Barometer-Umfrage: Stress der Arbeitnehmenden bleibt auf sehr hohem Niveau
Erste Ergebnisse aus der diesjährigen Befragung zu den Arbeitsbedingungen «Barometer Gute Arbeit» zeigen die Auswirkungen des Fachkräftemangels auf die Arbeitnehmenden. Mit dem sich zuspitzenden Fachkräftemangel sinkt die Angst vor Arbeitsplatzverlust, gleichzeitig bleiben Arbeitsbelastung und Stress in einem kritischen Bereich. Die Ergebnisse der Umfrage werden am 2. November im Rahmen einer Medienkonferenz veröffentlicht.
Mit dem «Barometer Gute Arbeit» erhebt Travail.Suisse, der unabhängige Dachverband der Arbeitnehmenden, in Kooperation mit der Berner Fachhochschule (BFH) jährlich Daten zur Arbeitszufriedenheit der Arbeitnehmenden in der Schweiz. Die repräsentativen Ergebnisse beleuchten die Qualität der Arbeitsbedingungen in der Schweiz und ihre Veränderungen. Die Bewertung der Arbeitsbedingungen erfolgt durch die Arbeitnehmenden selbst und richtet sich dabei an der Kernfrage nach einer guten Arbeit im Sinne von zukunftsfähiger Arbeit aus. Zukunftsfähige Arbeit muss die Gesundheit schützen, die Motivation erhalten und den Arbeitnehmenden eine gewisse Beschäftigungssicherheit vermitteln. Erste Resultate für das Jahr 2023 zeigen: Stress und Arbeitsbelastung bleiben weiterhin besorgniserregend hoch, gleichzeitig führen die tiefe Arbeitslosigkeit und der spürbare Arbeitskräftemangel zu einer deutlich abnehmenden Angst vor einem Stellenverlust.
Arbeitskräftemangel vermindert Angst vor Stellenverlust
Die diesjährige Erhebung lässt vermuten, dass sich die Perspektiven der Arbeitnehmenden auf dem Arbeitsmarkt verbessert haben. Vor allem die kurzfristige sowie die mittelfristige Perspektive bezüglich der Jobsicherheit hat in den letzten Jahren zugenommen – die Sorgen um den unmittelbaren Arbeitsplatzverlust sind gesunken. Zusätzlich erachten die Befragten dieses Jahr ihre Arbeitsmarktmobilität als einfacher und haben häufiger das Gefühl, einen vergleichbaren Job zu finden im Fall eines freiwilligen oder unfreiwilligen Stellenverlusts. Dies lässt sich auf den zunehmenden Arbeitskräftemangel zurückführen.
Stress nimmt weiter zu
Erste Auswertungen zeigen, dass die Arbeitsbedingungen in Bezug auf den Schutz der Gesundheit auch dieses Jahr erneut schlecht ausfallen. Insbesondere die Aspekte Stress und psychische Belastung sind die am schlechtesten bewerteten Aspekte der Arbeitsbedingungen. Fast alle Arbeitnehmenden fühlen sich zumindest teilweise durch ihre Arbeit gestresst und der Anteil der Arbeitnehmenden, der sich häufig gestresst fühlt, ist mit über 40 Prozent weiterhin erschreckend hoch. Gleichzeitig ist Arbeit in der Freizeit bei den Befragten weit verbreitet und fast die Hälfte der Befragten leistet oft oder sehr häufig Überstunden. Obschon der Präsentismus während der Covid-Pandemie stark zurückgegangen ist, erlebte er nach 2021 wieder einen Anstieg. 2023 erreicht er mit einem Anteil von 31.6 Prozent der Arbeitnehmenden, die oft oder sehr häufig trotz Krankheit arbeiten, wieder einen vorläufigen Höhepunkt.
Unzureichende Gestaltungs- und Entwicklungsmöglichkeiten
Der bisher positive Trend bezüglich der Gestaltungs- und Entwicklungsmöglichkeiten am Arbeitsplatz scheint sich nach ersten Auswertungen dieses Jahr nicht fortzusetzen. Die Mehrheit der Arbeitnehmenden hat keinen oder kaum Einfluss auf die Arbeitsmenge und auch der Anteil der Befragten, welcher keinen oder sehr eingeschränkten Einfluss auf die Arbeitszeiten hat, scheint zugenommen zu haben. Weiter wurden die Arbeitnehmenden auch dieses Jahr zu ihren Weiterbildungsmöglichkeiten und deren Förderung befragt. Die diskriminierenden Effekte bei einzelnen Gruppen von Arbeitnehmenden konnten bestätigt werden. Während knapp 60 Prozent der Vollzeitangestellten in ihrer beruflichen Weiterbildung gefördert werden, sind es bei den Teilzeitangestellte nur rund 47 Prozent.
Gleichstellungsgesetz ungenügend umgesetzt
Bis zum 30. Juni mussten Unternehmen ab 100 Beschäftigten ihre Löhne auf eine Diskriminierung zwischen Frauen und Männern analysiert, revidiert und die Resultate ihren Angestellten kommuniziert haben. Zum dritten Mal in Folge wurden im «Barometer Gute Arbeit» Fragen zu Lohngleichheit gestellt. Überraschend lässt sich ein negativer Trend bei der Einhaltung der Lohngleichheit feststellen. Aufgrund der weiterhin mangelhaften Umsetzung des Gleichstellungsgesetzes und fehlender Sanktionen für die Unternehmen haben sich Travail.Suisse, der unabhängige Dachverband der Arbeitnehmenden, und seine Verbände deshalb entschieden, Unternehmen, welche gegen das Gleichstellungsgesetz verstossen, über die Plattform RESPECT8-3.CH auf einer Schwarzen Liste aufzuführen. Arbeitnehmende können Unternehmen, welche ihren gesetzlichen Verpflichtungen nicht nachkommen, anonym melden. Bestätigt sich der Verdacht, wird das Unternehmen so lange auf der öffentlich einsehbaren Schwarzen Liste aufgeführt, bis es seine Verfehlung korrigiert hat.
Das Barometer zeigt des Weiteren Unterschiede in Bezug auf die Einhaltung des Gleichstellungsgesetzes in verschiedenen Branchen auf. Diese Branchenunterschiede bei der Lohndiskriminierung zwischen den Geschlechtern sowie die gesamten Ergebnisse des «Barometer Gute Arbeit» 2023 werden an der Medienkonferenz vom 2. November präsentiert.
Mehr Informationen zum «Barometer Gute Arbeit» finden Sie «hier»