Mit der parlamentarischen Initiative Burkart unternimmt die Wirtschaftskommission einen neuen Anlauf zur Regelung von Homeoffice. Arbeit im Homeoffice soll dadurch für bestimmte Arbeitnehmende während 17 Stunden pro Tag und auch am Sonntag möglich sein. Damit wären die Arbeitnehmenden aber auch jederzeit für ihre Vorgesetzten erreichbar und die Trennung von Arbeits- und Privatleben würde weitgehend aufgehoben. Eine solche Deregulierung des Arbeitsrechts ist nicht akzeptabel. Neue Arbeitsformen brauchen neue Regelungen. Diese müssen aber auch den Risiken Rechnung tragen. Diesem Anspruch ist die Wirtschaftskommission bisher nicht gerecht geworden.
40% der Arbeitnehmenden arbeiten inzwischen zumindest tageweise von zu Hause aus. Damit hat sich Homeoffice als Arbeitsform nach der Pandemie etabliert. Gleichzeitig besteht für das Homeoffice keine spezifische gesetzliche Regelung. Das Arbeitsgesetz gilt zwar grundsätzlich auch im Homeoffice, es bietet hier aber keinen ausreichenden Schutz. Dies gilt insbesondere für die Frage der Erreichbarkeit. Zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmenden sollte auch diese gesetzlich klar geregelt und entsprechend eingeschränkt werden.
Arbeitnehmende beurteilen Homeoffice eher positiv
Arbeitnehmende beurteilen das Homeoffice insgesamt eher positiv. Die Arbeitszufriedenheit von Arbeitnehmenden, die auch von zu Hause aus arbeiten können, ist in der Regel höher, insbesondere dann, wenn weiterhin ein Arbeitsplatz im Betrieb zur Verfügung steht. Neben mehr Ruhe und Selbstbestimmung wird vor allem der Wegfall des Arbeitsweges als Vorteil gesehen (vgl. Barometer Gute Arbeit 2023). Die Pendeldistanzen haben in den letzten 30 Jahren deutlich zugenommen. Längere Arbeitswege wirken sich dabei tendenziell negativ auf die Arbeits- und Lebenszufriedenheit aus. Mit der Möglichkeit im Homeoffice zu arbeiten, kann dem teilweise entgegengetreten werden.
Negativ bewertet werden hingegen fehlende soziale Kontakte am Arbeitsplatz, die ständige Erreichbarkeit, die erschwerte Trennung von Privat- und Berufsleben, sowie die mangelhafte Einrichtung des Arbeitsplatzes. Hier zeigen sich neue gesundheitliche Risiken, die es ernst zu nehmen gilt.
Arbeitsgesetz liefert keine ausreichende Grundlage für Homeoffice
Das Arbeitsgesetz sieht zwar klare Arbeits- und Ruhezeiten für das Arbeiten von zu Hause aus vor. So muss die Arbeitszeit beispielsweise innerhalb eines Zeitraums von 14 Stunden liegen. Beginnt der Arbeitstag also beispielsweise um 7 Uhr morgens, so muss die Arbeitstätigkeit spätestens um 21 Uhr enden. Damit besteht bereits heute ein erheblicher gesetzlicher Spielraum für die Verteilung der Arbeit über den Tag mit bereits heute beträchtlichen gesundheitlichen Risiken für Arbeitnehmende, unabhängig von ihrem Arbeitsort.
Im Arbeitsgesetz sind zudem die Nacht- und Sonntagsarbeit verboten bzw. bewilligungspflichtig. Mit diesen Regelungen werden die Arbeitnehmenden unter anderem vor überlangen Arbeitstagen, gesundheitlich schädlicher Nachtarbeit, Sonntagsarbeit und vor über einen langen Zeitraum verteilten Arbeitszeiten bis zu einem gewissen Grad geschützt.
In der Praxis ist aber gerade im Homeoffice oft nicht klar, wann innerhalb dieser 14 Stunden tatsächlich gearbeitet wird und wo die Ruhezeiten liegen. So ist es möglich, dass der Chef auch um 20 Uhr noch eine Rückmeldung auf eine Mail erwartet oder eine Mitarbeiterin telefonisch erreichen möchte. In der Folge verschwimmen die Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben, die Erholungszeiten verkürzen sich und die Planbarkeit der Arbeit wird erschwert. Eine Regelung der Frage der Erreichbarkeit ist deshalb für den Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmenden im Homeoffice von zentraler Bedeutung.
Einseitige Liberalisierung auf Kosten der Gesundheit
Die parlamentarische Initiative Burkart sieht nun vor, dass der Zeitraum der Tages- und Abendarbeit für Arbeitnehmende, die ihre Arbeitszeit zu einem wesentlichen Teil selber bestimmen können, von heute 14 auf 17 Stunden erhöht wird. Somit könnte der Arbeitstag um 6 Uhr morgens beginnen und müsste spätestens um 23 Uhr enden. Die Arbeitszeit könnte somit im Homeoffice über den ganzen Tag verteilt werden. Zudem würde die Sonntagsarbeit ohne Bewilligung möglich. Arbeitsfrei wäre dann nur noch die Nacht. Problematisch an der Vorlage sind insbesondere folgende Punkte:
- Die Vorlage lässt offen, wann Arbeitnehmende im Homeoffice sind und wann sie nicht arbeiten. Damit können Vorgesetzte grundsätzlich immer davon ausgehen, dass Arbeitnehmende im Homeoffice arbeiten, wenn sie nicht im Büro sind. Ohne eine Definition von Homeoffice wird so die Entgrenzung der Arbeit auf die Spitze getrieben.
