Die diesjährige Untersuchung von Travail.Suisse, dem unabhängigen Dachverband der Arbeitnehmenden, zur Lohnschere 1 2013 in 27 der grössten Schweizer Firmen zeigt, dass es den meisten dieser Konzerne gut geht. Vermeintliche Marktgesetze führen hier jedoch zu Salärentwicklungen, die weniger erfreulich sind. Dass beispielsweise bei der ABB für eine „solide Performance“ 2 die durchschnittliche Vergütung der Konzernleitung um 16 Prozent steigt, ist nicht nachvollziehbar. Und dass die durchschnittliche Vergütung bei Lonza bei einem Umsatz- (minus 4 Prozent) und Gewinnrückgang (minus 50 Prozent) um 84 Prozent steigt, das widerspricht sogar jeglicher Logik.
Die wirtschaftliche Entwicklung der Schweiz ist trotz diverser Schwierigkeiten weiter erfreulich. Jedoch können nicht alle Schweizer Topfirmen auf ein gutes Jahr zurück blicken. Das in einem funktionierenden Markt eine schlechte Geschäftsentwicklung nicht zwingend negativ auf die Saläre der Führungsetage wirkt, soll an den Beispielen Lonza und Credit Suisse aufgezeigt werden. Dass Führungskräfte nicht nur für ihre vermeintlichen Leistungen entlohnt werden, zeigte letztes Jahr Daniel Vasella vom Pharmakonzern Novartis.
Lonza in der Krise
Im letzten Jahr verloren bei Lonza 854 Personen ihre Arbeit (minus 8 Prozent). Der Umsatz von Lonza ging um rund 4 Prozent zurück. Das Ergebnis vor Ertragssteuern sowie der Reingewinn gingen jeweils um 50 Prozent zurück. Verzeichnete Lonza im Jahr 2010 noch 284 Millionen Gewinn, steht der Konzern heute bei 87 Millionen. In der gleichen Zeitspanne ist die durchschnittliche Vergütung der Konzernleitung von 1.4 Millionen auf 2.5 Millionen gestiegen. Während CEO Richard Ridinger mit 2.2 Millionen in etwa gleich viel wie sein Vorgänger Stefan Borgas im Jahr 2011 erhielt, ist die durchschnittliche Vergütung der restlichen Geschäftsleitung im Vergleich zum Jahr 2012 um 84 Prozent gestiegen. Diese Entwicklung ist darauf zurück zu führen, dass im vergangenen Jahr gleich drei Mitglieder die Geschäftsleitung verlassen haben und mit üppigen Millionenentschädigungen verabschiedet wurden. Dem Geschäftsbericht ist zu entnehmen, dass die abgetretenen Uwe Böhlke, Lukas Utiger, Jeanne Thoma und ein viertes Mitglied, das bereits im Vorjahr ausgeschieden ist, zusammen 5.179 Millionen Franken erhalten haben. Der Betrag setzt sich aus Basissalär und Bonus für einen Zeitraum von maximal 18 Monaten zusammen. Gleichzeitig hat der Konzern Arbeitnehmende entlassen und die durchschnittlichen Löhne sind im vergangen Jahr um rund zwei Prozent gesunken. Im gleichen Jahr erhalten Führungskräfte einen Bonus, obwohl sie nur einen Monat im Konzern tätig waren. Das ist nicht nur absurd, es ist auch ein Hohn für alle Arbeitnehmenden, die ihre Stelle verloren haben.
Grosszügige Abgangsentschädigungen scheinen allerdings Tradition zu haben bei Lonza. So erhielt der 2012 entlassene CEO Stefan Borgas mit 5.7 Millionen. Selbst bei einer Kündigungsfrist von 18 Monat und einem Basissalär von etwa 675‘000 Franken, bleiben damit rund 4.7 Millionen Franken ohne jegliche Gegenleistung.
