Die Lohnverhandlungen 2013 spielten sich vor dem Hintergrund einer leichten wirtschaftlichen Dämpfung ab. Die rückläufige Teuerung von 0.7 Prozent hat zur Folge, dass sich die Kaufkraft der Arbeitnehmenden mit gleich bleibendem Lohn automatisch erhöht. Im nächsten Jahr steigen deshalb die Löhne auf zwischen 0.7 und 2 Prozent. Für Travail.Suisse, den unabhängigen Dachverband von 170’000 Arbeitnehmenden, bleibt der Wermutstropfen, dass kaum generelle Lohnerhöhungen erreicht werden konnten.
Seit Anfang August, als Travail.Suisse und die angeschlossenen Verbände Syna, transfair und Hotel & Gastro Union die Lohnrunde 2013 einläuteten, hat das SECO die Wachstumsprognosen von 1.4 auf ein Prozent leicht nach unten korrigiert. Fürs kommende Jahr bleiben die Wachstums-aussichten mit 1.3 Prozent erfreulich. Auch die Arbeitslosigkeit ist saisonbereinigt weniger stark gestiegen als erwartet, und die Beschäftigung nahm weiter zu. Die Teuerungserwartung fürs laufende Jahr sank auf minus 0.7 Prozent und moderate plus 0.2 Prozent im 2014.
Schweizer Wirtschaft behauptet sich gut in widrigem Umfeld
Die Konjunkturlage in der EU hat sich seit dem Sommer weiter verschlechtert, die Konjunkturerholung der US-Wirtschaft verläuft weiterhin schleppend. Umso positiver ist es, dass die Schweizer Volkswirtschaft im schwierigen weltwirtschaftlichen Umfeld sehr robust bleibt. Allerdings gibt es weiterhin zwei gegenläufige Entwicklungen. Einerseits kämpfen die Exportindustrie und der Tourismus mit der abgeschwächten Auslandnachfrage und dem nach wie vor starken Franken. Ausnahmen sind die Pharma- und Uhrenindustrie, welche sich robust behaupten. Andererseits läuft es in der Binnenwirtschaft weiterhin sehr gut. Die Baubranche brummt, und auch der Detailhandel scheint sich von seiner letztjährigen Schwäche zu erholen. Zum guten Abschneiden trägt vor allem der starke private Konsum bei, die wichtigste Wachstumsstütze unserer Volkswirtschaft.
Massvolle und differenzierte Forderungen für die Lohnrunde 2013 von 1 bis 2.5 Prozent
Die Verbände von Travail.Suisse präsentierten im August realistische und differenzierte Forderungen, die es erlauben, den unterschiedlichen wirtschaftlichen Situationen der Branchen und Unternehmen Rechnung zu tragen. Die gestellten Lohnforderungen beliefen sich auf 1 bis 2.5 Prozent real, inklusive der Minusteuerung von 0.7 Prozent. Die Lohnrunde 2013 wollten die Verbände nutzen, um längst fällige Korrekturen vorzunehmen: die Lohngleichheit zwischen Frau und Mann umsetzen und die Mindestlöhne erhöhen. Weiteres Verhandlungsziel war, vorwiegend generelle und reguläre Lohnerhöhungen auszuhandeln.
Zähe Verhandlungen 2013: grössenteils zufriedenstellende Lohnrunde
Mit der sich etwas abschwächenden Konjunktur und der Negativteuerung gestalteten sich die Lohnverhandlungen zäh. Die hohe Minusteuerung wirkte sich bremsend auf die Lohnrunde aus. Insgesamt konnten mehrheitlich zufriedenstellende Lohnergebnisse erreicht werden. Unergiebig waren die Verhandlungen beim Korrekturbedarf der Frauen- und Mindestlöhne. Dort sind die erzielten Resultate enttäuschend. Die erreichten Lohnabschlüsse haben sich die Arbeitnehmenden mit ihrem unermüdlichen und grossen Einsatz mehr als verdient; denn steigendes Tempo und Termindruck, Multitasking und immer höhere Flexibilitätsansprüche beherrschen ihren Arbeitsalltag.
Resultate zwischen 0.7 und 2 Prozent: Die Resultate der Lohnrunde 2013 bewegen sich zwischen 0.7 und 2 Prozent. Durch die Minussteuerung von 0.7 Prozent haben alle Arbeitnehmenden einen Kaufkraftgewinn.
Nur wenige Mindestlöhne erhöht: In diesem Jahr werden die Mindestlöhne im Reinigungsgewerbe um 2.4 Prozent (Deutschschweiz) bzw. 2 Prozent (Westschweiz) steigen. Auch im Detailhandel (bei Coop und z.T. Valora) steigen mit plus 100 Franken die Mindestlöhne deutlich. Um mindestens 1 Prozent steigen die Mindestlöhne bei den Bäckern, den Reisartikel- und Lederwarenfabrikanten und den Herrenschneidern. Enttäuschend ist die Mindestlohnentwicklung besonders im Gewerbe. Mit Ausnahme der Carrosseriebranche (plus 75 Franken), des Bauhauptgewerbes (plus 0.5 Prozent) und Dach und Wand (plus 30 Franken) stagnieren in diesem Jahr die Lohnuntergrenzen.
