Das Seco will uns mit seiner heute Morgen ausgegangenen Flut von Pressemitteilungen versichern, dass bezüglich Wirtschaftslage und Arbeitsmarkt alles wieder im grünen Bereich ist. Zu schön, um wahr zu sein? Travail.Suisse, der unabhängige Dachverband von 170‘000 Arbeitnehmenden, beurteilt die wirtschaftlichen Aussichten etwas skeptischer. Zu zahlreich sind die konjunkturellen Unsicherheitsfaktoren, um auf dem Arbeitsmarkt Entwarnung zu geben.
Unsichere Konjunkturerholung – mehr Risiken als zu Jahresbeginn
Das Seco-Pressecommuniqué der Bundeskonjunkturexperten lobt die fortschreitende Wirtschaftserholung. Travail.Suisse stellt fest, dass sich das BIP-Wachstum im ersten Quartal wieder verlangsamt hat. Insgesamt sind die aktuellen Konjunkturrisiken weit grösser als noch zu Jahresbeginn. Die Schweiz kann diese ausländischen Konjunkturrisiken kaum beeinflussen: es geht um den sinkenden Euro, die verschuldeten Staatshaushalte Europas, die auslaufenden Konjunkturpakete, die Zinsrisiken. Die Konjunkturerholung im Euroraum wird sich wohl äusserst zäh und widerstandsreich gestalten. Das wird auch auf die Schweizer Wirtschaft einen Bremseffekt haben. Umso mehr muss der Bund dafür sorgen, dass die kontraproduktiven Sparpakete auf Ebene Bund (und Kantone) nicht umgesetzt werden, dass die Binnenwirtschaft nicht einbricht und dass der private Konsum weiter gestützt wird.
Verfrühte Entwarnung
Das Seco-Pressecommuniqué zur Lage auf dem Arbeitsmarkt verleitet zum Aufatmen. Wieder sind die Arbeitslosenzahlen gesunken – auf 3.8 Prozent. Saisonbereinigt zeigt sich allerdings ein weniger schöneres Bild: Die Arbeitslosenrate stagniert seit Jahresbeginn bei rund 4 Prozent. Für Travail.Suisse ist klar, dass die Erholung auf dem Arbeitsmarkt nur sehr langsam erfolgen wird. Zuerst werden die Unternehmen die Kurzarbeit aufheben und auf volle Kapazitätsauslastung warten, bevor neues Personal eingestellt wird. Und je nachdem welche Konjunkturrisiken eintreffen, wird die Arbeitslosigkeit nochmals massiv hinaufschnellen.
Es wäre auch ein fataler Trugschluss zu glauben, dass in den kommenden Monaten die Zahl der Langzeitarbeitslosen und der Ausgesteuerten auf dem aktuellen Niveau verbleiben wird. Das Gegenteil wird der Fall sein: Die Rahmenfristen und Anzahl Taggelder der Leute, die am Anfang der Krise im Sommer 2008 arbeitslos wurden, beginnen diesen Sommer auszulaufen. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen und Ausgesteuerten wird ansteigen und in den nächsten zwei bis drei Jahren auf hohem Niveau stagnieren.
Öffentliche Arbeitsvermittlung – nicht nur Effizienz, sondern auch Nachhaltigkeit zählt
Ein weiteres Seco-Pressecommuniqué lobt die gestiegene Effizienz der öffentlichen Arbeitsvermittlung. Das ist erfreulich, es ist aber zu hoffen, dass diese auch effektiv den Stellensuchenden zugute kommt. Wenn die Arbeitsvermittler nur darauf abzielen, die Erwerbslosen möglichst schnell in irgendeine Anstellung hineinzubringen, ist das wenig nachhaltig, stehen diese doch sehr bald wieder vor den Türen der RAV. Wichtig für Travail.Suisse ist ein seriöses Abklären der Potentiale der Erwerbslosen, insbesondere der heute 50’000 tiefqualifizierten Erwerbslosen. So fordert Travail.Suisse, dass die Möglichkeit, im Rahmen der Arbeitslosenversicherung einen Berufsabschluss nachzuholen, vermehrt ausgeschöpft wird.
Rosarote Aussichten – Seco-Kampagnenstart für AVIG-Abstimmung
Diese Flut „munter machender“ Pressemitteilungen hat wohl zum Zweck, die Kampagne für die im September anstehende AVIG-Abstimmung zu eröffnen. Doch so rosarot ist die aktuelle wirtschaftliche Situation nicht. Jedenfalls nicht so rosarot, dass man die Leistungen der Erwerbslosen um 600 Millionen jährlich kürzen kann und gleichzeitig die Arbeitslosenversicherung durch unseriösen Schuldenabbau verlottern lässt.