Travail.Suisse, der unabhängige Dachverband der Arbeitnehmenden, fordert die Einführung einer durchgreifenden Subunternehmerhaftung. Diese muss die ganze Subunternehmerkette einschliessen und darf sich nicht nur auf den direkten Unterauftragnehmer beschränken. Zudem soll sie solidarisch und im Sinne einer Kausalhaftung ausgestaltet werden. Neben den minimalen Lohn- und Arbeitsbedingungen soll sie auch andere Ansprüche Dritter, beispielsweise die Übernahme von Kontrollkosten, umfassen. Der Geltungsbereich der Subunternehmerhaftung muss möglichst alle Branchen einbeziehen, um den Lohnschutz umfassend zu gewährleisten.
Nachdem das Parlament im Sommer die Frage der Solidarhaftung von Subunternehmen von den restlichen zu beschliessenden flankierenden Massnahmen zum freien Personenverkehr1 abgekoppelt hat, befasst sich am 28. August die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerats (WAK-S) erneut damit. Für Travail.Suisse ist es von höchster Wichtigkeit, dass eine griffige Solidarhaftung eingeführt und das Lohndumping wirksam bekämpft wird.
Immer krassere Fälle von Lohndumping in Subunternehmerketten
Tatsache ist: Die Vergabe von Aufträgen an Subunternehmen nimmt immer mehr zu. Vor allem bei grossen privaten und öffentlichen Bauvorhaben im Bauhaupt- und Baunebengewerbe ist sie zur gängigen Praxis geworden. Ganz zuunterst in den Subunternehmerketten sind vorwiegend ausländische Firmen mit Arbeiten beauftragt. Dort sind in letzter Zeit immer krassere Fälle von Lohndumping ans Licht gekommen. So arbeiteten beispielsweise polnische Facharbeiter für 7 Euro die Stunde auf einer Baustelle in St. Gallen und Slowaken entfernten auf einer Baustelle in Bern Schadstoffe für 5 Euro die Stunde. Mit den heutigen gesetzlichen Regelungen ist es de facto leider geradezu unmöglich, die fehlbaren Entsendebetriebe, das heisst die ausländischen Arbeitgeber, zur Nachzahlung der Löhne zu bewegen und sie zu büssen.
Nicht nur ein schweizerisches Problem – die EU ist uns einen Schritt voraus
Die Auftragsweitergabe, die dazu führt, dass die ausländischen Subunternehmer ihre Arbeitnehmer zu Dumpinglöhnen arbeiten lassen, verzerrt den Wettbewerb und verletzt das Prinzip der gleichlangen Spiesse zwischen den Unternehmen. Die Leidtragenden und Geprellten sind die ausländischen Entsandten, die zu lächerlichen Löhnen arbeiten, und die anständigen Arbeitgeber, welche die in der Schweiz geltenden Lohnbestimmungen einhalten.
Lohndumping in Subunternehmen ist nicht nur ein schweizerisches Problem, sondern kommt in ganz Europa vor. Die sieben EU-Staaten Österreich, Deutschland, Spanien, Finnland, Frankreich, Italien, Niederlande sowie auch Norwegen sind der Schweiz einen Schritt voraus und haben auf nationaler Ebene die Solidarhaftung eingeführt. Diese ist je nach Land unterschiedlich ausgestaltet. Auch die Europäische Kommission hat die Brisanz der Subunternehmerketten erkannt und dieses Frühjahr mit der Erarbeitung einer entsprechenden Durchsetzungsrichtlinie zur Subunternehmenshaftung für die ganze EU begonnen.
Die Schweiz braucht eine wirksame Subunternehmerhaftung
Um in der Schweiz wirksam Lohn- und Sozialdumping durch die Bildung von Subunternehmerketten zu verhindern oder entsprechende Verstösse zu büssen, ist für Travail.Suisse die konsequente Subunternehmerhaftung das einzige richtige Mittel. Die Subunternehmerhaftung muss wie folgt ausgestaltet werden:
- Eine Kettenhaftung ist unabdingbar. Unteraufträge werden zum Teil gerade mit dem Ziel gebildet, Schweizer Löhne zu umgehen. Eine direkte Haftung ist damit wirkungslos, weil sie zu einfach umgangen werden kann.
- Die Haftung muss zwingend solidarisch ausgestaltet werden. Eine rein subsidiäre Haftung, die erst greift, wenn der fehlbare Arbeitgeber nicht belangt werden kann, ist kaum hilfreich, da ja der Grund für die Einführung der Subunternehmerhaftung gerade darin liegt, dass Ansprüche gegenüber Subunternehmen kaum durchsetzbar sind.
- Die Solidarhaftung muss im Sinne einer Kausalhaftung ausgestaltet werden. Eine Verschuldenshaftung ist unzureichend, weil sich der Erstunternehmer mit der Erfüllung seiner Sorgfaltspflicht (anhand von Dokumenten oder Belegen seiner Subunternehmer) allzu bequem davon befreien kann.
- Die Haftung soll nicht nur die minimalen Arbeits- und Lohnbedingungen umfassen, sondern auch Ansprüche Dritter, wie beispielsweise Konventionalstrafen oder Kontrollkosten.
- Der Geltungsbereich der Subunternehmerhaftung ist möglichst allgemein zu halten, um den Lohnschutz zu gewährleisten. Die grössten Probleme treten allerdings mit ausländischen Subunternehmern im Bauhaupt- und Baunebengewerbe auf. Eine Subunternehmerhaftung bei Unterauftragsvergaben an ausländische Firmen im Bauhaupt- und Baunebengewerbe hat deshalb Priorität.
- Um eine möglichst grosse Übereinstimmung mit der Subunternehmerhaftung des Entsendegesetzes zu gewährleisten, sollte beim öffentlichen Beschaffungswesen auch eine Solidarhaftung eingeführt werden.
Goodwill für Bilaterale erhalten
Travail.Suisse hat die Personenfreizügigkeit als integralen Bestandteil der bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union in allen bisherigen Abstimmungen aktiv unterstützt. Eine wichtige Voraussetzung dafür war und ist, dass mit den flankierenden Massnahmen ein Instrumentarium geschaffen wurde, das die Löhne in der Schweiz wirksam schützt. Mit der zunehmenden Vergabe von Unteraufträgen an ausländische Subunternehmen wird es immer schwieriger, Lohndumping zu verhindern, und mit den geltenden Instrumenten ist es aussichtslos, die fehlbaren Arbeitgeber zu belangen. Dieses Problem muss gelöst werden, damit die Personenfreizügigkeit von den Arbeitnehmenden weiterhin unterstützt werden kann. Die Lösung muss einerseits die Durchsetzung von Schweizer Löhnen in der Schweiz garantieren und andererseits auch die Diskriminierung von Schweizer Unternehmen durch ausländische Subunternehmer, die die Schweizer Löhne nicht einhalten, unterbinden.
1Scheinselbständigkeit, Lohnmeldung, Sanktionen bei vereinfacht erklärten NAV und GAV