Arbeitgeber verheddern sich in Widersprüchen
Heute haben die drei nationalen Dachverbände der Arbeitgeber Economiesuisse, Arbeitsgeberverband und Gewerbeverband an einer gemeinsamen Medienkonferenz ihre wirtschaftspolitische Agenda vorgestellt. Sie ist in ihrer Widersprüchlichkeit kaum zu überbieten. Travail.Suisse, der unabhängige Dachverband der Arbeitnehmenden, wird sich als nationaler Sozialpartner mit aller Kraft gegen die Liberalisierung des Arbeitsrechts, gegen Rentenabbau und für eine bessere Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Privatleben einsetzen.
Die Drohkulisse der Arbeitgeberverbände ist nicht neu: Der Staat werde immer allmächtiger und Unternehmen in ihrer Freiheit erstickt. An einer Medienkonferenz präsentierten die Arbeitgeberverbände ein wirtschaftspolitisches Programm. Es versucht eine Tour d’horizon vom Arbeitsmarkt, über Sozial- und Bildungspolitik bis hin zur Europa- und Steuerpolitik. Der rote Faden durch das gesamte Papier: Es ist an Widersprüchlichkeit kaum zu überbieten. Eine Auswahl:
Vereinbarkeit über eine Liberalisierung des Arbeitsgesetzes fördern
Gemäss Arbeitgeberverbänden fördert eine Liberalisierung des Arbeitsgesetzes die Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familie. Konkret heisst dies: Eltern sollen endlich ganz legal Nacht- und Sonntagsarbeit leisten können, wenn ihre Kinder tagsüber krank waren. Vaterschafts- und Betreuungsurlaub sehen die Arbeitgeber hingegen als schädlichen Ausbau des Sozialstaats. «Dieses Verständnis von Vereinbarkeit ist lächerlich und gefährdet den sozialen Frieden genauso wie das Wohl und die Gesundheit der Arbeitnehmenden und ihrer Familien», sagt Adrian Wüthrich, Präsident von Travail.Suisse. Travail.Suisse ist aber jederzeit bereit über eine bessere rechtliche Absicherung von Homeoffice und Plattformarbeit zu sprechen, wie seine Delegierten im September klargemacht haben.
Ausbau des Sozialstaates über Rentensenkungen und Rentenaltererhöhungen
Die Arbeitgeberverbände fordern einen Ausbau-Stopp des Sozialstaates und meinen damit vor allem die Altersvorsorge. Das Parlament schlägt in der Wintersession sowohl in der AHV, wie auch im BVG weitgehende Abbauvorlagen vor. Das würde ein höheres Rentenalter für Frauen, Rentensenkungen für die meisten Versicherten in der zweiten Säule und Steuergeschenke in der dritten Säule von einer halben Milliarde Schweizer Franken bedeuten. «Ein Ausbau des Sozialstaats sieht definitiv anders aus», sagt Thomas Bauer, Leiter Wirtschaftspolitik bei Travail.Suisse.
Nationalbank für Vermögende – wenn sich Arbeit nicht mehr lohnen muss
Die Politik der Nationalbank zur Eindämmung der Frankenstärke ist für Industrie und Tourismus enorm wichtig. Die Devisenkäufe führen aber zu einer exorbitanten Erhöhung der Vermögen. Die Vermögensungleichheit hat nicht zuletzt aufgrund der geldpolitischen Interventionen der Zentralbanken in den letzten Jahren enorm zugenommen. Gratis-Einkommen für Vermögensbesitzer waren die Folge. Doch das kümmert die Arbeitgeber wenig. Die Losung «Arbeit muss sich lohnen» gilt nicht mehr. «Eine Finanzierung der AHV über Erträge aus diesen Devisenkäufen lehnen die Arbeitgeber ab, obwohl gerade dadurch die Arbeitnehmenden an den Vermögensaufwertungen beteiligt werden könnten», so Bauer.
Nicht die Regulierungen, sondern die Rohstoffhändler sind das Problem der KMU
Die Arbeitgeber sehen ihre Handlungsfreiheit durch den Vorsorgestaat und überbordende Bürokratie gefährdet. Damit scheitern sie bereits in ihrer Analyse. Was die schweizerischen KMU, die Industrie und den Tourismus wirklich bedrohen, sind die Rohstoffhändler und der Finanzsektor. Sie erwirtschaften gewaltige Überschüsse im Aussenhandel und bieten globalen Vermögen einen sicheren Hafen. Beides begründet die Frankenaufwertung, die wir in den letzten Jahren in der Schweiz immer wieder gesehen haben. Sie hat die Spielräume bei den KMUs für Innovationen fast vollständig vernichtet. «Die Arbeitgeber müssen sich entscheiden, welche Schweizer Wirtschaft sie wollen. Eine, die für ehrliche Arbeit und gute Ideen steht oder eine, die weltweit nur die Leistung anderer abschöpft. Beides ist nicht möglich», kommentiert Bauer.
Bildungspolitik – Einigkeit zum Schluss
In der Bildungspolitik fordern die Arbeitgeber dazu auf, mehr Sorge zu tragen zum dualen Bildungssystem und die höheren Fachschulen, sowie die höhere Berufsbildung zu stärken. Diesen Forderungen schliesst sich Travail.Suisse an. «Das duale Bildungssystem ist eine zentrale Stärke des schweizerischen Wirtschafts- und Bildungssystems. Wir werden die Arbeitgeber beim Wort nehmen und gemeinsam für eine Stärkung der Berufsbildung sorgen ohne die akademischen Ausbildungen schlecht zu machen», so Präsident Adrian Wüthrich. Die Zusammenarbeit im Rahmen der Verbundpartnerschaft wird auch in Zukunft wichtig sein, um gemeinsame, tragfähige Lösungen für alle zu finden.