Am 14. September 2019 findet in Bern der Kongress von Travail.Suisse, dem unabhängigen Dachverband der Arbeitnehmenden, statt. Er steht unter dem Motto „Gute Arbeit mitgestalten“. In Zeiten von einseitigen Flexibilisierungswünschen der Arbeitgeber, von Angriffen auf das Arbeitsgesetz und von Unsicherheiten, die die Digitalisierung der Arbeitswelt mit sich bringt, ist es wichtig die Stimme der Arbeitnehmenden einzubringen. Höhepunkte sind die Ansprache von Bundesrätin Simonetta Sommaruga und der Auftritt des Generalsekretärs des Europäischen Gewerkschaftsbundes Luca Visentini.
Die Delegierten der zehn Mitgliedsorganisationen von Travail.Suisse treffen im Berner Hotel National, um die politischen Positionen für die kommende Legislatur zu diskutieren und zu beschliessen. Der letzte Kongress vor vier Jahren stand im Zeichen des Präsidentenwechsels – Adrian Wüthrich wurde als Nachfolger von Martin Flügel, der Travail.Suisse acht Jahre geführt hat, gewählt. 2019 stellt sich Adrian Wüthrich zur Wiederwahl. Mittlerweile Mitglied des Nationalrates und der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK) kann er für Travail.Suisse am Puls des politischen Geschehens wirken. Die neue Chefin des Departementes für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation, Bundesrätin Simonetta Sommaruga, wird die Delegierten von Travail.Suisse und die zahlreichen Gäste den Puls der eidgenössischen Politik ebenfalls spüren lassen.
„Gute Arbeit mitgestalten“ als Motto für die kommende Legislatur
Für den Kongress 2019 hat sich der Vorstand von Travail.Suisse an seiner Klausur auf das Megathema Digitalisierung vorbereitet und sich mit den Herausforderungen des digitalen Wandels für die Arbeitnehmenden befasst. Der technologische Fortschritt verändert Gesellschaft und Lebenswelt. Dabei fällt auf, dass bei diesem schleichenden Prozess die Zivilgesellschaft wenig Mitsprachemöglichkeit hat. Auch die Politik schaut zu oft machtlos zu und lässt die Technologieunternehmen gewähren lässt. Travail.Suisse will mit dem Motto „Gute Arbeit gestalten“ über den Kongress hinaus klar machen, dass die Arbeitnehmenden mitsprechen wollen. Die Digitalisierung muss gestaltet werden und die Arbeitnehmenden wollen eine Stimme erhalten. Die technologischen Innovationen haben oft zum Ziel, effizientere Abläufe und Produktionsprozesse einzuführen. Die Interessen der Angestellten und Arbeitnehmenden werden dabei nicht gebührend berücksichtigt.
Im Gegenteil: Mit dem Argument der Digitalisierung wird die Arbeitszeiterfassung als altmodisch und unnötig angegriffen. Dass damit letztlich Gratisarbeit in Millionenhöhe gefördert wird, wird gerne verschwiegen. Auch Homeoffice wird als modern dargestellt und von vielen Arbeitnehmenden gerne genutzt. Aber dass damit Arbeits- und Freizeit langsam vermischt werden und zu neuen Problemen führen kann, muss aufgezeigt werden. Travail.Suisse will ein Sprachrohr der Arbeitnehmerschaft in der nationalen Politik sein und die Zukunft der Arbeit mitgestalten. Beispielsweise hat Travail.Suisse bei Bundesrat Guy Parmelin interveniert und gefordert, dass die Gewerkschaften und Personalverbände im 2017 vom Bundesrat geschaffenen Beirat „Digitale Transformation“ eingebunden werden. In diesem Beratungsgremium sind Wirtschaft und Wissenschaft vertreten, nicht aber die Vertretungen der Zivilgesellschaft. Um eine vielseitige Sichtweise auf die Digitalisierung zu erlauben und die Berücksichtigung der Interessen der Bevölkerung in der Entscheidungsfindung zu gewährleisten, ist es für Travail.Suisse unumgänglich, im Beirat „Digitale Transformation“ Einsitz zu erhalten. Zum jetzigen Zeitpunkt befinden sich ausschliesslich Spitzenvertretende aus der Wirtschaft, der Forschung und der Technologie im Beirat, was die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung nicht repräsentiert. Für die Digitalisierung ist es entscheidend, dass ein vertrauensvoller Einsatz der neuen Technologien erfolgt. Immerhin will Bundesrat Guy Parmelin die Zusammensetzung des Beirats in den kommenden Monaten überdenken.
Bildung als Schlüssel zum Erhalt der Arbeitsmarktfähigkeit
Natürlich führt die Digitalisierung nicht nur zu Problemen. Neue Technologien helfen uns jeden Tag das Privat- und das Arbeitsleben angenehmer zu machen. Auch von einem plötzlichen Verlust vieler Arbeitsplätze wurde die Arbeitswelt bisher verschont. Sind Berufe verschwunden, entstanden dafür neue Berufsbilder. Doch um diesen Wandel bewältigen zu können, müssen die Arbeitnehmenden ihre Kompetenzen ständig anpassen und erweitern. Genügte lange Zeit eine Berufslehre, um eine berufliche Karriere bis zur Pension zu bewältigen, so gehört heute die Weiterbildung bei den meisten Arbeitnehmenden zum Standard. In einigen Gesamtarbeitsverträgen sind bereits unterstützende Massnahmen integriert. Für Travail.Suisse sind die Erlangung und der Erhalt der Arbeitsmarktfähigkeit aller Arbeitnehmenden von entscheidender Bedeutung in diesem Prozess. Dabei stehen neben den Arbeitnehmenden selber auch die Arbeitgeber und der Staat in der Pflicht. Am Kongress werden Vertreterinnen und Vertreter aus verschiedenen Verbänden ihre Massnahmen und Forderungen dazu präsentieren. In der kommenden Legislatur wird Travail.Suisse in Zusammenarbeit mit den Mitgliedsverbänden konkrete politische Forderungen erarbeiten. Die Politik muss die Digitalisierung gestalten und darf nicht Befehlsempfängerin der Wirtschaft werden.
Gute Arbeit mitgestalten: Positionen und Forderungen an die Politik
Vor der inhaltlichen Debatte über das neue Kongressdokument wird Luca Visentini, der Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsbundes, zum Thema Schutz von Löhnen und Arbeitsbedingungen in der Schweiz und in sprechen und die Kongressteilnehmenden auf die inhaltlichen Auseinandersetzungen einstimmen. Die Delegierten, die Geschäftsleitung von Travail.Suisse und alle Interessierten werden sich über die inhaltliche Positionierung von Travail.Suisse unterhalten und so die wichtigen Weichenstellungen für die Legislatur von 2019 bis 2023 vornehmen.