Mit der Stellenmeldepflicht erhalten Stellensuchende und die öffentliche Arbeitsvermittlung einen Informationsvorrang für ausgeschriebene Stellen. Dies erhöht die Chancen von bisher auf dem Arbeitsmarkt diskriminierten Arbeitnehmenden, setzt allerdings die Bereitschaft der Arbeitgeber voraus, sich von bisherigen Vorurteilen zu lösen. Die Wirksamkeit der Stellenmeldepflicht wird sich erst mit zukünftigen Evaluationen feststellen lassen.
Auf den 1. Juli 2018 ist in der Schweiz die sogenannte Stellenmeldepflicht in Kraft getreten. Damit sind Arbeitgeber verpflichtet, alle offenen Stellen in Berufsarten, in denen die Arbeitslosigkeit den Schwellenwert übersteigt den regionalen Arbeitsvermittlungen (RAV) zu melden. Dieser Schwellenwert wird bei einer Arbeitslosenquote von 8 Prozent eingeführt, um dann auf den 1. Januar 2020 auf 5 Prozent gesenkt zu werden. Travail.Suisse unterstützt diese schrittweise Einführung, wird doch so dem System im Allgemeinen und den RAV’s und den Arbeitgebern im Speziellen genügend Zeit eingeräumt, um die Prozesse und Ressourcen anzupassen.
Da es sich bei der Stellenmeldepflicht um die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative handelt ist ein Inländervorrang vorgesehen. So bleibt eine gemeldete Stelle für fünf Arbeitstage gesperrt. Während dieser Frist darf die gemeldete Stelle nicht anderweitig publiziert werden und steht somit ausschliesslich den bei der öffentlichen Arbeitsvermittlung angemeldeten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zur Verfügung. Gar innerhalb von drei Arbeitstagen erhalten die Arbeitgeber eine Meldung aus den RAV‘s, ob bei ihnen Dossiers von passenden Stellensuchenden vorliegen und allenfalls deren Kontaktdaten.
Ausnahmen von der Stellenmeldepflicht gibt es bei internen Stellenbesetzungen (dies gilt auch für die Weiterbeschäftigung von Lernenden nach der Ausbildung), bei einer kurzfristigen Beschäftigungsdauer (bis 14 Tage) und bei Beschäftigungen aus dem nahen Familienumfeld.
Wem nützt die Stellenmeldepflicht?
Es gibt auf dem Arbeitsmarkt und insbesondere im Prozess der Stellenbesetzung diskriminierte Arbeitnehmende. Dazu gehören beispielsweise ältere Arbeitnehmende oder Personen mit ausländischen Namen, welche zum Teil systematisch und unabhängig der Kompetenzen aus dem Bewerbungsprozess herausgefiltert werden. Aber auch Rückkehrerinnen nach Familienpausen oder Rückkehrende aus dem Strafvollzug, welche aufgrund ihrer Biografie, resp. ihrer unterbrochenen Erwerbsverläufe mit Schwierigkeiten bei der Wiederbeschäftigung konfrontiert sind. Aufgrund von Vorurteilen dieser individuellen Merkmalen gegenüber scheitern diese Personengruppen häufig bereits bei der ersten Stufe des Stellenbesetzungsprozesses und werden gar nicht erst zum Bewerbungsgespräch eingeladen, um dort ihre Fähigkeiten und ihre Passung zur ausgeschriebenen Stelle unter Beweis stellen zu können.
Letztlich hilft so die Stellenmeldepflicht, sämtlichen Arbeitnehmenden bei der Verbesserung der Arbeitsmarktmobilität. Ist es doch gerade die wahrgenommene Einschränkung der wahrgenommenen Arbeitsmarktmobilität, welche sich bei den Arbeitnehmenden in den letzten Jahren verschlechtert hat. So hat das «Barometer Gute Arbeit», von Travail.Suisse von 2015 auf 2017 eine signifikante Verschlechterung ebendieser Arbeitsmarktmobilität nachgewiesen. So glaubt über die Hälfte der Arbeitnehmenden kaum daran, bei Stellenverlust wieder eine vergleichbare Stelle zu finden (vgl. Grafik 1).
Die Stellenmeldepflicht nützt aber auch den Arbeitgebenden, wird doch damit für die Arbeitgebenden ein Grossteil des Rekrutierungsprozesses von der öffentlichen Arbeitsvermittlung übernommen, ohne dass dafür beim Arbeitgeber zusätzliche Kosten anfallen. Anstatt sich durch einen grossen Berg von eingegangenen Bewerbungen für eine ausgeschriebene Stelle zu mühen und die Kandidaten für ein Vorstellungsgespräch zu evaluieren, erhalten sie die optimalen Dossiers von den RAV innert drei Arbeitstagen zugesandt. Weil mit der Stellenmeldepflicht lediglich eine Pflicht zur Meldung von offenen Stellen und nicht etwa eine Pflicht zur Einladung zum Vorstellungsgespräch oder gar eine Pflicht zur Anstellung verbunden ist, wird es für den Erfolg der Stellenmeldepflicht entscheidend sein, dass die Arbeitgeber bereit sind, ihre Vorurteile gegenüber bei der öffentlichen Arbeitsvermittlung registrierten Stellensuchenden abzubauen und diesen Personen effektiv eine Chance einzuräumen.
Ob und wie die Stellenmeldepflicht tatsächlich die Chancen der Arbeitnehmenden auf dem Arbeitsmarkt verbessert wird sich erst in Zukunft zeigen lassen. Eine genaue Evaluation der Wirkungsweise wird unabdingbar sein, würde doch eine wirkungslose Stellenmeldepflicht die Kritik an der Personenfreizügigkeit vergrössern und so nicht zuletzt den bilateralen Weg mit der Europäischen Union in Frage stellen.