Die grösste Lohnschere der untersuchten Versicherungen weist weiterhin Martin Senn, CEO der Zurich, auf, dessen Lohn im Jahr 2012 142mal den Tiefstlohn überstieg. Die Lohnschere schloss sich ähnlich wie jene bei der Baloise um geringfügige 5 Prozent. Die Lohnschere von Bruno Pfister, CEO der Swiss Life, schloss sich gar um 21 Prozent auf 1 zu 60. Bei der Helvetia dagegen öffnete sich das Verhältnis zwischen dem tiefsten und dem höchsten Lohn um 11 Prozent. Mehr als 27 Mitarbeitende mit dem tiefsten Lohn müssten ihren Lohn zusammenlegen, um das Jahressalär von CEO Stefan Loacker zu erreichen.
Die Rahmenbedingungen in der Versicherungsbranche beginnen sich langsam wieder zu verbessern. 2011 schlugen beispielsweise der Tsunami in Japan, die Griechenland-Krise und die schlechten Bedingungen an den Finanzmärkten negativ zu Buche.
2012 kann insgesamt von einem erfolgreichen Jahr für die Versicherungen gesprochen werden, auch weil alle untersuchten Versicherungen von der Erholung auf den Finanzmärkten profitierten und ein positives Anlageergebnis erzielen konnten.
Während sich 2011 trotz zurückgegangener Gewinne die Lohnscheren öffneten, zeigt der Trend im abgelaufenen Geschäftsjahr mit wenigen Ausnahmen in die andere Richtung.
Zurich: Umsatz und Gewinn steigen deutlich, Managerlöhne leicht rückläufig
Dank des um über 40 Prozent gestiegenen Umsatzes auf über 66 Milliarden Franken, einer guten Anlagerendite und der Auflösung von nicht mehr benötigten Reserven konnte Zurich den Reingewinn nach Steuern um über 11 Prozent auf 3,721 Milliarden steigern. Der Jahresendkurs der Zurich-Aktie konnte um über 14,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr zulegen.
Josef Ackermann, der umstrittene Chef der Deutschen Bank, wurde am 29. März 2012 neuer Verwaltungsratspräsident der Zurich Insurance Group. Seine Gesamtentschädigung betrug auf ein Jahr aufgerechnet 846‘000 Franken. Dies sind 15 Prozent weniger als die eine Million, die Manfred Gentz 2011 verdiente. Die Schere zwischen dem Lohn des Verwaltungsratspräsidenten und dem tiefsten Lohn schloss sich um 16,5 Prozent auf 1 zu 16. Travail.Suisse verlangt, dass sich diese Entwicklung in den kommenden Jahren verstärkt und die Entschädigung des Verwaltungsratspräsidenten nie mehr die enormen Summen der Vorjahre erreicht.
Die höchste Lohnschere bei der Zurich, jene zwischen dem Lohn von CEO Martin Senn und dem tiefsten Lohn, schloss sich geringfügig um 5 Prozent auf immer noch sagenhafte 1 zu 142. Würde man Senns Gehalt allerdings mit dem jeweiligen Jahresdurchschnittswechselkurs der SNB berechnen, so würde sich die Lohnschere öffnen, und zwar um 0,58 Prozent auf 1 zu 146.
Klammert man den CEO aus, so kommt ein Konzernleitungsmitglied der Zurich im Schnitt auf einen Lohn von über 3,5 Millionen Franken. Die Lohnschere schliesst sich um 10 Prozent auf 1 zu 67.
Swiss Life: AWD-Abschreiber schliesst Lohnschere des CEO um 20,9 Prozent
Im abgelaufenen Geschäftsjahr zog Swiss Life die Konsequenzen aus der Fehlinvestition in den deutschen Finanzberater AWD, der 2007 akquiriert wurde und seither nie überzeugen konnte. Die Marke AWD wurde aufgelöst und ausgewählte Produkte neu unter der Marke Swiss Life Select vertrieben. Daraus resultierte eine Reduktion der immateriellen Vermögenswerte um 578 Millionen Franken. Das liess den Reingewinn um 84,7 Prozent von 606 auf 93 Millionen schrumpfen. Der um Sondereffekte bereinigte Reingewinn – dieser stieg um 22 Prozent – macht ersichtlich, dass das Jahr 2012 für Swiss Life ansonsten erfolgreich war. Bestätigt wird dies durch den Aktienkurs, der im Vergleich zum Vorjahr um 40 Prozent höher schloss. Gründe für den Erfolg waren operative Fortschritte, ein gutes Anlageergebnis, eine Stärkung der Rückstellungen sowie der um 13 Prozent auf über 18,7 Milliarden gewachsene Umsatz.
Die Entschädigungen des Verwaltungsrats lagen 2012 auf ähnlichem Niveau wie im Vorjahr. Der grösste Zuwachs konnte der Verwaltungsratspräsident Rolf Dörig mit 3,5 Prozent verzeichnen. Wenigstens blieb das Verhältnis zwischen seinem Lohn und dem tiefsten Lohn im Unternehmen mit 1 zu 31 gleich wie im Vorjahr. Das gilt auch für das Verhältnis zwischen dem Lohn der anderen Verwaltungsräte und dem Tiefstlohn im Unternehmen.
