67-Stunden Woche, Nacht- und Sonntagsarbeit als Pflicht – all das droht denjenigen, die das Pech haben, als «leitende» Angestellte oder «Fachspezialisten» zu gelten. So will es die parlamentarische Initiative Graber. Dagegen wehrt sich die Allianz gegen Stress und Gratisarbeit, notfalls mit dem Referendum.
Wird die parlamentarische Initiative «Teilflexibilisierung des Arbeitsgesetzes und Erhalt bewährter Arbeitszeitmodelle» des abtretenden Luzerner CVP-Ständerats Konrad Graber angenommen, würde das Schweizer Arbeitsrecht praktisch ausgehöhlt: Die Gummibegriffe «Leitende Arbeitnehmerin» und «Fachspezialist» würden dem Missbrauch Tür und Tor öffnen – und das weiss der Initiant auch. Denn möglichst viele Arbeitnehmende sollen unter diese Kategorien fallen, um so vom Arbeitgeber bei Mehrarbeit ganz nach Gusto eingesetzt werden zu können: eben bis zu 67 Stunden pro Woche, Sonntage inklusive!
Donnerstag/Freitag, 17./18. Oktober, wird sich die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerats (WAK-S) mit der Vorlage befassen, und selten war die Ausgangslage so klar: Die parlamentarische Initiative wurde von allen Seiten zerzaust: die kantonalen Arbeitsinspektorate lehnen das Ansinnen ebenso ab wie die Landeskirchen und andere Mitglieder der Sonntagsallianz. ÄrztInnen und ArbeitsmedizinerInnen warnen vor dessen verheerenden Folgen.
Sie alle hätten zu Wort kommen sollen, denn ursprünglich hatte die WAK-S Hearings angekündigt, sie dann aber einfach abgesagt. Offenbar hatte sie angesichts der vielen, kritischen Anmeldungen (von der Schweizerischen Gesellschaft für Arbeitsmedizin SGARM über die FMH bis zur Sonntagsallianz) schlicht den Mut verloren. Aber zu versuchen, das Geschäft noch zwei, drei Tage vor den eidgenössischen Wahlen still und leise durchzuwinken, dafür war der Mut offensichtlich vorhanden.
Doch sollte das zynische Vorhaben tatsächlich durchs Parlament kommen, hat die Allianz gegen Stress und Gratisarbeit bereits das Referendum angekündigt. Mediziner, Kirchen, Gewerkschaften, kantonale Arbeitsinspektorate und auch der Bundesrat, sie alle sagen klar nein zu dieser Deregulierung. Schliesslich hat die Schweiz laut OECD bereits eines der flexibelsten und arbeitgeberfreundlichsten Arbeitsrechte. Schliesslich wird hierzulande im internationalen Vergleich bereits viel zu lang gearbeitet. Wenn schon, sollte die Arbeitswoche verkürzt werden, wie das jüngst lautstark am Frauenstreik gefordert wurde. Gerade Frauen und Familien würden unter Grabers Idee besonders leiden.
Die Allianz gegen Stress und Gratisarbeit erwartet von der WAK-S angesichts der geballten Rückweisung von allen Seiten, dass sie diese parlamentarische Initiative abschreibt und damit endlich ad acta legt, wie es der Ständerat unlängst bereits mit der ähnlich gelagerten Initiative der damaligen Ständerätin Karin Keller-Sutter zur Arbeitszeiterfassung getan hat.Au
Die Allianz gegen Stress und Gratisarbeit:
- Schweizerischer Gewerkschaftsbund (SGB)
- Travail.Suisse
- Schweizerische Gesellschaft für Arbeitsmedizin (SGARM)
- Schweizerischer Bankpersonalverband (SBPV)
- Schweizerischer Verband der Berufsorganisationen im Gesundheitswesen (SVBG)
- Verband Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte (VSAO)
- sowie die Gewerkschaften Syna, syndicom, Unia und VPOD.