Die diesjährige Untersuchung von Travail.Suisse, dem unabhängigen Dachverband der Arbeitnehmenden, zur Lohnschere 2013 in 27 der grössten Schweizer Firmen zeigt, dass die Gehälter der Manager in der Versicherungs- und Bankenbranche weiter steigen. Nach der vermeintlichen Stabilisierung 2012 ist die Lohnschere 1 in diversen Grossfirmen wieder aufgegangen. So öffnete sich die Schere bei Bruno Pfister, CEO von Swiss Life, um 26% auf 1:76, während im Bankensektor sogar wieder Lohnscheren von über 1 zu 200 erreicht werden.
Trotz des schwierigen Umfeldes können die untersuchten Banken und Versicherungen 2 auf ein gutes Jahr 2013 verweisen. Die erfreulichen Ergebnisse spiegeln sich auch in der Vergütung der Manager und Verwaltungsräte wieder, die sich teilweise über unverschämte Erhöhungen ihrer Saläre freuen dürfen. Weniger erfreulich war das Jahr für die Arbeitnehmenden, deren Arbeitsplätze auf Grund von Restrukturierungen und geplanten Verlagerungen ins Ausland in Gefahr sind und deren Löhne stagnieren.
Swiss Life: schwankendes Gehalt des CEO
Auf ein gutes Geschäftsjahr kann die Swiss Life zurück blicken. Mit 784 Millionen Franken Reingewinn hatten sie das beste Ergebnis seit der Finanzkrise. Von dem profitierte CEO Bruno Pfister, dessen Lohn um rund 26% auf 4.24 Millionen Franken stieg. Mit diesem Anstieg hat er die Verdiensteinbusse des Vorjahres mehr als kompensiert: Im Vorjahr erhielt der Manager 19% weniger Salär, was auf Abschreibung von 578 Millionen Franken bei der AWD zurückzuführen ist. Bruno Pfisters Wirken im Konzern wird somit in etwa gleich vergütet wie bei Antritt der Stelle im Jahr 2008. Es bleibt hierbei abzuwarten, ob sich das Salär in dieser Höhe einpendelt (1:75) oder der Nachfolger, des zurücktretenden Bruno Pfisters, die 1:100 Marke in den nächsten Jahren knackt. 1:39 beträgt das Verhältnis zum Durchschnitt der Konzernleitung 3 , die mit einer Salärerhöhung von 16.5% neu 2.175 Millionen erhielt.
Über eine Erhöhung der Vergütung um rund 5% kann sich Verwaltungsratspräsident Rolf Dörig freuen. Er war bis 2008 der CEO von Swiss Life und ist ausserdem aktuell Verwaltungsratspräsident der Adecco, Vizepräsident des Verwaltungsrats der Kaba Holding AG, Verwaltungsrat der Danzer AG und der Walter Frey Holding AG. Seine Tätigkeit in der Swiss Life AG wurde mit 1.8 Millionen vergütet, was dem 32-fachen des tiefsten Jahreslohnes innerhalb der Firma entspricht. Die übrigen Verwaltungsräte verdienten durchschnittlich 192‘000 Franken.
Zurich: Bescheidenes Wachstum führt zu massiven Lohnerhöhungen
Nicht nachvollziehbar ist die Salärentwicklung der Zurich Insurance Group. Umsatz und Reingewinn stiegen nur marginal (1.12%, beziehungsweise 0.34%) während der durchschnittliche Lohnaufwand pro Konzernleitungsmitglied um 11.37% stieg. Dies entspricht einer Vergütung von rund 4 Millionen Franken im Jahr. Die „wahre Liebe“ der Zurich scheint einseitig auf die Führungscrew verteilt zu sein, betrachtet man die jüngsten Entwicklungen. So hat der Versicherer Mitte März angekündigt, 800 Stellen bis Ende Jahr abzubauen, um im Zuge von Restrukturierung 250 Millionen Franken einzusparen. Nicht überraschend ist hierbei, dass CEO Martin Senn den Gürtel nicht enger schnallen muss und weiterhin 7.6 Millionen Franken erhält (1:137). Das vermeintliche unternehmerische Risiko tragen in diesem Fall die Arbeitnehmenden, die sich einen neuen Job suchen müssen.
