Gewinne auch den Arbeitnehmenden - heraus zum 1. Mai!
Geld ist in der Schweiz viel vorhanden. Das muss am 1. Mai einfach gesagt sein. Die Frage ist, wie das Geld verteilt wird. Die Entscheidungen dazu werden in den Unternehmen und der Politik gefällt. Am Tag der Arbeit muss an den Wert dieser Arbeit erinnert werden. Die Gewinne der Unternehmen werden tagtäglich durch die Arbeitnehmenden erschaffen, sie sollen deshalb daran beteiligt werden – durch höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen und Renten sowie bessere Vereinbarkeit, Gleichstellung und Weiterbildung.
Adrian Wüthrich, Präsident Travail.Suisse / alt Nationalrat
Die Gewerkschaften rühmen die Europäische Union nicht oft. Doch die EU hat nach dem Austritt von Grossbritannien verstanden, dass die Europäische Integration nicht nur auf der wirtschaftlichen Ebene mit einem gemeinsamen Binnenmarkt funktioniert. Die EU hat mit der Europäischen Säule sozialer Rechte ein Aktionsprogramm für eine umfassende Reform der europäischen Arbeitsmärkte und Sozialsysteme angestossen. Es ist kein Wunschprogramm der Gewerkschaften, die 20 geplanten Massnahmen bringen aber Verbesserungen für alle Arbeitnehmenden. Diese Massnahmen haben ihren Preis, sind aber ein Ausgleich für den immensen Nutzen für die Wirtschaft. Auch die Arbeitnehmenden werden so an den Gewinnen beteiligt. Die Schweiz kann sich daran ein Beispiel nehmen. Die Schweizer Wirtschaft ist günstig zum Marktzugang gekommen und profitiert stark davon. Statt bei den aktuellen Diskussionen über das künftige Verhältnis zur EU den Lohnschutz zu schleifen, muss alles getan werden, um trotz Personenfreizügigkeit die Löhne und Arbeitsbedingungen zu schützen und ähnliche Massnahmen wie die EU einzuführen: Verbesserung des Arbeitsrechts, Ausdehnung von Gesamtarbeitsverträgen mit Mindestlöhnen oder die Verbesserung der Vereinbarkeit mit einer Elternzeit. wollen an den Gewinnen der Personenfreizügigkeit beteiligt werden – nicht nur die Wirtschaft und die Wohlhabenden mit Tiefststeuern!
Der Arbeitgeberverband hat Ende April Vorschläge präsentiert wie der Mangel an Arbeitsstunden – der Fachkräftemangel – behoben werden kann. Durch eine echte Beteiligung der Arbeitnehmenden an den Gewinnen mit höheren Löhnen und besseren Arbeitsbedingungen? Keine Spur. Stattdessen fordert die Arbeitgeber längere Arbeitszeiten, ein höheres Rentenalter – am liebsten bis 70 Jahre – und ein noch flexibleres Arbeitsrecht. Steigen nicht bei kleinerem Angebot die Preise? Nicht auf dem Arbeitsmarkt, wenn es nach den Arbeitgebern geht. Wir sagen am Tag der Arbeit: So nicht!
Wir wollen höhere Löhne. Der Teuerungsausgleich muss eine Selbstverständlichkeit sein. Im letzten Jahr haben viele Arbeitnehmende einen Reallohnverlust erlitten und Kaufkraft verloren, denn die Teuerung war höher als die Lohnerhöhungen. Daneben haben unter dem Vorwand der Teuerung viele Unternehmen die Preise erhöht und gute Gewinne gemacht – die guten Jahresabschlüsse der Kantone und Gemeinden sind Zeuge davon. Es liegen höhere Löhne drin, das Geld ist in vielen Branchen und Unternehmen vorhanden. Eines ist klar: Wir kämpfen im nächsten Lohnherbst erneut für bessere Löhne!
Wir wollen höhere Renten. Sowohl die AHV-Renten als auch die Pensionskassenrenten sind im Vergleich zum letzten Lohn vor der Pensionierung in den vergangenen Jahren stetig gesunken. Bei den Pensionskassen waren es in den letzten 30 Jahren gegen 30 Prozent. Für kleine und mittlere Einkommen wird es immer schwieriger, mit der Rente ein würdiges Leben zu führen. Mit der geplanten Pensionskassenreform soll der Umwandlungssatz gesenkt werden, was künftig für alle noch tiefere Renten bringen würde, insbesondere für alle Kolleginnen und Kollegen, die nur im Obligatorium versichert sind und einen mittleren Lohn haben. Bei einem tiefen Lohn soll künftig ein grösserer Teil versichert werden, was höhere Lohnabzüge bringt, aber im Alter keine wesentliche Rentenverbesserung. Für die Mehrheit der Arbeitnehmenden gilt mit der Reform: Mehr zahlen für eine kleinere Rente. Travail.Suisse hat mit einer breiten Allianz das Referendum gegen diese unsolidarische Reform ergriffen. Auch bei den Renten geht es darum, dass die Arbeitnehmenden von den Gewinnen profitieren sollen. Das Parlament hat die solidarische Finanzierung für einen Rentenzuschlag, der allen eine Rentenverbesserung gebracht hätte, abgelehnt. Arbeitnehmende mit hohen Löhnen hätten solidarisch 0,5 Lohnprozente zahlen müssen, die Politik lehnte diesen Sozialpartnerkompromiss ab. Die Renten müssen für alle zum Leben reichen, deshalb müssen die Renten der Teuerung angepasst werden und real erhöht werden! Die BVG-Reform muss vom Tisch – deshalb jetzt das Referendum unterzeichnen! Und damit es am 1. Mai gesagt ist: Wir wollen uns auch künftig Rentenalter 65 und ein würdiges Altern leisten!
Wir wollen Vereinbarkeit und Lohngleichheit, wofür es endlich den politischen Willen für wirksame Massnahmen braucht. Das Gleichstellungsgesetz ist zu verbessern und mit Sanktionsmöglichkeiten für fehlbare Arbeitgeber zu ergänzen. Mit dem Arbeitgeberverband sind wir in diesem Bereich in vier Punkten einverstanden: Die familienergänzende Kinderbetreuung ist als Service public auszubauen und für alle Familien zugänglich und bezahlbar zu gestalten – aber mit einem Betrag, der Wirkung zeigt. Wir sind einverstanden mit der Individualbesteuerung, wenn sie nicht zu steuerlichen Ausfällen führt. Wir sind für die Integration von Menschen mit Beeinträchtigung auf dem Arbeitsmarkt und wir sind für die Stärkung der Berufsbildung. Wir wollen zudem einen besseren Zugang zur Weiterbildung. Wir können uns dies alles leisten, weil viele Massnahmen sich praktisch selber finanzieren und das Geld dafür vorhanden ist.
Am Tag der Arbeit erinnern die Arbeitnehmenden weltweit daran, dass auch ihre Interessen zählen. Am Kampftag der Arbeiterbewegung tun wir das auch in der Schweiz. In einem Land, in dem eine Bank mit Milliarden staatlich gerettet wird, muss es genug Geld haben, damit auch die Arbeitnehmenden von den erwirtschafteten Gewinnen ein besseres Leben führen können. Heraus zum 1. Mai!