Es braucht Lohnerhöhungen trotz Corona-Krise
Die Corona-Krise hat es in sich: Die Wirtschaft schlingert, Kurzarbeit ist historisch weit verbreitet und auf dem Arbeitsmarkt zeigen sich erste ernst zu nehmende Folgen. Für die Arbeitnehmenden bedeutete der Lockdown unterschiedlich hohe Arbeitsbelastungen, teilweise prekäre Einkommenskürzungen und zum Teil reale Existenzängste. Travail.Suisse, der unabhängige Dachverband der Arbeitnehmenden, präsentiert heute zusammen mit Syna, Hotel&Gastro Union und transfair die Lohnforderungen für 2021 sowie die nächsten Schritte, um die Krise erfolgreich zu meistern.
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Die Corona-Krise verursacht einen weltwirtschaftlichen Einbruch von historischem Ausmass. Wie lange die Situation andauern wird, ist unmöglich zu prognostizieren. Klar ist, dass der Wirtschaftseinbruch nicht spurlos am Arbeitsmarkt vorbeigehen wird. Bereits im Sommer 2020 gab es in der Schweiz rund 50‘000 Arbeitslose mehr als im Vorjahr und das obschon das Instrument der Kurzarbeit einen sprunghaften Anstieg der Arbeitslosenzahlen bisher verhindert hat. „Die Kurzarbeit hat während der Corona-Krise vielen Betroffenen ihre Arbeitsplätze und damit ihr Einkommen gesichert. Die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt werden sich jetzt erst nach und nach zeigen“, sagt Gabriel Fischer, Leiter Wirtschaftspolitik bei Travail.Suisse.
Kurzarbeit hat sich also als effizientes Instrument gegen die Corona-Krise bewährt. Die Corona-Spezialbefragung des «Barometer Gute Arbeit» zeigt allerdings, dass beinahe die Hälfte der Arbeitnehmenden in Kurzarbeit mit einer Lohnkürzung konfrontiert war. Sie erhielten nur 80 Prozent ihres Lohnes. In Branchen mit tieferen Löhnen wie dem Gastgewerbe, dem Detailhandel oder bei den Hilfskräften auf dem Bau kann diese Lohnkürzung zu finanziellen Schwierigkeiten führen. „Es ist zentral, die Kaufkraft gerade bei tieferen Einkommen zu erhalten. Nur so wird der Konsum nicht geschwächt und die Krise nicht zusätzlich verschärft“, sagt Fischer.
Lohnerhöhungen als wichtiger Schritt aus der Krise
Der Erhalt von Arbeitsplätzen hat für Travail.Suisse und die angeschlossenen Verbände Priorität. Die Vertretungen der Arbeitnehmenden müssen zwingend frühzeitig einbezogen werden, wenn Stellenabbau unvermeidbar ist. In wirtschaftlich schwer getroffenen Branchen verzichten die Gewerkschaften daher bewusst auf Lohnforderungen: „Bei uns im Gastgewerbe hat die Sozialpartnerschaft dazu geführt, dass im Interesse des Arbeitsplatz-Erhalts auf Lohnerhöhungen verzichtet wurde“, sagt Urs Masshardt, Geschäftsleiter der Hotel & Gastro Union. Doch von flächendeckenden Nullrunden darf keine Rede sein. «Die Arbeitnehmenden im Gesundheitswesen und im Detailhandel haben mit ihrem Einsatz dafür gesorgt, dass aus dem Lockdown kein Zusammenbruch wurde. Dafür haben sie Applaus erhalten», sagt Arno Kerst, Präsident der Gewerkschaft Syna. «Jetzt haben die Arbeitnehmenden in diesen systemrelevanten Berufen auch endlich deutliche Lohnerhöhungen verdient.» Das gilt auch für Branchen, die relativ unbeschadet durch die Corona-Krise gekommen oder sogar profitiert haben. Dort müssen Lohnerhöhungen im Bereich von einem Prozent auch in der Corona-Krise möglich sein. „Bescheidene Lohnerhöhungen sind in vielen Branchen möglich und auch volkswirtschaftlich nötig. Sie helfen, die Kaufkraft zu erhöhen, den Konsum zu stützen und so die Krise besser zu bewältigen“, sagt Kerst.
Service Public stärken – Lohndiskriminierung bekämpfen
Der Service Public hat auch in Corona-Zeiten eindrücklich seine existenzielle Bedeutung bewiesen. Insbesondere im Gesundheits-, Sozial- und Bildungswesen, der öffentlichen Verwaltung sowie dem Detailhandel hat die Arbeitsbelastung während der Krise massiv zugenommen (vgl. Corona-Spezialbefragung «Barometer Gute Arbeit»). „Die Arbeitnehmenden des Service Public haben mit beispielhaftem Engagement ihren Einsatz geleistet – sie verdienen eine grössere Anerkennung und faire Lohn- und Arbeitsbedingungen“, sagt Stefan Müller-Altermatt, Präsident des Personalverbandes transfair und Nationalrat. Für Sparmassnahmen im Service Public ist definitiv zu verzichten. Sie würden die konjunkturelle Erholung bremsen und Arbeitsplätze zusätzlich gefährden.
Frauen besonders unter Druck
In Branchen mit einem hohen Frauenanteil war die Belastung während der Corona-Krise besonders ausgeprägt (Gesundheit- und Sozialwesen, Detailhandel). Travail.Suisse und seine angeschlossenen Verbände fordern für diese Berufe auch in nicht-Krisenzeiten die notwendige Anerkennung mit anständigen Arbeitsbedingungen und fairen Löhnen. Auch bei der Lohndiskriminierung ist Handlungsbedarf mehr als vorhanden. Die Revision des Gleichstellungsgesetzes vom 1. Juli 2020 verlangt von Unternehmen mit mehr als 100 Angestellten eine Lohngleichheitsanalyse. Travail.Suisse und die angeschlossenen Verbände haben die Plattform RESPECT8-3.CH (www.respect8-3.ch) geschaffen, um das Gesetz zu verstärken, Mängel der Revision abzufedern und die Lohngleichheit schneller und transparenter anzusteuern.