Arbeitsbedingungen im europäischen Vergleich: ein Drittel der Arbeitnehmenden in der Schweiz ist erschöpft
Nirgends in Europa arbeiten Arbeitnehmende mit einer derart hohen Intensität wie in der Schweiz und nirgends in Europa arbeiten derart viele Arbeitnehmende in der Freizeit, um die Arbeitsanforderungen erfüllen zu können. Die Folge davon: Mehr als ein Drittel der Arbeitnehmenden war bereits vor dem wirtschaftlichen Aufschwung erschöpft. Dies zeigen die Resultate der Europäischen Erhebung über die Arbeitsbedingungen. Insbesondere in Berufen und Branchen, in denen sich verschiedene belastende Faktoren bei der Arbeit kumulieren, besteht dringender Handlungsbedarf.
Der europäische Vergleich zeigt, dass die Arbeitsintensität und der Termindruck bereits zu Beginn des intensiven wirtschaftlichen Aufschwungs nirgends so hoch war wie in der Schweiz. 59% der Arbeitnehmenden gaben an, oft oder immer mit einem hohen Arbeitstempo zu arbeiten. Damit lag die Schweiz deutlich über dem europäischen Durchschnitt von 49%. Auffällig ist zudem, dass 36% der Arbeitnehmenden angeben, in der Freizeit arbeiten zu müssen, damit sie die Arbeitsanforderungen erfüllen können. Damit liegt die Schweiz bei den Überstunden weit über dem europäischen Durchschnitt. Die Folge davon zeigt sich unter anderem bei der Erschöpfung. Ein Drittel der Arbeitnehmenden gibt an, dass sie körperlich oder emotional erschöpft sind. Damit bestätigt die europäische Erhebung die Resultate des «Barometer Gute Arbeit», einer jährlich durchgeführten repräsentativen Umfrage von Travail.Suisse in Zusammenarbeit mit der Berner Fachhochschule. «Der hohe Anteil an erschöpften Arbeitnehmenden ist ein Alarmzeichen. Die stetig wachsende Intensität in der Arbeitswelt erfordert mehr Ruhezeiten und Erholung», so Thomas Bauer, Leiter Wirtschaftspolitik bei Travail.Suisse. Mit der hohen Arbeitsbelastung verbunden sind häufig körperliche Beschwerden. So geben 54% der Arbeitnehmenden an, dass sie unter Rückenschmerzen leiden, 56% der Arbeitnehmenden leiden an Muskelschmerzen und 51% der Arbeitnehmenden an Kopfschmerzen. Auch dies sind klare Zeichen dafür, dass die Belastungen in verschiedenen Berufen eindeutig zu hoch sind.
Dringender Handlungsbedarf besteht insbesondere in Berufen und Branchen, in denen sich hohe Arbeitsbelastungen und wenig Freiräume bei der Arbeit kumulieren: «Kaum planbare Arbeitszeiten, überlange Arbeitstage, viele Überstunden, wenig Ferien und hohe körperliche und psychische Belastungen bei der Arbeit sind Gift für die Gesundheit der Arbeitnehmenden. Hier braucht es in den Gesamtarbeitsverträgen, aber auch auf Gesetzesebene, deutliche Verbesserungen und entsprechende Kompensationen zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmenden», so Thomas Bauer.
Bereits im Mai haben Travail.Suisse und seine Verbände in zehn Handlungsfeldern Massnahmen gefordert, um dem Stress und der Erschöpfung der Schweizer Arbeitnehmenden entgegen zu treten, insbesondere in den Bereichen Ruhezeiten, Planbarkeit und geringere Flexibilität.