Frauen wieder als Verliererinnen: Das Ergebnis ist ernüchternd, kaum ein Arbeitgeber hat zu speziellen Lohnerhöhungen für die Frauen Hand geboten. Coop zeigt mit den speziellen Lohnmassnahmen für die Frauen auf, dass es anders geht.
Unterschiedliche Lohnabschlüsse je nach Branche: Im Dienstleistungssektor sind die Lohnabschlüsse mehrheitlich zufriedenstellend. In diversen Spitälern bewegen sie sich zwischen 0.9 Prozent bis 1.4 Prozent, mindestens zwei Drittel der Lohnsumme werden individuell verteilt. Bei Coop gibt es eine gute Erhöhung der Lohnsumme von 1.1 Prozent. Nachdem die neue Lohnskala per Anfang 2012 eingeführt und die Löhne erhöht wurden, gibt es per 2013 im Gastgewerbe keine weiteren Erhöhungen.
Im Gewerbe waren die Lohnverhandlungen weniger ergiebig: Im Elektro-Installationsgewerbe wird die Lohnsumme um gute 1.5 Prozent angehoben, die Verteilung erfolgt jedoch individuell. Nur im Marmor- und Granitgewerbe (plus 30 Franken) und im Bauhauptgewerbe (plus 0.5 Prozent) werden 2013 generelle Lohnerhöhungen gewährt. Ansonsten enttäuscht das immer noch stark boomende Bau(neben)gewerbe mit unverbindlichen individuellen Lohnempfehlungen (Carrosserie, Sanitär, Metall) oder sogar Nullrunden (Orgelbau, Möbelindustrie, Schreiner oder Ziegelindustrie).
In der Industrie liegen erst wenige Abschlüsse vor. Mit einer Ausnahme (Alcan Airex) wurden vor allem individuelle Erhöhungen bei den Effektivlöhnen gewährt. Mit plus 1.7 Prozent führt Rockwell die Lohnabschlüsse an, die dann schnell nominal abnehmen. Einmalzahlungen und Nullrunden (z.B. Textilindustrie) gehören auch zum wiederholt mageren Bild in der Industrie.
Im Service public ist die Lohnrunde befriedigend bis gut ausgefallen: Bei der Swisscom wurden die Lohnerhöhungen bereits vor Jahresfrist ausgehandelt; die Löhne steigen im nächsten Jahr um 0.8 Prozent generell und 0.4 Prozent individuell. In der Bundesverwaltung gibt es eine Lohnerhöhung von 0.5 Prozent generell. Bei der Post steigen die Löhne um 0.2 Prozent generell und 0.8 Prozent individuell, dazu wird 1 Prozent der Sparbeiträge an die Pensionskasse sowie eine Einmalprämie von 500 Franken gewährt. Bei der SBB wurden die Verhandlungen abgebrochen, die Löhne werden um 0.5 Prozent individuell erhöht.
Zunahme von individuellen Lohnerhöhungen: In den diesjährigen Lohnverhandlungen konnten vorwiegend individuelle Lohnerhöhungen erreicht werden. Die Verbände von Travail.Suisse befürchten bei individuellen Lohnerhöhungen die Gefahr von Willkür und Bevorzugung, besonders wenn in den Betrieben keine transparenten Lohnsysteme bestehen. Aufgrund der diesjährigen Negativteuerung, welche die Kaufkraft der bestehenden Löhne bereits für alle erhöht, fand diese Forderung jedoch kein Gehör.
Kritischer Trend zu Einmalzahlungen setzt sich fort: Unbefriedigend ist ebenfalls, dass reguläre Lohnerhöhungen durch Einmalzahlungen ersetzt werden. Diese sind zwar eine nette Anerkennung, aber kein beständiger, zuverlässiger Lohnbestandteil, denn sie garantieren in den darauf folgenden Jahren kein höheres Lohnniveau resp. keinen höheren Rentenanspruch. Einmalzahlungen sind für die Verbände von Travail.Suisse nur dort akzeptabel, wo klar aufgezeigt werden kann, dass die wirtschaftliche Entwicklung allzu unsicher ist, oder wo sie als Zusatz zu beständigen Lohnerhöhungen gewährt werden.
Notwendige Stützung des privaten Konsums: Die ausgehandelten Lohnerhöhungen fürs 2013 sind wichtig zur Ankurbelung des privaten Konsums. Dieser ist gemäss Prognosen im nächsten Jahr der wichtigste Stabilisierungsfaktor der Wirtschaft und wird, wie bereits in den vergangenen Jahren, einen robusten Beitrag zum Wirtschaftswachstum leisten.