Travail.Suisse, der unabhängige Dachverband der Arbeitnehmenden, untersucht im Rahmen der Managerlohnstudie jedes Jahr auch weitere Aspekte der Corporate Governance bei grossen Schweizer Unternehmen 1 . Erschreckendes zeigt die diesjährige Erhebung in Bezug auf den Frauenanteil in den Verwaltungsräten und Konzernleitungen: Frauen sind nicht nur massiv untervertreten, der Anteil von Frauen in den Konzernleitungen ist sogar rückläufig. Mit weniger als 4 % Frauen in den Konzernleitungen ist dies der tiefste Wert seit 2008. Nach wie vor lässt die Schweiz einen Teil ihres Talentpools brach liegen. Bessere Rahmenbedingungen zur Verbesserung der Karrierechancen von Frauen sind daher dringend notwendig.
Die Managerlohnstudie, die Travail.Suisse alljährlich durchführt, untersucht neben der Lohnschere auch weitere Faktoren der Corporate Governance wie den Frauenanteil in den Konzernleitungen. Die Studie zeigt ein erschreckendes Bild: Diane de Saint Victor, Bianka Wilson, Pamela Thomas-Graham, Wan Ling Martello, Susanne Ruoff, Silvia Ayyoubi, Florence Ollivier-Lamarque, Cecilia Reyes – dies die Namen der acht Frauen, die Ende 2013 in den Konzernleitungen der 27 untersuchten Unternehmen Einsitz hatten. Lediglich acht der insgesamt 209 Posten in den Konzernleitungen werden also von Frauen besetzt, das entspricht einer Frauenquote von weniger als vier Prozent. Erschreckend ist insbesondere auch, dass sich die Vertretung von Frauen in den Konzernleitungen rückläufig entwickelt. Mit weniger als 4 Prozent Frauen in den Konzernleitungen ist dies der tiefste Wert seit 2008.
Lediglich in acht Konzernleitungen 2 sind überhaupt Frauen vertreten, d.h. mehr als zwei Drittel der obersten Entscheidungsgremien der Schweizer Wirtschaft sind reine Männergremien. Ausserdem ist mit Susanne Ruoff bei der Post lediglich eine Frau in der Funktion des CEO tätig.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt der Schillingreport 3 , der seit 2006 die Führungsregimes der grössten Schweizer Unternehmen untersucht. In dieser Stichprobe, die sämtliche Unternehmen des SMI enthält, ist der Frauenanteil Ende 2013 mit 6 Prozent zwar etwas höher, aber auch hier zeigt sich im Vergleich zum letzten Jahr eine rückläufige Entwicklung. Im Vergleich zum Vorjahr ist der Frauenanteil um zwei Prozentpunkte gefallen.
Etwas positiver zeigt sich die Entwicklung beim Frauenanteil in den Verwaltungsräten. Hier stehen 44 Verwaltungsrätinnen 205 Verwaltungsräten gegenüber, was einem Frauenanteil von immerhin 17.6 Prozent entspricht. Es zeigt sich hier in den letzten Jahren eine kontinuierliche Zunahme von Frauen in den Verwaltungsräten; in den letzten 10 Jahren hat sich die Anzahl der Verwaltungsrätinnen beinahe verdoppelt.
Trotz der positiven Entwicklung stellt dies aber immer noch eine sehr bescheidene Vertretung der Frauen in den wichtigsten strategischen Posten der Schweiz Wirtschaft dar. Insbesondere ist sie noch weit von der Zielvorgabe von 30 Prozent 4 entfernt, die der Bund für seine 24 bundesnahen Unternehmen bis 2020 vorsieht. Auch der Vergleich mit der Quote von 40% 5 , welche die EU-Kommission für Unternehmen mit mehr als 250 MitarbeiterInnen bis 2020 festgelegt hat, stellt dem Einbezug der Frauen in die Entscheidungspositionen der Wirtschaft in der Schweiz ein schlechtes Zeugnis aus. Mit Valora, Ruag, Oerlikon, Clariant und Bobst sind fünf Unternehmen in der Untersuchung präsent, deren Verwaltungsräte Ende 2013 gänzlich ohne Frauen zusammengesetzt waren; als positives Beispiel steht Coop mit vier Frauen im 10-köpfigen Gremium.
Verschwendetes Potential
Der Fachkräftemangel in der Schweiz ist mittlerweile gut bekannt. Aufgrund der demografischen Entwicklung wird sich dieser Mangel in Zukunft noch verstärken – dies gilt gerade auch für den Managementbereich. Gleichzeitig hält der Schillingreport 2014 6 fest, dass der Ausländerinnenanteil unter den Managerinnen erstmalig auf 50 Prozent steigt. Unter den neu in Geschäftsleitungen eintretenden Kadermitarbeiterinnen beträgt der Ausländerinnenanteil gar 70 Prozent. Das bedeutet, dass von den neuen Konzernleitungsmitgliederinnen mehr als zwei Drittel im Ausland rekrutiert werden. Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist die starke Untervertretung in den Konzernleitungen von Frauen im Allgemeinen und von Schweizer Frauen im Speziellen eine grosse Verschwendung von wirtschaftlichem Potenzial. Dies wird umso deutlicher, wenn man mitberücksichtigt, dass sich die tertiären Bildungsabschlüsse mittlerweile praktisch ausgeglichen auf die Geschlechter verteilen. Während in der höheren Berufsbildung die Männer nach wie vor stärker vertreten sind als die Frauen, haben sowohl an den Fachhochschulen wie auch den universitären Hochschulen die Frauen 2012 mehr Abschlüsse erlangt als die Männer. Gesamthaft lässt sich sagen, dass die Frauen heute ebenso gut ausgebildet sind wie die Männer.
