Der Bundesrat hat die Kontingente für ausländische Arbeitskräfte für 2013 unverändert belassen und ist damit den Forderungen der Wirtschaft nicht entgegengekommen. Zum ersten Mal basierte der Entscheid des Bundesrates nicht nur auf wirtschaftlichen Überlegungen, sondern auch auf dem Gedanken, dass das bereits vorhandene Potenzial an Arbeitskräften besser ausgeschöpft werden muss. Wenn der Bundesrat einen Zusammenhang zwischen Kontingenten und einer Aufwertung des vorhandenen Arbeitskräftepotenzials in der Schweiz herstellt, geht er in Richtung der migrationspolitischen Forderungen von Travail.Suisse.
Ein Blick auf die Zulassungspolitik zeigt, dass die Kontingente für Personen aus Drittstaaten lediglich 6 Prozent ausmachen, gegenüber einem Anteil von 40 Prozent an Arbeitskräften, die im Rahmen des Personenfreizügigkeitsabkommens in die Schweiz kommen, um hier zu arbeiten. Weil jedoch nur gegenüber den Drittstaaten ein Spielraum bei der Zulassung besteht, ist es wichtig, diesen sinnvoll zu nutzen.
Was die Kontingente für 2013 betrifft, ist erfreulich, dass der Bundesrat dem Druck der Wirtschaft, die höhere Kontingente verlangte, standgehalten hat. Somit werden 2013 wie bereits 2012 insgesamt 3500 Aufenthalts- und 5000 Kurzaufenthaltsbewilligungen für qualifizierte und hochqualifizierte Arbeitskräfte aus Drittstaaten bereitstehen. Auch bei den Dienstleistungserbringern aus dem EU/EFTA-Raum, die ebenfalls der Kontingentierung unterstehen, wenn sie länger als drei Monate in der Schweiz tätig sind, gibt es keine Änderungen. Für sie stehen somit auch im nächsten Jahr 3000 Kurzaufenthalts- und 500 Aufenthaltsbewilligungen zur Verfügung. Positiv zu werten ist dies auch im Hinblick auf die beunruhigende Situation bei der Einhaltung der Löhne und Arbeitsbedingungen durch ausländische Dienstleistungserbringer.
Arbeitsmarktzugang der Arbeitskräfte in der Schweiz fördern
Neu ist, dass sich die Argumentation des Bundesrates nicht auf die Zahl der Bewilligungen und auf konjunkturelle Überlegungen beschränkt. In seiner Medienmitteilung vom 30. November 2012 erklärte der Bundesrat nämlich, dass er den Arbeitsmarktzugang für die Arbeitskräfte in der Schweiz nachhaltig fördern will, indem er das bestehende Potenzial besser nutzt. In erster Linie sollen Weiterbildungen gefördert und das Qualifikationsniveau angehoben werden. Travail.Suisse legt bei diesem Punkt Wert darauf, dass die Nachholbildung nicht vergessen wird. Diese birgt ein bedeutendes Potenzial, da in der Schweiz 600’000 Personen zwischen 25 und 64 Jahren keine Ausbildung haben.
Es ist erfreulich, dass der Bundesrat die Frage der Kontingente in einen weiteren Zusammenhang stellt und sie nicht nur auf die Zulassungspolitik reduziert. Eine solche Betrachtungsweise geht in Richtung der Forderungen, die Travail.Suisse insbesondere im Positionspapier zur Migrationspolitik1 oder im Dokument zum Kongress vom November 2011 im Abschnitt zur Migrationspolitik formuliere.
Denn angesichts der Alterung der Bevölkerung wird eine Herausforderung der Zukunft darin bestehen, die Erwerbsquote auf einem ausreichend hohen Niveau zu halten und Personal für Branchen zu finden, die bereits heute Schwierigkeiten haben, genügend qualifiziertes oder weniger qualifiziertes Personal zu rekrutieren.
Wir müssen uns bewusst sein, dass auch die EU mit einer ausgeprägten Alterung der Bevölkerung konfrontiert ist und sich ein zunehmend härterer Wettbewerb um ausländisches und insbesondere gut qualifiziertes Personal entwickelt. Es liegt deshalb im Interesse der Schweiz, der Migration von Arbeitskräften einen angemessenen Stellenwert einzuräumen, aber auch, sich nicht allzu stark von der Migration abhängig zu machen, sondern alle Massnahmen zu ergreifen, die dazu beitragen, das bestehende Arbeitskräftepotenzial in der Schweiz besser auszuschöpfen. Die Bevölkerung wird unter diesem Umständen auch eher akzeptieren, dass zusätzlich ausländisches Personal rekrutiert werden muss.
Travail.Suisse ist sich bewusst, dass in Zukunft unter dem Druck der Wirtschaftskreise und insbesondere im Falle eines Aufschwungs die Kontingente vermutlich aufgestockt werden. Es dürfte in einem solchen Fall einfacher sein, der Bevölkerung überzeugend darzulegen, dass mehr ausländische Fachkräfte aus Drittländern benötigt werden, wenn vorher Massnahmen getroffen wurden, die den Arbeitsmarktzugang für die bereits in der Schweiz lebenden Arbeitnehmenden fördern.
Bis dahin drängt sich aufgrund des angespannten Klimas im Zusammenhang mit den Auswirkungen des freien Personenverkehrs – Beispiele dafür sind die Initiativen zur Massenimmigration der SVP und die Ecopop-Initiative – eine relativ strenge Migrationspolitik in den Bereichen auf, wo noch etwas Spielraum besteht.
Falls Fortschritte bei der Weiterbildung, der Nachholbildung und der Integration erzielt werden, könnte Travail.Suisse in einigen Jahren höheren Kontingenten für Fachkräfte aus Drittländern zur Deckung der Personalknappheit in gewissen Branchen relativ positiv gegenüberstehen. Die Rekrutierung von Personal mit geringem und mittlerem Qualifikationsniveau aus Drittländern wird ebenfalls diskutiert werden müssen, da diese Nachfrage heute zum Teil auf scheinheilige Art mit «Sans-papiers» gelöst wird, die aufgrund ihres sehr prekären Status ausgenutzt werden können.