche Problem stellt sich bei Mandaten, die von ehemaligen Mitgliedern der Geschäftsleitung oder des Verwaltungsrates innerhalb derselben Unternehmung angetreten werden. Wäre der Zweck eines solchen Mandats, dass eine Abgangsentschädigung ausbezahlt wird, würde dies das Aktienrecht zwar verbieten, jedoch wird es kaum möglich sein zwischen legaler Neu- beziehungsweise Weiterbeschäftigung und illegaler Scheinbeschäftigung zu unterscheiden.
Um Abgangsentschädigungen effektiv zu verbieten, ist es notwendig die Revision des Obligationenrechts (Aktienrecht) möglichst schnell zu beenden und damit die bestehenden Lücken der VegüV zu schliessen. Zusätzlich sind weitere Präzisierungen unerlässlich, um zu verhindern, dass weiterhin Entschädigungen ohne Leistung gezahlt werden können. Es bleibt aber auch weiterhin fraglich, ob mit einer Stärkung des Aktionärsrechts Abgangsentschädigungen und Lohnexzesse erfolgreich eingedämmt werden können. Nach Ansicht von Travail.Suisse besteht immer noch gesetzlicher Handlungsbedarf, um Unternehmen und Manager klare Grenzen zu setzen.
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p(footnote). 1ABB Geschäftsbericht 2014, S. 65-67.
2 Lonza Geschäftsbericht 2014, S. 109.
3 Roche Geschäftsbericht 2014, S. 157.
4ABB Geschäftsbericht 2014, S. 67.