Stress und Dauerbelastung erschöpfen die Arbeitnehmenden
Medienmitteilung
Mit dem «Barometer Gute Arbeit» misst Travail.Suisse jährlich die Qualität der Arbeitsbedingungen in der Schweiz. Die repräsentativen Ergebnisse 2024 zeigen deutlich das Ausmass von Stress und Belastung in der Arbeitswelt. Sechs von sieben Arbeitnehmenden sind gelegentlich nach dem Arbeitstag zu erschöpft, um sich noch um private oder familiäre Angelegenheiten zu kümmern – der Anteil der dauerhaft Erschöpften ist mit rund einem Drittel aller Arbeitnehmenden auf einem Höchststand. Bei der Förderung der Weiterbildung zeigt sich ein stärkeres Engagement der Arbeitgebenden – allerdings mit grossen Unterschieden je nach Unternehmensgrösse und Beschäftigungsgrad der Arbeitnehmenden.
Der «Barometer Gute Arbeit», ein Kooperationsprojekt von Travail.Suisse, dem unabhängigen Dachverband der Arbeitnehmenden, und der Berner Fachhochschule, liefert seit 2015 mittels einer repräsentativen Umfrage bei Schweizer Arbeitnehmenden repräsentative Ergebnisse zur Qualität der Arbeitsbedingungen in der Schweiz und ihren Veränderungen. Die Kernergebnisse 2024 präsentieren sich wie folgt:
Stress und Erschöpfung der Arbeitnehmenden sehr hoch und zunehmend
Stress hat sich in den letzten Jahren als grösstes Problem der Arbeitswelt manifestiert. Der Anteil der stark gestressten Arbeitnehmenden steigt kontinuierlich und die Erschöpfung breitet sich aus. Eine überwältigende Mehrheit von 84,2 Prozent der Arbeitnehmenden ist gelegentlich nach der Arbeit zu erschöpft um sich noch um private oder familiäre Angelegenheiten zu kümmern. Für mehr als jeden und jede Dritte ist dies sogar oft oder sehr häufig der Fall. «Die Bekämpfung von Stress muss zu einer absoluten politischen Priorität werden», fordert Léonore Porchet, Vizepräsidentin von Travail.Suisse. «Wenn über 770'000 Arbeitnehmende im nächsten Jahr aufgrund von Stress ihre Stelle wechseln wollen, ist die Bekämpfung von Stress nicht nur für den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmenden, sondern auch aus volkswirtschaftlicher Sicht, unerlässlich», so Porchet.
Benachteiligung aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen als blinder Fleck
Der diesjährige «Barometer Gute Arbeit» legt einen inhaltlichen Fokus auf die gesundheitlichen Einschränkungen der Arbeitnehmenden. Die Ergebnisse zeigen, dass jeder und jede Dritte von Einschränkungen betroffen ist, rund die Hälfte der Betroffenen fühlt sich dadurch bei der Arbeit eingeschränkt. Auffällig ist, dass selbst bei Arbeitnehmenden, die sich stark eingeschränkt fühlen, bei mehr als zwei Dritteln keine Anpassung der Arbeit oder des Arbeitsplatzes erfolgt ist. Als Folge davon beurteilen Arbeitnehmende mit einer gesundheitlichen Einschränkung die Qualität der Arbeitsbedingungen durchgehend schlechter als ihre gesunden Kolleginnen und Kollegen. «Arbeitnehmende mit gesundheitlichen Einschränkungen sind ein blinder Fleck in der Beurteilung des Arbeitsmarktes – dies zeigt sich auch daran, dass eine Benachteiligung aufgrund einer gesundheitlichen Einschränkung häufiger vorkommt als aufgrund anderer Merkmale wie Migrationshintergrund oder Geschlecht», stellt Gabriel Fischer, Leiter Bildungspolitik bei Travail.Suisse, fest.
Grosse Unterschiede bei der Weiterbildungsförderung, wenig hilfreiche Mitarbeitergespräche
In der diesjährigen Befragung wurde ebenfalls ein Fokus im Bereich Weiterbildung aus dem Jahr 2019 wiederholt, dies erlaubt das Aufzeigen von Entwicklungen. Stark verändert hat sich die Form der Weiterbildung. Während klassische Kurse sowie Seminare und Tagungen stark abgenommen haben, sind Online-Lehrgänge und selbständiges Lernen stark gestiegen – Covid-19 scheint hier deutliche Spuren hinterlassen zu haben. Die Unterstützung der Weiterbildungsbemühungen der Arbeitnehmenden durch die Arbeitgebenden nimmt zu – zumindest was die Anrechenbarkeit an die Arbeitszeit betrifft. Nicht verändert hat sich hingegen der Anteil der Kostenübernahme. «Fast die Hälfte aller Arbeitnehmenden erhält keine oder nur eine teilweise finanzielle Unterstützung für ihre Weiterbildungsbemühungen. Es braucht eine Weiterbildungsoffensive, die Unterstützung bei den direkten und indirekten Kosten muss ausgebaut werden», fordert Adrian Wüthrich, Präsident von Travail.Suisse. Die vorgeschlagene Aufhebung des Weiterbildungsgesetzes im Rahmen der Aufgaben- und Subventionsüberprüfung ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse völlig falsch. Auch die Mitarbeitendengespräche könnten bei der Weiterbildung eine wichtige Rolle spielen, aber lediglich mit jeder und jedem vierten Arbeitnehmenden wird das Thema im Mitarbeitendengespräch überhaupt thematisiert.