Vasellas Erbe
Nicht nur Lonza muss sich mit Altlasten beschäftigen. Der neue Novartis Verwaltungsratspräsident Jörg Reinhardt, der zuvor auch im Verwaltungsrat von Lonza tätig war, treibt zusammen mit CEO Joseph Jimenez den Umbau des Pharmakonzern voran und trennt sich dabei von der Diversifikationsstrategie des Übervaters Daniel Vasella. Nicht nur bei der Konzernausrichtung schlägt der Verwaltungsratspräsident einen neuen Weg ein. Rund 1.9 Millionen Franken hat Reinhardt für sein Engagement seit dem 1. August 2013 erhalten. Somit kommt er auf ein Jahreseinkommen von 5.4 Millionen Franken, was immer noch einer Lohnschere von 1:90 entspricht. Das ist weniger als die Hälfte der Vergütung die Vasella im Vorjahr erhalten hat (13.1 Millionen) oder der jährlichen Entschädigung von 12 Millionen, die Vasella über 6 Jahre für ein Konkurrenzverbot erhalten hätte. Das Salär von Reinhardt ist auch wesentlich tiefer, als der Betrag, den Vasella im Jahr 2013 von Novartis erhalten hat. So hat Daniel Vasella zusätzlich zu den rund 3 Millionen Franken, die er für die Tätigkeit als Verwaltungsratspräsident bis Mitte Februar erhalten hat, weitere 5.1 Millionen Franken erhalten. Dieser Betrag wurde für „gewisse Übergangsdienstleistungen“ bis Ende Oktober ausbezahlt 3 . Darunter fällt auch die Unterstützung des neuen Verwaltungsratspräsidenten Jörg Reinhardt. Somit hat Daniel Vasella auch im Jahr 2013 rund 8.1 Millionen Franken (1:133) erhalten und das ohne, dass die Generalversammlung darüber abstimmen konnte.
„Wir glauben, dass die Vergütung des Präsidenten von Novartis den am Markt üblichen Grössenordnungen entspricht.“ Dies stand in der Einladung zur diesjährigen Generalversammlung bezüglich des Salärs von Jörg Reinhardt. Das gleiche Mantra, das die Vergütung von Daniel Vasella in der Vergangenheit oder das aktuelle Gehalt von Joseph Jimenez (1:217) rechtfertigt. Das Beispiel von Daniel Vasella und Jörg Reinhardt legt die Vermutung nahe, dass die Machtposition innerhalb eines Konzernes einen wesentlich höheren Einfluss auf das Salär hat, als der Markt.
Credit Suisse auf Abwegen
Für all jene, die Mühe bekunden, die Lohnentwicklung in Schweizer Konzernen zu verstehen, soll die folgende, vereinfachte Erklärung Klarheit schaffen: «Eine Bank, die in der Champions League spielt, muss marktgerechte Saläre zahlen, um die besten Mitarbeiter für sich zu gewinnen» – so die Rechtfertigung von Credit Suisse Verwaltungsratspräsident Urs Rohner an der diesjährigen Generalversammlung der Grossbank. Ob die Credit Suisse überhaupt noch in der Champions League spielt ist hierbei allerdings umstritten. Viele Banken aus der von der Credit Suisse definierten Bezugsgruppe 4 , wie etwa die britische Barclays oder die UBS, haben sich seit der Finanzkrise wesentlich besser entwickelt und sind wohl bald nur noch bezüglich Managersalären vergleichbar.
Wie die UBS im Jahr 2009 hat auch die Credit Suisse in der USA eine Busse für Beihilfe zu Steuerbetrug erhalten. 2.6 Milliarden Franken muss die Schweizer Grossbank bezahlen. Dies sind rund 300 Millionen mehr als der Gewinn von 2013 (2.326 Milliarden). Die Credit Suisse hätte die Busse auch aus den 3.6 Milliarden Franken bezahlen können, die sie im Jahr 2013 an ihre Mitarbeiter als Boni ausgeschüttet hat. Die die Talfahrt der Credit Suisse hat keine Konsequenzen für die Führungskräfte um CEO Brady Dougan. Dieser hat im vergangenen Jahr mit 9.43 Millionen Franken (1:175) 25 Prozent mehr erhalten als im Vorjahr. Auch der Rest der Konzernleitung bezieht fürstliche Gehälter mit durchschnittlich 6.75 Millionen Franken (plus sieben 7 Prozent). Im Anbetracht der diversen Probleme und dem Milliardenbussgeld der Credit Suisse, sind die steigenden Saläre einmal mehr etwas, das schwer nachvollziehbar ist.
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p(footnote). 1 Der Unterschied zum tiefen Lohn innerhalb der Firma.
2ABB, Geschäftsbericht 2013, S. 4
3 Novartis, Geschäftsbericht 2013, S. 129
4 Credit Suisse, Geschäftsbericht 2013, S. 202