Im Verwaltungsrat der Zurich kam es anfangs August zu personellen Veränderungen. Josef Ackermann, berühmt durch das Renditeziel von 25 Prozent auf das Eigenkapital bei der Deutschen Bank, trat als Präsident des Verwaltungsrats zurück, was einige Fragen aufwarf. Klar ist, dass Ackermann bis zu diesem Zeitpunkt 667‘000 Franken erhalten hat. Dies wäre auf ein Jahr aufgerechnet eine Lohnerhöhung um 35% auf 1.143 Millionen Franken für das Mandat. Das Amt übernommen hat ad Interim Tom de Swaan, der an der vergangen Generalversammlung mit einer Zustimmung von 89.69% in diesem Amt bestätigt wurde. Erhalten hat de Swaan 669‘000 Franken, es ist aber anzunehmen, dass die Vergütung der neue Position sich für das Jahr 2014 der Million annähern wird. Die durchschnittliche Vergütung des Verwaltungsrates sank um rund 1% auf 332‘000.
Helvetia und Bâloise: Frühzeitige Umsetzung der VegüV
Auf ein solides Jahr kann die Bâloise zurückblicken. Zwar konnte der Reingewinn nicht mit dem sehr guten Vorjahresergebnis mithalten (- 6.1%, was 455.4 Millionen Franken entspricht), das Geschäftsvolumen wurde dafür um 7.8% auf 9‘009 Millionen Franken gesteigert. Diesem Resultat entsprechend, ist auch die Vergütung des CEO Martin Strobel kleiner geworden. Dieser erhielt mit 2.728 Millionen rund 3% weniger als 2012, was aber immer noch einer Lohnschere von 1:50 entspricht. Der Gehalt von Verwaltungsratspräsident Andreas Burckhardt betrug 2013 unverändert 1.379 Millionen oder 1: 25. Eine saftige Lohnerhöhung hat hingegen Jan de Meulder, der den Konzernbereich in Deutschland führt, erhalten: Mit 2.2 Millionen Franken erhielt er rund 12% zusätzlich.
Mit der raschen Umsetzung der Verordnung gegen übermässige Vergütungen bei börsenkotierten Aktiengesellschaften (VegüV) nahm die Bâloise nicht den gesetzlich möglichen zeitlichen Spielraum wahr, was als positiv zu werten ist. So konnten die Aktionäre bereits in diesem Jahr bindend über die Vergütung der Konzernleitung und des Verwaltungsrates abstimmen, was jedoch zu keinen grösseren Diskussionen geführt hat. Negativ zu bewerten ist hingegen die vorgängige Abstimmung über die flexible Vergütung. Somit können die Aktionäre nicht mitentscheiden, ob sich die für ein Geschäftsjahr ausbezahlten Boni im Einklang mit der Geschäftsentwicklung befinden.
Einen Schritt weiter ging hier die Helvetia, die ebenfalls bereits dieses Jahr bindend über die Saläre der Führungsetage abgestimmt hat. Im Gegensatz zur Bâloise wird der flexible Teil der Vergütung erst im Nachhinein verabschiedet. Die Aktionäre sprachen sich allerdings mit einer grossen Mehrheit für die Erhöhungen der Vergütungen von Geschäftsleitung (+9%) und Verwaltungsrat (+7%) aus. Somit verdient CEO Stefan Loacker neu 1.634 Millionen Franken und somit das 27-fache des tiefsten Lohnes.
Umsetzung der VegüV
Die bisherigen Generalversammlungen diverser schweizerischen Grossfirmen weisen darauf hin, dass das Ziel der Minderinitiative, Abzockerei zu stoppen, mit der Umsetzung der VegüV kaum erreicht wird. So führten bisher alle bindenden wie auch alle konsultativen Abstimmungen, die ebenfalls die Ansichten der Aktionäre abbilden, über die Vergütung zu klaren Mehrheit für die von den Konzernen vorgeschlagenen Saläre. Dies trotz der Tatsache, dass sich die Schweizer Pensionskassen sowie Anlagestiftungen, insbesondere Ethos, oft gegen die hohen Vergütungen stellen. Internationale Grossinvestoren und ausländische Investorenvertreter, hervorzuheben sind insbesondere die US-Stimmrechtsberater ISS, die bis zu 30% der Stimmen bewegen können, haben hingegen andere Prioritäten. So setzen sich diese für vorgängige bindende Abstimmungen ein, auch beim flexiblen Teil. Diese Variante wird bevorzugt, um Unsicherheit zu vermeiden, was auch die hauptsächlichen Interessen der internationalen Investoren wiederspiegelt. Die Investition in Schweizer Grosskonzerne geschieht hauptsächlich mit finanziellen Zielen und bei einer günstigen Entwicklung von Rendite und Aktienkursen ist kaum damit zu rechnen, dass sich diese gegen die Saläre der Manager stellen. Dies wäre aber gerade bei jenen Konzernen notwendig, die Vergütungen im höheren 7- oder gar 8-stelligen Bereich zahlen, da ohne die internationalen Investoren kaum eine Mehrheit gegen diese Missstände gefunden werden kann.
