Travail.Suisse-Kongress: Arbeit schafft Wert – Anerkennung jetzt
Medienmitteilung
Travail.Suisse, der unabhängige Dachverband der Arbeitnehmenden, feiert im Rahmen seines heutigen Kongresses sein 20-jähriges Bestehen. Am alle vier Jahre stattfindenden Kongress haben die Delegierten heute in Bern die Schwerpunkte für die nächsten vier Jahre verabschiedet. Im Zentrum stehen die Kaufkraftkrise, Stress und Erschöpfung am Arbeitsplatz, die Bekämpfung der Lohndiskriminierung, die Stärkung der Altersvorsorge sowie die geplanten Sparmassnahmen des Bundes.
Unter dem Titel «Arbeit schafft Wert – Anerkennung jetzt» haben die Delegierten heute die politischen Schwerpunkte des Dachverbands für die kommenden vier Jahre festgelegt. Folgende zentrale Forderungen und Positionen wurden verabschiedet:
- Travail.Suisse fordert eine Stärkung der Kaufkraft der Arbeitnehmenden durch generelle Lohnerhöhungen, eine Erhöhung der Mindestlöhne in den Gesamtarbeitsverträgen und Entlastungen bei den Krankenkassenprämien.
- Travail.Suisse wehrt sich gegen weitere Rentenaltererhöhungen, BVG-Rentenkürzungen und Reduzierung der Verwaltungskosten in der beruflichen Vorsorge. Die Altersrenten müssen den gewohnten Lebensstandard sichern können.
- Zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmenden fordert Travail.Suisse planbare Arbeitszeiten mit klaren Grenzen, keine überlangen Arbeitstage, sowie eine Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit. Bestrebungen für eine weitere Liberalisierung des Arbeitsgesetzes und einer Ausdehnung der Sonntagsarbeit sind umgehend der Riegel zu schieben.
- Travail.Suisse fordert griffige Massnahmen gegen Lohndiskriminierung durch eine Revision des Gleichstellungsgesetzes. Dafür braucht es wirksame Massnahmen zur Reduktion der Lohndiskriminierung, die Einführung einer dauerhaften und obligatorischen Lohngleichheitsanalyse für alle Unternehmen ab 50 Mitarbeitenden sowie die Abschaffung der «Toleranzschwelle» bei Lohndiskriminierung.
- Travail.Suisse fordert Massnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit durch den Schutz von Teilzeitarbeitenden, eine ausgebaute staatliche Finanzierung der familienergänzenden Kinderbetreuung und die Förderung des Wiedereinstiegs von Müttern (und Vätern).
- Travail.Suisse fordert Investitionen in die Zukunft statt unnötiger Sparmassnahmen. Die gute Finanzlage des Bundes macht Sparmassnahmen überflüssig. Der vorhandene finanzielle Spielraum muss für Ausgaben und Investitionen für das Gemeinwohl genutzt werden, u.a. für die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben, den Ausbau der öffentlichen Infrastruktur, für Bildung und Forschung und für die Energiewende.
Die Travail.Suisse-Delegierten beschlossen heute auch vier Resolutionen zu den Themen Stärkung der Kaufkraft, Stress und Erschöpfung am Arbeitsplatz, Bekämpfung der Lohndiskriminierung sowie Sparmassnahmen des Bundes beschlossen.
Schutz der Kaufkraft
Trotz einer sehr guten konjunkturellen Lage sind die Reallöhne der Schweizer Arbeitnehmenden stark gesunken. Eine vergleichbare Entwicklung hat es in der Nachkriegszeit bisher nie gegeben. Während die Produktivität stetig steigt und die Unternehmensgewinne überschiessen, sehen sich die Arbeitnehmenden mit stark steigenden Lebenshaltungskosten konfrontiert. Höhere Mieten, steigende Krankenkassenprämien und immer teurere Lebensmittel reduzieren die Kaufkraft vieler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Reallohnerhöhungen sind deshalb nicht nur verdient, sondern für viele Arbeitnehmende dringend notwendig. Auch die Kaufkraft der Rentner:innen muss erhalten werden.
- Zur Resolution «Die Krise der Kaufkraft muss überwunden werden»
Stopp dem Angriff auf die Gesundheit der Arbeitnehmenden
Die Arbeitswelt wird immer schneller und grenzenloser und die Schweiz ist darin Europameisterin. Nirgends in Europa sind die Arbeitsintensität und der Termindruck höher als bei uns und nirgendwo sonst müssen die Arbeitnehmenden so viel in ihrer Freizeit arbeiten. Das bereits extrem liberale Arbeitsgesetz wird nicht nur bis an die Grenzen ausgereizt, es soll auch noch weiter liberalisiert werden. Weniger Ruhezeiten, mehr Sonntagsarbeit und in neu gegründeten Unternehmen überhaupt kein Arbeitsgesetz mehr. Das sind die Pläne der Arbeitgebenden und ihrer Unterstützerinnen und Unterstützer im Parlament. Die Folgen davon zeigen sich bei der Gesundheit der Arbeitnehmenden. Inzwischen sind 30 bis 40 Prozent der Arbeitnehmenden nicht nur häufig bei der Arbeit gestresst, sondern erschöpft. Der hohe arbeitsbedingte Stress gefährdet die körperliche und psychische Gesundheit vieler Arbeitnehmender – das ist nicht akzeptabel! Statt die Gesundheit der Arbeitnehmenden immer mehr zu gefährden, braucht es mehr Schutz, mehr Erholung und eine bessere Planbarkeit der Arbeit.
