Mit dem Ja zur Masseneinwanderungsinitiative hat eine knappe Mehrheit der Schweizer Stimmbevölkerung gezeigt, dass Ängste bestehen. Die Kontingentierung der Zuwanderung ist aber keine Lösung, denn sie bringt weder eine Verbesserung beim Lohnschutz noch bei den Arbeitsbedingungen.
Nur wenige Wochen nach dem Ja zur Masseneinwanderungsinitiative zeichnen sich zwei Tendenzen bereits klar ab: Erstens dürfte die Neuverhandlung der Personenfreizügigkeit und damit der Flankierenden Massnahmen mit der Europäischen Union ein äusserst schwieriges Unterfangen werden und zweitens verunsichert der Volksentscheid Politik und Wirtschaft – es fehlt ein eigentlicher Plan B.
Folgen zeichnen sich bereits ab
Als Folge des Volksentscheides hat die EU die Schweiz aus dem weltweit grössten Forschungsprogramm „Horizon 2020“ ausgeschlossen und das Erasmus-Austauschprogramm gestoppt – ein schwerer Schlag für den Bildungs- und Forschungsplatz Schweiz. Gleichzeitig wurden die Verhandlungen über das Stromabkommen sistiert. Solche Entscheide zeigen, dass die Vernetzung mit Europa weit über die Personenfreizügigkeit hinausreicht und dass ungeklärte Beziehungen zu unseren direkten Nachbaren für den Werk- und Arbeitsplatz Schweiz schädlich sind. Aus Gewerkschaftssicht müssen bei der Umsetzung der Initiative wichtige Eckpunkte beachtet werden – ansonsten werden die Arbeitnehmenden die Zeche bezahlen. Mit einem offenen Brief an den Bundesrat (vgl. Syna Magazin Nr. 2/2014) wurde deshalb klar gemacht, dass die Gewerkschaften bei den Entscheiden über das weitere Vorgehen unbedingt miteinbezogen werden müssen.
Bilaterale Verträge erhalten
Wie eng die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union sind, zeigt der Blick in die Statistik: Mehr als die Hälfte aller Exporte und gar drei Viertel der Importe der Schweiz finden mit der EU statt. Geordnete Beziehungen mit unseren direkten geografischen Nachbarn und bei Weitem wichtigsten Handelspartnern sind deshalb absolut zentral. Für Travail.Suisse ist klar, dass der Erhalt der bilateralen Verträge bei der Umsetzung der Initiative Priorität haben muss. Der wirtschaftliche Fortschritt und damit auch ein grosser Teil der Arbeitsplätze sind zumindest indirekt von den bilateralen Verträgen abhängig.
Lohnschutz stärken
Die flankierenden Massnahmen (FlaM) ermöglichen eine Kontrolle des Arbeitsmarktes und den Schutz von Arbeitsbedingungen und Löhnen in der Schweiz. Es gibt wirtschaftsliberale Politiker, denen die FlaM ein Dorn im Auge sind; die Initiative droht diese Kreise zu stärken. Werden die FlaM in Frage gestellt, gerät auch der Grundsatz „in der Schweiz sind Schweizer Löhne zu bezahlen“ in Gefahr. Kontingente allein bringen keinen Schutz für die Arbeitnehmenden. Der Schutz von Löhnen und Arbeitsbedingungen wird deshalb in Zukunft noch wichtiger werden. Mit der Umsetzung der Initiative sind die bisherigen Instrumente beizubehalten und die Mängel und Lücken im Vollzug zwingend zu verbessern.
Keine Diskriminierung
Die Umsetzung der Initiative darf nicht zu Diskriminierung führen. Eine Rückkehr zum Saisonnier-Statut wird von Travail.Suisse klar bekämpft. Die Saisonniers sind ein unrühmliches Kapitel der Schweizer Wirtschaftsgeschichte. Diese Billigstarbeitskräfte hausten in ärmlichen Verhältnissen in Baracken und waren in ihren Rechten sehr eingeschränkt. So durften sie weder Kanton noch Arbeitgeber wechseln und mussten einmal im Jahr das Land verlassen. Das Saisonnier-Statut degradierte die Menschen zur reinen Arbeitskraft und führte zu starker Abhängigkeit vom Arbeitgeber. Über solch ungeschützte Arbeitnehmende kann Lohndumping legal stattfinden. Dass eine solche Diskriminierung den Druck auf dem Arbeitsmarkt erhöht und somit auch die Löhne der InländerInnen unter Druck kommen liegt auf der Hand.