Noch nie seit den ersten Proporzwahlen von 1919 hat eine Partei so viele Sitze auf einmal gewonnen wie die Grünen und noch nie wurden mehr Frauen gewählt. Das ist historisch. Travail.Suisse, der unabhängige Dachverband der Arbeitnehmenden, fordert vom neuen Parlament bessere Lösungen für die Arbeitnehmenden.
Obschon die SVP und FDP ihre absolute Mehrheit im Nationalrat verloren haben, braucht es auch in der kommenden Legislatur mehrere Parteien für mehrheitsfähige Lösungen. Wie in der Sozialpartnerschaft üblich, braucht es Kompromisse. Travail.Suisse wird die Anliegen der Arbeitnehmenden mit guten Argumenten einbringen und konstruktiv mit allen Fraktionen zusammenarbeiten.
Nach dem Generalstreik 1918 fanden ein Jahr später die ersten Nationalratswahlen im Proporzwahlsystem statt. Die Verschiebungen zu Gunsten der SP waren mit dem neuen Wahlsystem zu begründen. Bei den Wahlen 2019 war es nicht das Wahlsystem, sondern die Sorge der Menschen um das Klima. Das Zeichen der Wählenden war entsprechend deutlich – historisch deutlich wie die für schweizerische Verhältnisse riesigen Sitzgewinnen von Grünen und Grünliberalen zeigen. Die Wissenschaft liefert die Fakten und die Menschen auf der Strasse fordern lautstark Massnahmen gegen den Klimawandel. Die Politik hat bisher zu wenig entschlossen gehandelt, das zeigt sich an den Klimaprotesten auf der ganzen Welt. Die Einschnitte müssen aber massiv sein, damit weltweit und in der Schweiz der CO2-Ausstoss verringert werden kann. In der Schweiz müssen die Entscheide im Volk ebenfalls eine Mehrheit finden. Das wird die grosse Herausforderung in der Klimafrage sein.
Klimaschutz nicht zu Lasten der Arbeitnehmenden
Aus Sicht der Arbeitnehmenden darf nicht alles über das Portemonnaie gelöst werden, die Massnahmen müssen zwingend sozial ausgestaltetet werden, denn für Menschen mit geringem Einkommen ist es unter Umständen schwieriger, umwelt- und klimaschonend zu leben. Auf der anderen Seite dürfen sich Wohlhabende nicht aus der Verantwortung kaufen. Auch der Staat ist beim Klimaumbau gefordert: Einige Millionen werden nicht reichen, es braucht Milliardeninvestitionen für den ökologischen Umbau unserer Gesellschaft und für eine merkbare CO2-Senkung. Die Stimmbevölkerung wird hier korrigierend wirken: Geht das Parlament zu weit, wird es der Urne gebremst. Geht es zu wenig weit, werden die nächsten Wahlen erneut zu einer Schicksalsabstimmung über das Klima.
Neue Mehrheiten im Parlament möglich
Lösungen brauchen auch in der kommenden Legislatur die Unterstützung von mehreren Parteien im Parlament. Daran ändert auch das Wahlresultat nichts. Dass es aber die absolute Mehrheit von SVP und FDP nicht mehr gibt, ist gut für die Arbeitnehmenden, denn diese Allianz war massgeblich verantwortlich für einseitigen Schuldenabbau, Spardruck und Steuergeschenken für Reiche und Unternehmen. Die CVP wird weiterhin eine wichtige Scharnierfunktion haben und Mehrheiten bilden können. Sie wird auch für die Themen der Arbeitnehmenden eine entscheidende Rolle.
Wichtige Themen in der nächsten Legislatur: Renten, Arbeitsgesetz und Europa
In der nächsten Legislatur muss mehr gestaltet und investiert werden - für eine moderne Schweiz und für mehr Lebensqualität. Die Schweiz braucht endlich eine echte Familienpolitik und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie muss spürbar verbessert werden. Familienergänzende Kinderbetreuung soll in der ganzen Schweiz als Service public gestaltet werden. Ausserdem muss nach dem Rückzug der Vaterschaftsurlaubs-Initiative eine Elternzeit eingeführt werden. Travail.Suisse prüft die Unterstützung einer entsprechenden Volksinitiative. Eine weitere Liberalisierung des bereits sehr arbeitgeberfreundlichen Arbeitsgesetzes muss gestoppt werden, sonst wird Travail.Suisse mit Verbündeten das Referendum ergreifen. Hier muss die CVP mithelfen den Vorschlag vom zurückgetretenen Ständerat Graber ad acta zu legen. In der Sozialpolitik müssen weitere Reformen die Altersvorsorge nachhaltig sichern. Der BVG-Kompromiss der Sozialpartner ist ein erster Schritt dafür. Die GLP ist aufgerufen dem Kompromiss zuzustimmen. Travail.Suisse wird auch in der Europapolitik dranbleiben: Nach der Abstimmung über die Kündigungsinitiative – für dessen Ablehnung sich Travail.Suisse voll einsetzen wird - muss der bilaterale Weg mit einem Rahmenvertrag, der die Interessen der Arbeitnehmenden mit dem Lohnschutz wahrt, fortgeführt werden. In der Bildungspolitik braucht es eine Weiterbildungsoffensive im Zuge der Digitalisierung zur Stärkung der Arbeitsmarktfähigkeit der (älteren) Arbeitnehmenden.
Nationale Sozialpartnerschaft wichtiger
Die nationale Sozialpartnerschaft, die Gespräche zwischen den Dachverbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmenden, wird in den nächsten vier Jahren wieder wichtiger werden, um mehrheitsfähigen Kompromisse zu erarbeiten. Die erste Einschätzung des Arbeitgeberverbandes am Wahltag zeigt es: Die Bereitschaft dazu ist vorhanden. Travail.Suisse wird sich als nationaler Sozialpartner und als starke Stimme der Arbeitnehmenden im Parlament einbringen und bietet jederzeit Hand für konstruktive Gespräche. Es bleibt die Hoffnung, dass die Wahlen am letzten Wochenende spürbar positive Folgen für die Arbeitnehmenden haben werden.