- Zur Resolution «Stopp dem Angriff auf die Gesundheit der Arbeitnehmenden»
Griffige Massnahmen gegen Lohndiskriminierung
Zur Bekämpfung der weit verbreiteten Lohndiskriminierung sind Unternehmen ab 100 Mitarbeitenden seit der letzten Revision des Gleichstellungsgesetzes dazu verpflichtet, ihre Löhne auf systematische Diskriminierung zwischen den Geschlechtern zu überprüfen. Diese Mini-Revision betrifft aber weniger als 1% der Unternehmen in der Schweiz (5’400 Unternehmen) und weniger als die Hälfte der Arbeitnehmenden, obwohl Lohndiskriminierung vor allem in kleinen und mittleren Unternehmen verbreitet ist. Schlimmer noch, diese Bestimmung wird 2032 automatisch aus dem Gesetz verschwinden. Zudem hat die Bundesverwaltung eine «Toleranzschwelle» von 5 Prozent eingeführt. Damit gilt eine unerklärte Lohnungleichheit von bis zu 5% als akzeptabel – das ist inakzeptabel! Die Statistiken zeigen, dass die Lohndiskriminierung im Laufe der Zeit stetig zugenommen hat. Jedes Jahr fehlen den Arbeitnehmerinnen deshalb fast 8 Milliarden Franken in ihren Portemonnaies. Aus diesem Grund muss das Gleichstellungsgesetz dringend revidiert werden. Es braucht die Einführung einer dauerhaften und obligatorischen Lohngleichheitsanalyse für alle Unternehmen ab 50 Mitarbeitenden, staatliche Kontrollen und Sanktionen, die Abschaffung der «Toleranzschwelle» sowie sozialpartnerschaftlich ausgehandelte Massnahmen zur Beseitigung einer festgestellten Lohndiskriminierung.
- Zur Resolution «Appell an das neue Parlament: Das Gleichstellungsgesetz muss umgehend revidiert werden!»
Investitionen statt Sparmassnahmen
Der Bundesrat plant weitreichende Sparmassnahmen, obwohl aufgrund der tiefen Schuldenquote ausreichend finanzieller Spielraum vorhanden ist. Mit rund 15% des BIP ist die Schuldenquote des Bundes tief und liegt weit unter dem 2005 erreichten Höchststand von fast 25%. Die sehr gute Finanzlage des Bundes und der öffentlichen Hand im Allgemeinen muss genutzt werden, um in grundlegende Zukunftsaufgaben zu investieren. Es geht um unseren gegenwärtigen und zukünftigen Wohlstand und unsere Lebensqualität. Die pessimistischen Budgetprognosen des Bundes geben jenen Akteuren Auftrieb, die wollen, dass die Bevölkerung den Gürtel enger schnallt – und dies in einem Umfeld, in dem die Reallöhne sinken und die Krankenkassenprämien in die Höhe schnellen. Und es sind dieselben Leute, die gleichzeitig immer neue Steuererleichterungen für grosse Unternehmen oder Hauseigentümerinnen und -eigentümer fordern. Travail.Suisse fordert deshalb den Verzicht auf Sparprogramme und auf weitere Steuererleichterungen für Unternehmen. Stattdessen muss der finanzielle Spielraum genutzt werden für Investitionen u.a. in die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben, Forschung und Bildung, den Ausbau der öffentlichen Infrastruktur und der sozialen Sicherheit, den Abbau von Ungleichheiten und die Klimawende.
20 Jahre Travail.Suisse
Travail.Suisse wurde am 14. Dezember 2002 mit der Fusion der beiden Dachverbände Christlichnationaler Gewerkschaftsbund (CNG) und Vereinigung schweizerischer Angestelltenverbände (VSA) offiziell gegründet und nahm seine Arbeit am 1. Januar 2003 auf. Am heutigen Kongress blickten die bisherigen Präsidenten von Travail.Suisse – Hugo Fasel, Martin Flügel und Adrian Wüthrich – im Rahmen einer Podiumsdiskussion auf die letzten 20 Jahre zurück und wagten einen Blick in die Zukunft und auf die Herausforderungen, mit denen sich die Gewerkschaften konfrontiert sehen. Der Historiker Prof. Dr. Christian Koller präsentierte aus Anlass des Jubiläums eine Festschrift zur Geschichte von Travail.Suisse und seiner Vorgängerorganisationen.
Adrian Wüthrich als Präsident bestätigt
Adrian Wüthrich wurde von den Delegierten als Präsident von Travail.Suisse wiedergewählt. Er steht dem Dachverband seit 2015 vor. Ebenfalls wurden fünf neue Vorstandsmitglieder gewählt.
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