Der Konzernleitung wurde 6,2 Prozent weniger Lohn zugesprochen als im Vorjahr. Ein Mitglied der Konzernleitung (ohne CEO) erreichte im Durchschnitt einen 33mal höheren Lohn als ein Mitarbeitender mit dem tiefsten Lohn, damit schloss sich die Lohnschere um 2,8 Prozent. Die einzige Lohnschere, die 2012 grosse Bewegungen durchmachte, war das Verhältnis zwischen dem Lohn des CEO Bruno Pfister und dem Tiefstlohn im Unternehmen. Die Dienste Pfisters waren Swiss Life mit 3,37 Millionen 19 Prozent weniger wert als im Vorjahr, aber dennoch 60mal so viel wie diejenigen eines Mitarbeitenden mit dem tiefsten Lohn. Sein gegenüber dem Vorjahr tieferer Lohn lässt erahnen, dass die Fehlinvestition AWD mindestens teilweise auf seinem Mist gewachsen war.
Baloise: 3. Bestes Ergebnis seit 11 Jahren, Konzernleitung verdient etwas mehr
Die Baloise feierte ihr 150-Jahr-Jubiläum mit einem um 621,7 Prozent von 61,3 auf 442,4 Millionen Millionen gestiegenen, konsolidierten Konzerngewinn. Diese Steigerung kam zustande, weil das Jahr 2011 durch Wertberichtigungen auf griechische Staatsanleihen und Goodwill-Abschreibungen in Kroatien ein extremer Negativ-Ausreisser war. Dennoch bleiben die 442,4 Millionen Franken ein sehr gutes Ergebnis. In den letzten 11 Jahren konnten einzig 2006 und 2007 höhere Gewinne erzielt werden. Der Aktienkurs am Jahresende lag 21,9 Prozent über jenem im Vorjahr.
In der Konzernleitung stieg die aktienbasierte Vergütung, während die fixe Barentschädigung sank. Im Schnitt erhielt ein Konzernleitungsmitglied der Baloise (CEO ausgeklammert) mit knapp 1,6 Millionen Franken 29mal mehr als ein Mitarbeitender mit dem tiefsten Lohn. Das bedeutet, dass sich die Lohnschere um 5,6 Prozent öffnete. Rückläufig war immerhin der knapp 2,8 Millionen Franken hohe Lohn von CEO Martin Strobel. Das Verhältnis zwischen dem tiefsten und dem höchsten Lohn schloss sich um 4,7 Prozent von 1 zu 54 auf 1 zu 51.
Die Löhne der Verwaltungsräte können nur schlecht mit den Vorjahren verglichen werden. Verwaltungsratspräsident Burckhard ist anders als sein Vorgänger Schäuble kein exekutiver Präsident. Dementsprechend sank die Entschädigung des Verwaltungsratspräsidenten und die Lohnschere schloss sich um über 60 Prozent. Die Entschädigung pro Verwaltungsratsmitglied (ohne VRP) stieg dagegen um über 24 Prozent, die Lohnschere öffnete sich damit um mehr als 21 Prozent.
Helvetia: Alle Lohnscheren öffneten sich
Helvetia kann auf ein solides und erfolgreiches Geschäftsjahr zurückblicken. Der Gewinn stieg im Leben-Geschäft um 10 Prozent und im Nichtleben-Geschäft um über 33 Prozent an, gesamthaft lag der Gewinn 18 Prozent über jenem des Vorjahrs. Die Wachstumsstrategie der Helvetia zeigt langsam ihre Auswirkungen: Nicht mehr 90 Prozent, sondern bloss 69 Prozent des Gewinns wurden in der Schweiz erwirtschaftet. Der französische Transportversicherer Gan Europcourtage und 51 Prozent des italienischen Lebensversicherers Chiara Assicurazioni wurden akquiriert, die Auswirkungen dieser Akquisitionen zeigen sich allerdings erst ab 2013. Der Aktienkurs lag 17,5 Prozent über jenem des Vorjahrs und die Dividende wurde um einen auf 17 Franken angehoben.
Die Lohnscheren bei der Helvetia öffneten sich allesamt, am deutlichsten in der Konzernleitung: Die gesamte Konzernleitung erhielt ähnlich wie im Vorjahr 6,882 Millionen Franken. Allerdings wurde die Konzernleitung um ein Mandat reduziert. Die Pro-Kopf-Entlohnung eines Konzernleitungsmitglieds stieg damit um über 8 Prozent an. Das Verhältnis zum Tiefstlohn stieg um 12 Prozent auf 1 zu 21.
Auch der CEO Stefan Loacker genoss eine Lohnerhöhung von 8 Prozent auf knapp 1,5 Millionen Franken, das 27fache des tiefsten Lohns. Die grösste Lohnschere bei Helvetia verzeichnete damit einen Anstieg von 11,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Handlungsbedarf bei den Tiefstlöhnen
Im Gegensatz zum Vorjahr kam es im abgelaufenen Geschäftsjahr zu Änderungen bei den tiefsten Löhnen. Helvetia bildet dabei die unerfreuliche Ausnahme. Der tiefste bei Helvetia bezahlte Lohn sank um 2,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Dagegen wurde der tiefste Lohn bei den anderen drei Versicherungen angehoben. Die Swiss Life zahlt ihrem am geringsten entlohnten Mitarbeiter 2,4 Prozent, die Baloise 2,2 Prozent und die Zurich 1,36 Prozent mehr als im Vorjahr. Allerdings ist zu vermerken, dass bei der Helvetia das tiefste Jahressalär mit 54‘360 Franken jenes der Zurich, deren Umsatz rund 10mal grösser ist als jener der Helvetia, um 840 Franken übersteigt. Zurich, der nach Forbes-Ranking mächtigste Schweizer Finanzdienstleister, würde gut daran tun, nicht nur bei der Höhe der Managergehälter, sondern endlich auch bei den unteren Löhnen eine Spitzenrolle einzunehmen.