Sonntagsverkauf: Erneute Liberalisierung am Volkswillen vorbei
Der Nationalrat hat heute der Motion Nantermod zugestimmt. Sie fordert, dass kleine Lebensmittelläden neu auch am Sonntag Arbeitnehmende beschäftigen dürfen. Damit setzt das Parlament seine Liberalisierungsbestrebungen gegen den Volkswillen fort. Travail.Suisse, der unabhängige Dachverband der Arbeitnehmenden verurteilt die anhaltenden Angriffe auf den arbeitsfreien Sonntag.
Der Nationalrat hat heute die Motion Nantermod (22.4331) angenommen. Sie fordert, dass das Arbeitsgesetz dahingehend geändert wird, dass in kleinen Lebensmittelläden neu auch am Sonntag Arbeitnehmende beschäftigt werden dürfen. Damit erfolgt aus dem Parlament ein nächster Angriff auf den arbeitsfreien Sonntag.
Bereits heute bestehen im Verkauf für die Arbeitnehmenden überdurchschnittlich belastende Arbeitsbedingungen. Wenig Mitbestimmungsmöglichkeiten, atypische Arbeitszeiten und anhaltend tiefe Löhne tragen dazu bei. «Der arbeitsfreie Sonntag ist für die Erholung des Verkaufspersonals besonders wichtig und als gemeinsame Zeit für Familie oder Freunde», so Thomas Bauer, Leiter Wirtschaftspolitik Travail.Suisse. Bereits heute bestehen zudem für die Sonntagsarbeit im Verkauf weitgehende Ausnahmen: Verkaufsläden in Bahnhöfen, Kioske an öffentlichen Strassen und Plätzen, Tankstellenshops an Hauptverkehrslinien, Bäckereien, Konditoreien, Confiserien, Blumenläden, Läden in Tourismusgebieten oder Läden in grenznahen Einkaufszentren. «Mit den heutigen Ausnahmen sind die Bedürfnisse der Konsumentinnen und Konsumenten mehr als abgedeckt», meint Thomas Bauer.
Auch aus ökonomischer Sicht ist die stetige Ausdehnung der Sonntagsarbeit im Verkauf unsinnig. «Der Konsum hängt ab vom Einkommen und nicht von den Öffnungszeiten. Eine Ausdehnung der Öffnungszeiten senkt deshalb nicht nur die Produktivität, sondern verschärft auch den Fachkräftemangel», so Thomas Bauer.
Die Angriffe aus dem Parlament auf den arbeitsfreien Sonntag haben sich in den letzten Monaten erneut verstärkt. Dies, obwohl seine Bedeutung für die Arbeitnehmenden stetig wächst. Die Arbeitswelt wird immer schneller, flexibler und grenzenloser. Inzwischen fühlen sich 37% der Arbeitnehmende am Ende des Arbeitstags so erschöpft, dass sie keine Kraft mehr haben um sich um private oder familiäre Angelegenheiten zu kümmern. Dies zeigen die neusten Resultate des «Barometer Gute Arbeit». Im letzten Jahrzehnt haben sich auch als Folge davon die krankheitsbedingten Arbeitsabsenzen um 50% erhöht. Mit zwei Wochen pro Jahr sind die krankheitsbedingten Ausfälle nicht zuletzt im Detailhandel überdurchschnittlich hoch.
Positiv beurteilt Travail.Suisse hingegen, dass mit der Motion eine Gesetzesänderung angestrebt wird. Dadurch wird ein Referendum gegen die Vorlage möglich. Bisher hat sich die Stimmbevölkerung in kantonalen Abstimmungen meist sehr kritisch zu einer Ausdehnung der Ladenöffnungszeiten geäussert, so zuletzt im Kanton Wallis am 3. März 2024. Die kantonalen Abstimmungen sprechen dafür, dass das Parlament am Volkswillen vorbeipolitisiert.