Arbeitsbedingungen 2021: Stress auf Allzeithoch – Frauen als Verliererinnen der Pandemie
Medienmitteilung
Das «Barometer Gute Arbeit» 2021 bringt es deutlich zu Tage: Die Covid-19-Pandemie verändert die Arbeitsbedingungen. Während die Männer profitieren, zahlen die Frauen die Zeche – und dies im Jahr der mehrfachen Gleichstellungsjubiläen. Neben zunehmender Ungleichheit bei den Belastungen zeigt sich auch eine mangelnde Sensibilität der Arbeitgebenden gegenüber der Lohngleichheit und der Gleichstellung in der Arbeitswelt allgemein. Homeoffice präsentiert sich für die Arbeitnehmenden derweil als zweischneidiges Schwert.
Das «Barometer Gute Arbeit» ist ein Kooperationsprojekt von Travail.Suisse, dem unabhängigen Dachverband der Arbeitnehmenden, und der Berner Fachhochschule. Es liefert seit 2015 repräsentative Ergebnisse zur Qualität der Arbeitsbedingungen in der Schweiz und ihren Veränderungen, mittels einer repräsentativen Umfrage bei Schweizer Arbeitnehmenden. Die Kernergebnisse 2021 präsentieren sich wie folgt:
Stress im Allzeithoch, trotz allgemeiner Verbesserungen der Arbeitsbedingungen
Insgesamt hat die Covid-19-Pandemie die Arbeitsbedingungen eher verbessert. Die Wertschätzung und die Kommunikation in der Krisenbewältigung werden als gut eingeschätzt, Massnahmen zum Gesundheitsschutz überzeugen und die ausgebaute Kurzarbeit und die rasche Wirtschaftserholung vermitteln Arbeitsplatzsicherheit. Kritisch bleiben die hohe Arbeitsbelastung, Stress und fehlende Entwicklungsmöglichkeiten. «Stress am Arbeitsplatz befindet sich auf einem Allzeithoch. Fast 45 Prozent aller Arbeitnehmenden fühlen sich durch ihre Arbeit häufig gestresst. Die Gesundheitsrisiken sind immens und werden in der Arbeitswelt nicht ernst genommen», sagt Gabriel Fischer, Leiter Wirtschaftspolitik bei Travail.Suisse.
Frauen haben nichts zu feiern im Jubiläumsjahr der Gleichstellung
2021 ist das Jahr des dreifachen Gleichstellungsjubiläums: 50 Jahre Frauenstimmrecht, 30 Jahre Frauenstreik und 25 Jahre Gleichstellungsgesetz. Die Covid-19-Pandemie hat indes die Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern in der Arbeitswelt weiter verschärft. So haben für Frauen die Belastungen am Arbeitsplatz zugenommen und die Entlastungen abgenommen. Gleichzeitig fehlt es an Sensibilität für die Gleichstellung in der Arbeitswelt und Frauen sehen sich in etlichen Branchen grossen Hindernisse beim beruflichen Aufstieg ausgesetzt. Auch die gesetzlichen Bestimmungen zur Lohngleichheit werden nur zögerlich umgesetzt. «Ausgerechnet im Jahr der Gleichstellungsjubiläen zeigt sich in der Arbeitswelt ein klar ungenügendes Bild der Gleichstellung. Es braucht jetzt einen deutlichen Effort von Politik und Wirtschaft, um endlich vorwärts zu machen», fordert Léonore Porchet, Nationalrätin und Vizepräsidentin von Travail.Suisse.
Vereinbarkeitsprobleme wegen Arbeitsbelastung und Betreuungssituationen
Die Vereinbarkeit von Beruf und anderen Lebensbereichen (Familie, Privatleben, Weiterbildung, Milizarbeit usw.) ist grösseren Hindernissen ausgesetzt, wie eine Fokusuntersuchung im «Barometer Gute Arbeit» zeigt. So ist ein Drittel aller Arbeitnehmenden nach der Arbeit oft zu erschöpft, um sich noch um private oder familiäre Angelegenheiten zu kümmern. Gerade in Haushalten mit Kindern oder im Alltag von pflegenden Angehörigen sind Vereinbarkeitsprobleme an der Tagesordnung. «Die Vereinbarkeit ist eine Herkulesaufgabe in einer sich verändernden Arbeitswelt. Ohne geeignete Rahmenbedingungen für die Kinder- und Angehörigenbetreuung kann sie nicht gelingen und die Ausschöpfung des Arbeitskräftepotenzials nicht optimiert werden. Es braucht dringend eine langfristige Förderung der familienergänzenden Kinderbetreuung, da die aktuelle Anschubfinanzierung im Januar 2023 ausläuft», sagt Adrian Wüthrich, Präsident von Travail.Suisse.
Nachteile von Homeoffice treten deutlicher hervor
Das Homeoffice wird von den Arbeitnehmenden differenziert bewertet: Einerseits werden das Wegfallen des Arbeitsweges und die ruhigen Bedingungen am Heimarbeitsplatz geschätzt. Die Nachteile werden in den fehlenden sozialen Kontakten, einer mangelhaften Ergonomie sowie einer Entgrenzung der Arbeitszeit gesehen. Im Pandemieverlauf hat die Wahrnehmung dieser Nachteile deutlich zugenommen, während die Vorteile konstant geblieben sind. «Als Lehre aus der Pandemie ist für Travail.Suisse wichtig, Homeoffice klar zu regeln», so Wüthrich. Die Homeoffice-Tage sind zu begrenzen, die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers muss auch im Homeoffice durchgesetzt werden und die Einschränkung der ausufernden Arbeitszeiten und ein Recht auf Nicht-Erreichbarkeit sind entscheidend, damit sich Homeoffice nicht zum Nachteil der Arbeitnehmenden auswirkt.