Vereinbarkeit und Lohngleichheit als Schlüssel – Quoten als Starthilfe
Aus Sicht von Travail.Suisse liegt der Schlüssel für einen besseren Einbezug der Frauen in den Arbeitsmarkt und insbesondere in die Spitzenpositionen der Wirtschaft in der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Damit sind einerseits die Kinderbetreuung und andererseits v.a. zukünftig auch die Betreuung von pflegebedürftigen betagten Angehörigen gemeint. Auch die OECD sieht in den hohen Kosten und dem ungenügenden Angebot der Kinderbetreuung ein Hauptgrund für die Unterrepräsentation von Frauen in den Chefpositionen und dem leitenden Kader. Schliesslich gehört die Schweiz zu den OECD-Ländern mit den tiefsten staatlichen Ausgaben für die Kinderbetreuung, resp. den Vorschulbereich. Sie betrugen 2009 lediglich knapp 0.2 Prozent des BIP, was nur rund einem Drittel des OECD-Durchschnittes entspricht. 7 Weiter ist auch die Lohndifferenz zwischen den Geschlechtern ein grosses Hindernis. Laut dem eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Mann und Frau EBG verdienen Frauen durchschnittlich 20 Prozent weniger als Männer; davon sind rund 7 Prozent nicht erklärbar und basieren auf diskriminierendem Verhalten. Im Bereich der Kaderpositionen vergrössert sich die Lohndifferenz gar bis zu 30 Prozent. Dieser Lohnnachteil wirkt sich auf die Frauen entmutigend aus und führt, verstärkt durch eine zunehmende Grenzsteuerbelastung dazu, dass der Verzicht der Frauen auf zusätzliches Arbeitspensum oder Karriere innerhalb einer Paarbeziehung als rationaler Entscheid erscheint.
Für Travail.Suisse ist klar, dass ein weiterer Ausbau der externen Kinderbetreuung nötig ist, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern. Nur so können Frauen am Arbeitsmarkt partizipieren und somit auch stärker in den Konzernleitungen vertreten sein. Gleiches gilt für die Lohngleichheit zwischen den Geschlechtern: Solange das strukturelle Hindernis der Lohnungleichheit fortbesteht, wird die Förderung von Frauen in Kaderpositionen erschwert. Nach dem praktisch ergebnislosen Ende des freiwilligen Lohngleichheitsdialoges braucht es daher zwingend Transparenz über die Lohndiskriminierung und Massnahmen zu deren Korrektur. Der Auftrag in Artikel 8 Absatz 3 der Schweizerischen Verfassung, wonach Mann und Frau für die gleiche Arbeit den gleichen Lohn erhalten sollen, ist endlich umzusetzen. Die Frage der Quoten muss differenziert betrachtet werden 8 . Grundsätzlich sind sie als Starthilfe zu begrüssen, um gerade in einem Bereich mit sehr wenigen Frauen – wie den Konzernleitungen – der Stereotypisierung entgegenzuwirken 9 . Quoten ermöglichen so Erfahrungen für und mit den weiblichen Kadern und helfen mit, Stereotypisierungen rascher zu überwinden und Verhaltensänderungen so rascher zu ermöglichen. Konkret: Auch ohne Quoten hat der Frauenanteil in der Konzernleitungen unserer Studie in 10 Jahren mit einem Faktor von 2.26 zugenommen. Nur würde es bis zu einem vertretbaren Frauenanteil von 40 Prozent in den Konzernleitungen noch weitere 30 Jahre dauern, eine Dauer die wir uns nicht leisten wollen. Die Partizipation von Frauen in den Konzernleitungen kann mit Quoten beschleunigt werden und so mithelfen, dass dieses produktivitätsfördernde wirtschaftliche Potenzial nicht weiter brach liegen bleibt.
_____
p(footnote). 1 Nestlé, UBS, Roche, Novartis, Lindt&Sprüngli, ABB, Credit Suisse, Swatch, Zurich, Oerlikon, Clariant, Swiss Life, Schindler, Kuoni, Bâloise, Lonza, Implenia, Georg Fischer, Swisscom, Helvetia, Valora, Bobst, Ascom, Ruag, Migros, Post, Coop.
2ABB, Ascom, Credit Suisse, Nestlé, Post, Roche, Swatch, Zurich.
3 www.schillingreport.ch
Vgl. Medienmitteilung Eidgenössisches Finanzdepartement EFD vom 6.11.2013.
4 Vgl. Pressemitteilung des EU-Parlamentes vom 20.11.2013.
5 Schillingreport 2014, Transparenz an der Spitze – Die Geschäftsleitungen und Verwaltungsräte der hundert grössten Schweizer Unternehmen im Vergleich: S.22.
6 Vgl. Die Rolle der Frau in der Schweizer Wirtschaft – der Bericht der OECD in: Die Volkswirtschaft 6-2014, S.7-10.
7 Vgl. Gleichstellung an der Unternehmensspitze – Bilanz zur Quotenfrage in: Medienservice von Travail.Suisse vom 2.12.2013.
8 Vgl. Warum es ohne Quoten nicht geht – die Sicht der Verhaltensökonomik in: Die Volkswirtschaft 6-2014, S.15-18.