- Mit der Ausdehnung des Zeitraums der Tages- und Abendarbeit auf 17 Stunden und der Ausdehnung der Arbeitswoche auf den Sonntag kann von Arbeitgebenden oder Vorgesetzten im Prinzip eine Erreichbarkeit an sieben Tagen in der Woche und während des ganzen Tages erwartet werden. Ohne Definition von Arbeits- und Ruhezeiten wird die permanente Erreichbarkeit gesetzlich festgeschrieben und öffnet dem arbeitsbedingten Stress und der Erschöpfung der Arbeitnehmenden Tür und Tor.
- Auch die Beschränkung der Liberalisierung auf Vorgesetzte erhöht den arbeitsbedingten Stress, da (potenziell) de ganzen Tag über Nachrichten und Aufträge an die Arbeitnehmenden verschickt werden. Die Arbeitnehmenden müssen damit immer auf eine potenzielle Kontaktaufnahme durch den Chef oder die Chefin vorbereitet sein. Die Koordination der Arbeitszeiten, d.h. klare und vor allem gemeinsame Arbeits- und Ruhezeiten, ist deshalb für die Erholung der Arbeitnehmenden von enormer und in Zeiten der Digitalisierung wachsender Bedeutung.
Die parlamentarische Initiative Burkart ist somit ein einseitiges Liberalisierungsprojekt, das in erster Linie die Möglichkeiten der Arbeitgebenden zur Verlängerung des Arbeitstages im Auge hat. Die veränderten Schutzbedürfnisse und die Anforderungen an einen zeitgemässen Gesundheitsschutz bleiben dabei auf der Strecke. Eine Regelung von Homeoffice erfordert weit mehr, als die Möglichkeit, jederzeit zu arbeiten. Sie muss auch klare Grenzen definieren, damit Arbeitnehmende nicht immer (potenziell) arbeiten müssen und ihre Arbeitstätigkeit planen können.
Homeoffice regeln, aber richtig
Eine gesetzliche Regelung von Homeoffice erfordert zunächst eine Definition. So kann geklärt werden, wann Arbeitnehmende zu Hause arbeiten und Leistungen für den Arbeitgeber erbringen und wann sie nicht arbeiten. Ohne Definition von Homeoffice im Gesetz besteht die Gefahr, dass Arbeitnehmende aus Sicht des Arbeitgebers immer im Homeoffice sind, wenn sie sich nicht im Betrieb befinden. Zudem müssen die Arbeits- und Ruhezeiten zwischen Arbeitgebern bzw. Vorgesetzten und Arbeitnehmenden geklärt werden. Dies kann dadurch geschehen, dass in den Betrieben unter Mitwirkung der Arbeitnehmenden oder ihren Vertretungen Homeoffice-Reglemente erarbeitet werden. Darin sollen unter anderem Regelungen zum Einsatz und Umfang von Homeoffice, zur Erreichbarkeit, zu den wöchentlichen Arbeitszeiten, der Arbeitszeiterfassung, den täglichen Ruhezeiten und den Entschädigungen für die privaten Kosten für die Einrichtung des Arbeitsplatzes festgelegt werden. Diese Homeoffice-Reglemente können von Arbeitsinspektoren auf ihre Gesetzeskonformität überprüft werden.
Zusätzlich sollen in Betrieben unter Mitwirkung der Arbeitnehmenden oder ihrer Vertretung Massnahmen erarbeitet werden müssen, welche sicherstellen, dass die Arbeits- und Ruhezeiten auch effektiv eingehalten werden. Dazu gehören beispielsweise Massnahmen zum Umgang mit dem Mailversand. Dadurch bleiben die Reglemente nicht nur eine Formalität, sondern es wird aktiv eine Betriebskultur gefördert, in der Freiräume, Erwartungshaltungen und Gesundheitsschutz in Einklang gebracht werden.
Eine Ausdehnung der Arbeitszeit sowie bewilligungsfreie Sonntagsarbeit sind hingegen aus Sicht des Gesundheitsschutzes weder notwendig noch vertretbar. Dies, weil gemeinsame Arbeits- und Ruhezeiten gerade durch die Digitalisierung sowohl für die Arbeit, als auch für familiäre und private Verpflichtungen von zentraler und zunehmender Bedeutung sind.
Fazit: Homeoffice regeln heisst Grenzen setzen, Planbarkeit erhöhen und Erholung ermöglichen
Die Wirtschaftskommission wird mit der parlamentarischen Initiative Burkart versuchen, Homeoffice für einen wesentlichen Teil der Arbeitnehmenden neu zu regeln. Aufgrund der selbst geschaffenen Ausgangslage besteht die Gefahr einer mehr als einseitigen Regelung zugunsten der Arbeitgebenden mit erheblichen Risiken für die Gesundheit der Arbeitnehmenden. Damit wird sie den Herausforderungen der neuen Arbeitsform nicht gerecht und verpasst eine Chance für eine Modernisierung des Arbeitsrechts, die diesen Namen auch verdient.