Auswirkungen der Coronakrise auf dem Arbeitsmarkt
Die erste Welle des Coronavirus mit dem Lockdown im Frühling hat in der Schweiz die Zahl arbeitsloser Personen gegenüber dem Vorjahr um rund 50‘000 erhöht. Das Aufkommen der rascheren und vehementeren zweiten Welle lässt die Hoffnung auf eine schnelle Erholung schwinden – die Aussichten für den Arbeitsmarkt sind entsprechend düster. Gerade für jugendliche Berufseinsteiger*innen dürften die nächsten Monate eine grosse Herausforderung werden. Die Sicherung von Arbeitsplätzen und Einkommen und ein Fokus auf die Situation der Jungen werden entscheidend sein, um längerfristige Probleme und Kosten so tief wie möglich zu halten.
Das Coronavirus beeinträchtigt im Moment das gesamte Leben. Der Lockdown im Frühling hat die wirtschaftliche Ausgangslage auf einen Schlag verändert. Allein seit dem Beginn der ersten Welle waren über 60‘000 Arbeitnehmende in der Schweiz von einer Massenentlastung betroffen. Die Pandemie verursacht grosse wirtschaftliche Unsicherheiten und es erstaunt nicht, dass die Chancen auf dem Arbeitsmarkt momentan beschränkt sind und die Stellensuche nur bedingt von Erfolg gekrönt. Entsprechend ist die Zahl der Arbeitslosen seit Ausbruch der ersten Coronafälle in der Schweiz deutlich gestiegen (vgl. Grafik 1).
Während sowohl im September 2018 als auch im September 2019 jeweils rund 100‘000 Personen als arbeitslos gemeldet waren, sind es im September 2020 knapp 50‘000 Personen mehr. Mit gegen 150‘000 Personen hat die Arbeitslosigkeit den höchsten Stand der letzten 10 Jahre erreicht. Dabei ist über die Hälfte der zusätzlichen Arbeitslosen in den sieben am stärksten betroffenen Branchen zu verzeichnen (vgl. Grafik 2). Mengenmässig die stärkste Zunahme von Arbeitslosen weisen der Handel und das Gastgewerbe auf. In der Gastronomie beträgt die Zunahme von arbeitslosen Personen 79 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Die Hoffnung auf eine rasche Erholung der wirtschaftlichen Lage und damit auf eine Verbesserung der Situation auf dem Arbeitsmarkt stand immer schon auf sehr unsicheren Füssen. Spätestens mit der früher und vehementer aufgekommenen zweiten Welle der Pandemie ist klar, dass die Bewältigung der Krise noch länger andauern wird. Die ungenügende Vorbereitung auf diese zweite Welle hat erneut massive Einschränkungen zur Folge – auch in der Wirtschaft. Bis die Situation wieder unter Kontrolle ist, wird sich auch die wirtschaftliche Stagnation verschärfen und die Situation auf dem Arbeitsmarkt wird sich weiter anspannen – darauf deuten die Beschäftigungsstatistiken hin. So weist das Bundesamt für Statistik (1) für das zweite Quartal 2020 nicht nur einen ausgeprägten Beschäftigungsrückgang aus, sondern ebenfalls negative Beschäftigungsaussichten für die nähere Zukunft. Der Indikator der Beschäftigungsaussichten ist gegenüber dem Vorjahr stark gesunken und mit einem Wert von 1.01 nur noch unwesentlich über der Schwelle von 1.0, die einen gesamtwirtschaftlichen Rückgang der Beschäftigung in den nächsten Monaten erwarten lässt. Auch die aktuellste Ausgabe des Beschäftigungsindikators der KOF (2) verdeutlicht die düsteren Aussichten für den Arbeitsmarkt. Noch immer liegt der Indikatorwert klar im negativen Bereich – deutlich mehr Unternehmen wollen Stellen abbauen denn aufbauen. Auch hier zeigt sich die übermässige Betroffenheit einzelner Branchen wie dem Gastgewerbe, dem Handel und dem verarbeitenden Gewerbe.
Jugendliche: Lehrstellenvergabe intakt – Herausforderungen beim Berufseinstieg
Seit Beginn des Lockdowns im Frühling stehen die Jugendlichen – speziell die Lernenden der beruflichen Grundbildung - im Fokus. Die Gefahr, dass Lernende besonders unter den mit der Pandemie verbundenen wirtschaftlichen Turbulenzen leiden und damit eine nachhaltige Schädigung ihrer Erwerbsverläufe befürchten müssen, erforderte eine genaue Beobachtung und entsprechende Gegenmassnahmen. Um zu verhindern, dass die Lernenden die ersten wirtschaftlichen Opfer der Corona-Krise werden, wurden sie in einem ersten Schritt in den Geltungsbereich der Kurzarbeitsentschädigung aufgenommen. Zudem wurden Lösungen für die Durchführung der Lehrabschlussprüfungen gesucht.
