Gesamtarbeitsverträge und ihr Beitrag zur Weiterbildung von geringqualifizierten Personen
Die Weiterbildung kann durch Bestimmungen in Gesamtarbeitsverträgen GAV gefördert werden. Ein Projekt von Travail.Suisse Formation TSF geht den Fragen nach, welche GAV’s diesbezügliche Regelungen enthalten und welche Bestimmungen mithelfen, dass auch weiterbildungsferne (1) und geringqualifizierte Arbeitnehmende Zugang zur Weiterbildung finden. Das Projekt wird über das Weiterbildungsgesetz WeBiG unterstützt.
Es sind vor allem die geringqualifizierten Personen, welche sich nicht an Weiterbildung beteiligen. Ein wichtiger Grund ist, dass sie diesbezüglich auch wenig Unterstützung erhalten. Wie sieht dies aber bei den Gesamtarbeitsverträgen aus? Fördern sie deren Weiterbildung? Oder begünstigen auch sie insbesondere die gutqualifizierten Arbeitnehmenden? Ein Projekt von Travail.Suisse Formation TSF hat sich zum Ziel gesetzt, die verschiedenen GAV-Regelungen zu analysieren und insbesondere jene Regelungen darzustellen, welche die Weiterbildung für geringqualifizierte und weiterbildungsferne Arbeitnehmende besser zugänglich machen.
Erste Erkenntnisse
Grundsätzlich gilt, dass Weiterbildungsmöglichkeiten, welche die GAV’s eröffnen, allen GAV-Unterstellten offenstehen. Aber trotzdem treffen vor allem Geringqualifizierte und Weiterbildungsferne auf Hindernisse.
- Beispiel 1: Wenn Arbeitnehmende über keinen Lehrabschluss verfügen, ist ihr Zugang zur Weiterbildung, die im Rahmen des GAV angeboten werden, oft erschwert, weil viele der Angebote auf ein bereits bestehendes Wissen aufbauen.
- Beispiel 2: Die Kurse werden in der Regel in einer Landessprache angeboten. Üblicherweise werden zwar für die Teilnahme keine formellen Sprachkenntnisse vorausgesetzt, aber faktisch braucht man diese, um daran teilnehmen zu können und Prüfungen zu bestehen. Arbeitnehmende, welche keine der Landessprachen genügend beherrschen, sind damit meistens von den angebotenen Weiterbildungen ausgeschlossen.
- Beispiel 3: Um Geringqualifizierte und Weiterbildungsferne für die Teilnahme an Weiterbildung zu gewinnen, braucht es neben den ihnen entsprechenden Angebot auch an die Zielgruppe angepasste Information und Kampagnen. Die Frage ist: Existieren solche Kampagnen? Und mit welchem Erfolg?
- Beispiel 4: Die Teilnahme von Geringqualifizierten und Weiterbildungsfernen hängt auch davon ab, ob und wie die Arbeitgebenden ihre Weiterbildungsbeteiligung unterstützen. Drängen diese auf Präsenz im Betrieb oder befürchten sie aufgrund der Weiterbildung höhere Lohnkosten, werden sie die Weiterbildungsinteressen ihrer geringqualifizierten und weiterbildungsfernen Mitarbeitenden weder pushen noch unterstützen.
Gute Beispiele gesucht
Die Frage stellt sich: Gibt es GAV‘s, welche diese Hindernisse durch ihre GAV-Regelungen abbauen und damit den Zugang von Geringqualifizierten und Weiterbildungsfernen zur Weiterbildung verbessern? Das Projekt von Travail.Suisse Formation TSF zielt vor allem darauf ab, jene GAV’s zu dokumentieren, welche als gute Beispiele für die Integration von Geringqualifizierten und Weiterbildungsfernen in die Weiterbildung dienen können. Neben dem Studium der GAV’s soll auch das direkte Gespräch mit den paritätischen Kommissionen gesucht werden. Ihre Erfahrungen sollen in einen Bericht einfliessen, der aufzeigt, welche GAV-Regelungen die Weiterbildungsbeteiligung von Geringqualifizierten und Weiterbildungsfernen erhöhen können. Das Projekt soll bis Ende 2024 abgeschlossen sein.
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(1): Der Begriff «weiterbildungsfern» ist neutral zu verstehen und nicht mit «ungebildet» zu verwechseln. Er bezieht sich auf den Zugang zur Weiterbildung und meint «weiterbildungssystemfern».