Personenfreizügigkeit bringt Vorteile – flankierende Massnahmen verhindern Nachteile
Das Seco zeichnet im heute publizierten Observatoriumsbericht ein positives Bild der Personenfreizügigkeit. Für Travail.Suisse, den unabhängigen Dachverband der Arbeitnehmenden, ist klar, dass diese positiven Effekte nur dank der flankierenden Massnahmen möglich sind. Entsprechend wichtig war der Verhandlungsabbruch beim institutionellen Rahmenabkommen, welches in seiner gegenwärtigen Form die flankierenden Massnahmen geschwächt hätte.
Vor dem Hintergrund der Covid-19-Pandemie hat die Zuwanderung in die Schweiz im letzten Jahr abgenommen. Im Observatoriumsbericht wird ein grundsätzlich positives Bild der Personenfreizügigkeit gezeichnet. So entsprachen die Qualifikationen der zugewanderten Arbeitnehmenden weitgehend den Bedürfnissen des Arbeitsmarkts und die Personenfreizügigkeit hat in der Vergangenheit zu einer positiven Wirtschaftsentwicklung geführt. Einzelne Branchen sind zur Deckung des Fachkräftebedarfs auf die Personenfreizügigkeit angewiesen. So ist etwa schlichtweg nicht vorstellbar, wie das durch die Covid-19-Pandemie arg belastete Gesundheitssystem ohne ausländische Arbeitskräfte oder Grenzgängerinnen und Grenzgänger aus der EU die Pandemiesituation gemeistert hätte. Die Integration von gut ausgebildeten und jüngeren Arbeitnehmenden hilft ausserdem, die Finanzlage der Sozialversicherungen zu stabilisieren.
Von zentraler Bedeutung für Travail.Suisse sind dabei die flankierenden Massnahmen (FlaM). «Nur mit wirksamen flankierenden Massnahmen kann sichergestellt werden, dass in der Schweiz tatsächlich Schweizer Löhne bezahlt werden – oder Lohndumping zumindest aufgedeckt und sanktioniert wird», sagt Gabriel Fischer, Leiter Wirtschaftspolitik bei Travail.Suisse. Entsprechend wichtig war es, eine Schwächung der FlaM in den Diskussionen um ein Rahmenabkommen zu verhindern.
Bilaterale Verträge absichern – Freizügigkeitsrendite gerechter verteilen
Die Ablehnung des institutionellen Rahmenabkommens durch Travail.Suisse zielte in keiner Art und Weise gegen die Bilateralen grundsätzlich. Travail.Suisse steht zur Offenheit der Schweiz gegenüber Europa, allerdings nicht auf Kosten eines verschärften Wettbewerbs zwischen den Arbeitnehmenden, vielmehr muss der Lohnschutz weiter verstärkt werden. Es braucht soziale Fortschritte und ein Schritt halten mit dem «social pillar» der EU sowie eine gerechtere Verteilung der Freizügigkeitsrendite. «Die Rendite, welche durch die Personenfreizügigkeit und die bilateralen Verträge erwirtschaftet wird, darf nicht nur als Gewinne und über Steuersenkungen den Unternehmen zugutekommen, sondern muss auch für die Bevölkerung spürbar sein», so Fischer weiter. Eine effektivere Stellenmeldepflicht zum Erhalt der Arbeitsmarktchancen, zusätzliche Unterstützung bei der Aus- und Weiterbildung, finanzierbare familienexterne Kinderbetreuung und eine gleichstellungsfördernde Elternzeit, wären wichtige Schritte, um die Zustimmung der Schweizer Bevölkerung zur Personenfreizügigkeit und zu geregelten Beziehungen zur Europäischen Union nachhaltig zu sichern.