Nach dem Lockdown galt das Augenmerk vermehrt dem Lehrstellenangebot. Die Befürchtung, dass die Unternehmen aufgrund der grossen Unsicherheiten darauf verzichten, Lehrverhältnisse abzuschliessen, erfüllte sich glücklicherweise nicht. Der in den letzten Jahren entstandene Lehrstellenüberhang ermöglichte bis Ende September 2020 gar mehr abgeschlossene Lehrverträge als im Vorjahr – somit blieb die Lehrstellenvergabe auch im Coronajahr intakt.
Etwas differenzierter muss die Situation der Lehrabgänger*innen betrachtet werden. Einerseits ist die Jugendarbeitslosenquote im September 2020 mit 3.6 % gegenüber der allgemeinen Quote von 3.2% überdurchschnittlich hoch und auch ihre Zunahme im Vergleich zum Vorjahr ist überdurchschnittlich gegenüber den übrigen Alterskategorien (+1.2 Prozentpunkte gegenüber +1.1 Prozentpunkte). Andererseits ist die Anzahl von rund 3000 registrierten arbeitslosen Lehrabgänger*innen nicht höher als in den letzten Jahren, sondern weitestgehend identisch mit dem Durchschnitt der Jahre 2015 bis 2019. Anders ausgedrückt: Die Anzahl der Jugendlichen in der Arbeitslosenversicherung hat sich durch die Coronakrise zwar erhöht, liegt aber im längerfristigen Mittel.
Gleichzeitig ist aber bis zum Juni dieses Jahres die Zahl der erwerbslosen (und damit nicht zwingend bei der Arbeitslosenversicherung registrierten) Jugendlichen deutlich gestiegen. Während sich die Gesamtzahl der Erwerbslosen durch den Lockdown um 12 % erhöhte, ist die Zunahme bei den 15-24-Jährigen doppelt so hoch ausgefallen (vgl. Grafik 3).
Dies ist ein starkes Indiz dafür, dass Jugendliche in diesen Pandemiezeiten ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt als gering einschätzen und nicht an den Erfolg einer Beratung oder Vermittlung durch die RAV glauben oder sich (temporär) vom Arbeitsmarkt zurückziehen. Mit Blick auf die zweite Coronawelle und längerfristige wirtschaftliche Turbulenzen ist ausserdem zu beachten, dass Jugendliche oftmals die Voraussetzungen für den Bezug von Taggeldern aus der Arbeitslosenversicherung nicht erfüllen oder ihnen nur verkürzte Bezugsdauern für Taggelder zur Verfügung stehen (90 Tage für Studienabgänger*innen, 200 Tage für Lehrabgänger*innen).
Keine vorschnellen Entlassungen, rasche Härtefallregelung und besserer Schutz beim Berufseinstieg
Um den Arbeitsmarkt bei der Bewältigung der zweiten Welle der Coronakrise nicht unnötig zu belasten, sind für Travail.Suisse drei Punkte zentral:
- Die Arbeitgeber sind aufgefordert, auf unnötige Entlassungen zu verzichten. Die Coronakrise darf nicht missbraucht werden, um durch Reorganisationen eine Gewinnoptimierung auf Kosten von Arbeitsplätzen zu erreichen. Die zur Verfügung stehenden Instrumente zur Sicherung der Arbeitsplätze – insbesondere die Kurzarbeit – sind auszuschöpfen. Wo ein Stellenabbau wirtschaftlich unumgänglich ist, sind die Gewerkschaften frühzeitig miteinzubeziehen, um die bestmögliche Variante für alle Beteiligten zu finden.
- Die im Covid-19-Gesetz vorgesehene Härtefallregelung für besonders von den Folgen der Pandemie betroffene Unternehmen und Branchen ist möglichst rasch umzusetzen. Arbeitsplätze in soliden Unternehmen, die nur aufgrund ihrer besonderen Exponiertheit gegenüber den Auswirkungen der Coronakrise in Schieflage geraten sind, sind zu unterstützen und zu erhalten.
- Jugendliche sind in Pandemiezeiten besonders zu schützen. Eine intensivere Unterstützung mit den Instrumenten der Arbeitslosenversicherung und insbesondere eine Verlängerung der Bezugsdauer von Taggeldern sind aufzugleisen, um unnötige Aussteuerungen zu verhindern. Schwierigkeiten beim Berufseinstieg führen oftmals zu nachhaltigen Problemen im Erwerbsverlauf und entsprechend hohen Folgekosten für die Gesellschaft.