In einem zunehmend schwierigen parlamentarischen Umfeld brachte die Sommersession 2024 gemischte Ergebnisse für die Rechte der Arbeitnehmenden.
Mit der Ablehnung der parlamentarischen Initiative Hurni 23.415 «Für eine bessere Anerkennung von stressbedingten Krankheiten als Berufskrankheiten» hat der Nationalrat beispielsweise seine mangelnde Wertschätzung für die stressbedingten Belastungen am Arbeitsplatz gezeigt. Die neuen arbeitsbedingten Gesundheitsrisiken müssen sich unbedingt besser im Gesundheitsschutz und in der sozialen Sicherheit widerspiegeln! Dies zeigt der von Travail.Suisse veröffentlichte Barometer Gute Arbeit 2023: Mehr als 40% der Arbeitnehmenden sind häufig oder sehr häufig durch ihre Arbeit gestresst. Für rund 60% gehört es zur Realität, in der Freizeit zu arbeiten, und fast die Hälfte der Arbeitnehmenden leistet häufig oder sehr häufig Überstunden. Dies hat zur Folge, dass die Erschöpfung zunimmt und damit das Risiko eines Burnouts steigt. Neben den gesundheitlichen Risiken für die Arbeitnehmenden hat dies auch erhebliche Auswirkungen auf die Volkswirtschaft: Die jährliche Dauer der krankheits- oder unfallbedingten Absenzen pro Arbeitsplatz in der Schweiz ist zwischen 2010 und 2022 von 44,3 auf 65,7 Stunden gestiegen.
Die Annahme der Motion 21.3734 meiner Kollegin Greta Gysin, Präsidentin der Gewerkschaft transfair, die verlangt, dass der Vaterschaftsurlaub auch bei Totgeburt oder Tod des Kindes während der Geburt vollumfänglich gewährt wird, ist hingegen ein echter sozialer Fortschritt für Familien, die von perinataler Trauer betroffen sind. Travail.Suisse setzt sich damit weiterhin für ein umfassendes Recht auf Vaterschaftsurlaub ein.
Im Bildungsbereich wurde die BFI-Botschaft «Förderung von Bildung, Forschung und Innovation in den Jahren 2025-2028» verabschiedet, die für die Eidgenössischen Technischen Hochschulen (ETH) und die Universitäten zwischen 2025 und 2028 152 Millionen Franken vorsieht. Leider wurde gegen den Widerstand der Institutionen und der Studierendenverbände eine Verdreifachung der Studiengebühren für neue ausländische beschlossen. Angesichts der Tatsache, dass fast 70 Prozent der ausländischen Studierenden, die in der Schweiz ausgebildet werden, nach ihrem Studium in der Schweiz bleiben, könnte diese Erhöhung der Studiengebühren zu einer weiteren Verschärfung des Fachkräftemangels führen. Der Entscheid zeugt auch von einer Haltung der Abschottung und des Misstrauens gegenüber dem Fremden und der höheren Bildung. An der Front der Berufsbildung und der Stärkung der Berufsberatung, einem Steckenpferd von Travail.Suisse, ist die Annahme der Motion Nicolet 23.4102 zu begrüssen. Eine zugängliche und qualitativ hochstehende Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung ist in einem immer komplexeren Arbeitsmarkt mit einem beschleunigten Strukturwandel, von zentraler Bedeutung. Der Nationalrat hat zudem ein Postulat der WBK-N angenommen, das eine verstärkte Unterstützung der beruflichen Weiterbildung und Umschulung zur Förderung des Wiedereinstiegs in den Arbeitsmarkt fordert. Dieses Postulat ersetzt leider die Motion Maret 23.3699, die vorschlug, in einem Pilotprojekt mit freiwilligen Kantonen gezielte finanzielle Unterstützungen zu testen, was eine grössere Wirkung gehabt hätte.
Trotz dieser Schwierigkeiten ist der Wille der Vertreterinnen und Vertreter der Arbeitnehmenden im Parlament natürlich ungebrochen! Aber die Verhärtung des bürgerlichen Blocks im Parlament nach den letzten eidgenössischen Wahlen erfordert eine neue Aufmerksamkeit für überparteiliche Allianzen. Wir müssen Kompromisse finden, um die Sache all derer voranzutreiben, die mit zu tiefen Löhnen und schwindender Kaufkraft zu kämpfen haben. Die nächste Abstimmung über die BVG-Reform im September 2024 wird ebenfalls ein wichtiger Moment sein.