Löhne 2021: Coronakrise setzt Einkommen massiv unter Druck
Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit mit gekürzten Einkommen und kaum Lohnerhöhungen: Die Coronakrise setzt die Einkommen massiv unter Druck. Nebst wenigen bescheiden-positiven Lohnabschlüssen werden viele Arbeitnehmende dieses Jahr mit Nullrunden konfrontiert. Das ist zwar teilweise nachvollziehbar, oftmals wird die Krise aber als Vorwand missbraucht. Travail.Suisse, der unabhängige Dachverband der Arbeitnehmenden, und seine angeschlossenen Verbände Syna und transfair, fordern, dass die Coronakrise nicht auf dem Buckel der Arbeitnehmenden bewältigt wird.
Die positive Wirtschaftsentwicklung vor Corona und die Lohnstagnation der letzten Jahre schärfte die Forderung für die Löhne 2021: Auf flächendeckende Nullrunden soll verzichtet und die Coronakrise nicht als Vorwand für ausbleibende Lohnmassnahmen missbraucht werden. Doch das Pandemiejahr wirkt sich negativ aus: Wo es Lohnerhöhungen gibt, werden sie kaum höher als ein Prozent sein und meist individuell statt generell ausgerichtet.
Nullrunden schaden der Wirtschaft
Flächendeckende Nullrunden sind weder sinnvoll noch notwendig, denn sie wirken sich direkt auf den Konsum der Arbeitnehmenden aus, bremsen die Wirtschaftsentwicklung und verlängern so unnötig die wirtschaftliche Krise. „Die Arbeitnehmenden haben in den letzten Jahren auf eine Beteiligung am Wirtschaftswachstum verzichten müssen, die bescheidenen Lohnerhöhungen fielen vollständig der Teuerung zum Opfer“, sagt Gabriel Fischer, Leiter Wirtschaftspolitik bei Travail.Suisse. „Die Löhne sind vor der Coronakrise trotz guter Wirtschaftsentwicklung real stagniert.“ Dass es im Jahr der Coronapandemie nicht für grosse Sprünge reicht, liegt auf der Hand. Dennoch gibt es Branchen wie etwa das Baugewerbe die volle Auftragsbücher verzeichneten und trotzdem flächendeckende Nullrunden vergaben. „Völlig haltlos wird das Coronavirus vorgeschoben, um eine Lohnerhöhung zu verweigern. Den Gipfel der Dreistigkeit leisteten sich die Baumeister: Sie forderten eine Lohnsenkung von 0,7 Prozent“, sagt Arno Kerst, Präsident der Allbranchengewerkschaft Syna. Hervorzuheben ist das ausserordentliche Engagement des Service Public während der Coronakrise. „Die Päckli-Pöstlerin, der Kundenbegleiter, die Swisscom-Angestellte oder das Grenzwachkorps – sie alle haben ihren Teil geleistet. Die Angestellten des Service Public müssen die nötige Wertschätzung erhalten, auch in Form von Lohnerhöhungen“, sagt Greta Gysin, Co-Präsidentin des Personalverbandes transfair.
Teuerung wird unterschätzt
Neben einigen Ausnahmen im Dienstleistungsbereich oder dem öffentlichen Verkehr erhalten viele Arbeitnehmende im kommenden Jahr kein positives Signal von der Lohnfront. Ein Argument gegen Lohnerhöhungen war die negative Teuerung (prognostiziert mit -0.7 Prozent). Das hängt damit zusammen, dass vor allem die Güter billiger wurden, die durch Corona weniger nachgefragt wurden – beispielsweise Benzin oder Flugreisen. „Güter mit einer grossen Nachfrage wie Lebensmittel oder Fahrräder sind aber teurer geworden“, sagt Fischer mit Verweis auf ein KOF-Bulletin. Die „Covid-Teuerung“ ist nur etwa halb so stark rückläufig, wie im Landesindex der Konsumentengüter ausgewiesen wird. Zusätzlich belastet wird das Portemonnaie der Arbeitnehmenden durch neue Ausgaben etwa für Hygienemasken oder Desinfektionsmittel. „Wenn man mitberücksichtigt, dass dieses Jahr zeitweise bis zu einem Drittel der Arbeitnehmenden in Kurzarbeit waren und entsprechend nur 80 Prozent des normalen Lohnes erhielten, wird deutlich, dass die Einkommen stark unter Druck geraten sind“, sagt Fischer.
Frauen verlieren schon wieder
Wenig überraschend zeigt die Corona-Zusatzbefragung des «Barometer Gute Arbeit» (https://bit.ly/2KNeOTB) eine Belastungs-Zunahme in systemrelevanten Berufen mit typischerweise hohem Frauenanteil wie etwa im Gesundheitswesen. Die Arbeitnehmenden der Branche arbeiteten bereits vor Corona am Limit – Stichwort Fachkräftemangel. 2020 kam die Zusatzbelastung durch die Coronakrise dazu. „Die bis heute bekannten Lohnanpassungen sind in der Höhe ungenügend und dienen vorwiegend strukturellen Anpassungen und individuellen Lohnerhöhungen. Das ist ein Armutszeugnis und eine Riesenenttäuschung für alle Heldinnen und Helden in den Spitälern, die über die Festtage wieder enormen Belastungen ausgesetzt sein werden“, sagt Kerst.
Corona: Nicht auf dem Buckel der Arbeitnehmenden!
Um zu verhindern, dass die Coronakrise zu stark auf dem Buckel der Arbeitnehmenden bewältigt wird, stellen Travail.Suisse, Syna und transfair folgende Forderungen:
- Lohnerhöhungen auch in Corona-Zeiten: In Betrieben und Branchen, in denen die Lohnverhandlungen fürs 2021 noch nicht abgeschlossen sind, braucht es zwingend generelle Lohnerhöhungen – auch wenn nur in bescheidenem Umfang möglich. Nur so werden Kaufkraft und Konsum gestärkt.
- Arbeitsplätze erhalten, Kurzarbeitsentschädigung erhöhen, Aussteuerungen verhindern: Auf Entlassungen ist zu verzichten, der Zugang zur Kurzarbeit muss weiter erleichtert werden. Der Bundesrat hat vergangene Woche entschieden, die Kurzarbeit für Löhne bis 3470 Franken ganz und bis 4340 Franken erhöht zu entschädigen. Diese Lohngarantie mag zwar einigen Tiefstlöhnern, etwa in der Gastronomie, helfen, ist aber deutlich zu tief angesetzt und reicht bei weitem nicht aus, um Existenzängste bei den Arbeitnehmenden wirksam zu bekämpfen. Ausserdem braucht es eine Verlängerung der Taggelder in der ALV, um unnötige Aussteuerungen zu verhindern.
- Stärkung des Service Public: Mitarbeitende des Service Public haben ihre Wichtigkeit bewiesen. Dem Personal im Gesundheitswesen war während des Lockdowns der Applaus von den Balkonen gewiss. Trotzdem blieb eine Anerkennung ihrer erbrachten Leistung in Form von Lohnerhöhungen weitgehend aus. Es braucht nun einen Verzicht auf Sparprogramme und eine Stärkung des Service Public.
Alle Resultate, Gewinnerinnen und Verlierer der Lohnrunde im Mediendossier (pdf)