Angst um Arbeitsplatz nimmt ab – Stress und Arbeitsbelastung bleiben hoch
Erste Ergebnisse aus der jährlichen Befragung zu den Arbeitsbedingungen «Barometer Gute Arbeit» zeigen die Auswirkungen der guten Wirtschaftslage und des Fachkräftemangels auf die Arbeitnehmenden. Mit der rekordtiefen Arbeitslosenquote sinkt die Angst vor Arbeitsplatzverlust, gleichzeitig bleiben Arbeitsbelastung und Stress aber in einem sehr kritischen Bereich. Die gesamten Ergebnisse werden am 21. November 2022 veröffentlicht.
Das Jahr 2022 hat viele unerwartete Probleme für die Arbeitnehmenden gebracht. Die Preise sind gestiegen, die Kaufkraft ist gesunken und Fachkräfte fehlen an allen Ecken, was oftmals zu Stress und grosser Arbeitsbelastung führt. Obwohl sich die finanzielle Situation dieses Jahr für die Arbeitnehmenden verschlechtert hat, befindet sich die Arbeitslosenquote mit einem Wert von 1.9% auf einem Tiefststand. Verglichen mit dem Vorjahresmonat (2.6%) respektive dem Coronakrisenjahr 2020 (3.2%) impliziert dieser Wert eine florierende Schweizer Wirtschaft (1). Aber wie wird die aktuelle Wirtschaftssituation von den Arbeitnehmenden wahrgenommen? Das «Barometer Gute Arbeit» hat auch dieses Jahr die Qualität der Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmenden in der Schweiz untersucht. Erste Resultate für das Jahr 2022 zeigen: trotz dieser finanziellen Herausforderungen scheint die Arbeitszufriedenheit der Arbeitnehmenden in der Schweiz nicht nur Einbussen erlitten haben.
Im Rahmen des «Barometer Gute Arbeit» erhebt Travail.Suisse, der unabhängige Dachverband der Arbeitnehmenden in Kooperation mit der Berner Fachhochschule (BFH) jährlich Daten zur Arbeitszufriedenheit von Arbeitnehmenden in der Schweiz. Die Arbeitszufriedenheit wird auf verschiedene Teilindizes aufgegliedert: Sicherheit, Gesundheit und Motivation. Das Barometer folgt dabei dem Leitgedanken, dass gute Arbeit die Gesundheit schützen, die Motivation erhalten und eine gewisse Beschäftigungssicherheit bieten muss.
Erste Auswertungen zeigen, dass die tiefe Arbeitslosenquote von den Arbeitnehmenden durchaus wahrgenommen wird. So bestätigt etwa eine knappe Mehrheit aller Befragten, dass sie im Falle einer Kündigung keine Schwierigkeiten hätten, einen vergleichbaren Arbeitsplatz zu finden. Im Vergleich zum Vorjahr sind es rund 4.5% mehr Arbeitnehmende, die diese Aussage bestätigen. Die Arbeitnehmenden fühlen sich somit an ihrem Arbeitsplatz sicher und spüren eine starke Nachfrage ihrer Fähigkeiten.
Die Pandemie scheint bei den Arbeitnehmenden endgültig vorbei zu sein, und diese erscheinen nach zwei Jahren Coronakrise auch wieder öfter krank zur Arbeit. Der Leistungsdruck auf dem Schweizer Arbeitsmarkt ist somit für die Befragten deutlich spürbar und verleitet sie dazu, Abstriche bei der eigenen Gesundheit zu machen.
Für viele Arbeitnehmende hat sich die Arbeit während und nach der Pandemie aufs Home-Office verschoben und hat somit die Trennung zwischen Freizeit und Arbeit verwässert. Dies hat unter anderem zu einer weiteren Zunahme von Stress geführt – ein seit 2016 eindeutiger Aufwärtstrend, der weiter fortgesetzt wird.
Es zeigen sich jedoch auch positive Veränderungen. Die Anzahl der Befragten, welche bei der Weiterbildung stark von den Arbeitgebenden gefördert werden, ist in nur einem Jahr um fast 6% gestiegen. Der Mangel an Personal scheint die Arbeitgebenden verstärkt in bestehende Mitarbeitende investieren zu lassen. Trotzdem bleibt noch viel Luft nach oben und es werden noch zu viele Arbeitnehmende nicht von ihren Vorgesetzten gefördert. Gerade Arbeitnehmende in Teilzeitbeschäftigung oder mit tieferer Qualifikation werden bei der Weiterbildungsförderung nach wie vor diskriminiert.
Das «Barometer Gute Arbeit» hat ebenfalls Daten bezüglich der Lohndiskriminierung zwischen Männern und Frauen auf dem Arbeitsmarkt erhoben. Nach der Annahme der AHV-Reform fordert Travail.Suisse erneut endlich die Umsetzung der Lohngleichheit zwischen den Geschlechtern. Ein erster Schritt zur Erreichung der Lohngleichheit stellt die vom Gleichstellungsgesetz geforderte obligatorische Lohnanalyse dar, welche mit einer Durchführung, Revision und internen Kommunikation verbunden ist. Wissen Arbeitnehmende über diese obligatorische Lohnanalyse Bescheid und wurden sie von ihren Arbeitgebenden bereits über die Ergebnisse informiert? Resultate folgen an der Medienkonferenz vom 21. November 2022.
Quellen:
(1) Staatssekretariat für Wirtschaft SECO (2022): «Die Lage auf dem Arbeitsmarkt (admin.ch)»