Lohnexzesse bei Grossbanken: Keine Stabilisierung in Sicht
In der kommenden Woche haben mit der UBS und der Credit Suisse, gleich zwei dieser internationalen Riesen ihre Generalversammlung. Beide lassen konsultativ über die Vergütung der Konzernspitze abstimmen und beide verzeichneten eine absurde Zunahme der Saläre. So hat CEO Sergio Ermotti eine Gehaltserhöhung von 21% erhalten, somit die 10 Millionengrenze durchbrochen und sein Salär ist mit 10.7 Millionen Franken sogar grösser, als jenes seines Vorgängers im Jahr 2007. Somit müsste der Arbeitnehmer der UBS mit dem tiefsten Lohn 214 Jahre arbeiten, um denselben Lohn zu verdienen, den der CEO scheinbar in einem Jahr für die Bank wert ist. Es ist augenfällig, dass die UBS Chefetage zumindest was die Vergütung ihrer eigenen Positionen betrifft keine Lehren aus der Finanzkrise, der anhaltenden Schuldenkrise sowie dem labilen Zustand des schweizerischen Finanzsektors gezogen hat. Im Gegenteil: Mit Andrea Orcel bezieht gerade der CEO des in der Kritik stehenden Investment Bankings mit 11.43 Millionen Franken die höchste Vergütung innerhalb der UBS. Gesamthaft sind die Saläre der Konzernleitung um 20% gestiegen, was 7.16 Millionen Franken pro Jahr entspricht. Auch Axel Webers Position als Verwaltungsratspräsident wurde mit 6 Millionen Franken (+12%) vergoldet.
Vergleichbare Tendenzen sind bei der Credit Suisse zu erkennen. Der Grossbank, die in letzter Zeit vor allem durch anhaltende gerichtliche Streitigkeiten auffällt, ist die Arbeit ihres CEO ebenfalls beinahe 10 Millionen Franken wert. Mit 9.43 Millionen Franken (1:175) erhielt er letztes Jahr 25% mehr als im Vorjahr und sogar 75% mehr als vor zwei Jahren. Gestiegen sind auch die durchschnittlichen Saläre der Konzernleitung. Diese erhielten mit 6.57 Millionen rund 7% mehr als im Vorjahr. In dieser Runde beinahe bescheiden wirkt Urs Rohner, Verwaltungsratspräsident der Credit Suisse, der mit stolzen 4.9 Millionen Franken 6% weniger als im Vorjahr erhielt.
Die Lohnexzesse bei den Grossbanken scheinen sich somit nicht zu stabilisieren und es ist abzuwarten, ob sich die Aktionäre gegen diese Entwicklung stellen. Wenn nicht jetzt, angesichts dieser Gehaltsexplosionen, wann dann soll die neue VegüV wirken? Es bleibt aber die Vermutung, dass die VegüV nicht zur gewünschten Demokratisierung der Konzerne mittels der verstärkten Position der Generalversammlung führt. Eher führt sie zu einer Aktionärsplutokratie, bei der sich reiche und internationale Grossinvestoren für noch mehr Reichtum einsetzen, ohne sich an den Superreichen der Konzernspitzen zu stören. Somit sind die eigentlichen Probleme, gegen die sich die Schweizer Bevölkerung mit einem klaren Ja zur Abzocker-Initiative gestellt hat, ungelöst. Es müssen neue Lösungswege gefunden werden, damit der Graben zwischen der Bevölkerung und der Wirtschaftselite nicht weiter aufgeht.
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p(footnote). 1 Der Unterschied zum tiefen Lohn innerhalb der Firma.
2 Zurich Insurance Group, Bâloise, Helvetia, Swiss Life, UBS und Credit Suisse.
3 Ohne CEO.