Die Rückkehr ins Berufsleben nach einem längeren Erwerbsunterbruch ist eine Thematik, die überwiegend Frauen betrifft. Eine Mehrheit der Familienfrauen integriert sich erfolgreich wieder in den Arbeitsmarkt. Eine Minderheit hingegen hat Schwierigkeiten, ins Berufsleben zurückzukehren. Travail.Suisse untersucht im Projekt „Expérience ReProf“ diese Gruppe. Das Projekt will in einem ersten Schritt die Merkmale und Bedürfnisse dieser Gruppe feststellen. In einem zweiten Schritt wird überprüft, ob die bestehenden Angebote im Bereich Wiedereinstieg den Bedürfnissen dieser Zielgruppe entsprechen.
Der Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit, um sich familiären Verpflichtungen zu widmen, ist ein Entscheid, den vor allem Frauen treffen. Allein 2009 verliessen 135’000 Frauen den Arbeitsmarkt, um Kinder zu betreuen oder Angehörige zu pflegen. Das zeigt eine Auswertung der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung SAKE des Bundesamtes für Statistik. Hingegen waren es gerade 2’000 Männer1, die 2009 aus diesen Gründen den Arbeitsmarkt verliessen.
Heute wird eine Vielfalt von Familienmodellen gelebt. Deutlich bevorzugt wird bei Paaren mit Kindern unter sieben Jahren das Modell der Teilzeit erwerbstätigen Mutter und des Vollzeit erwerbstätigen Vaters. Das traditionelle bürgerliche Modell mit einer nicht erwerbstätigen Mutter und einem Vollzeit erwerbstätigen Vater ist auf dem Rückzug. Im Jahre 2000 lebten 37 Prozent der Familien dieses Modell, während es 1990 noch 60 Prozent waren. Es bestehen aber grosse regionale Unterschiede. Gerade in ländlichen Regionen und den Einfamilienhaus-Siedlungen der Agglomerationen ist dieses traditionelle Familienmodell nach wie vor beliebt2.
Rückkehr ins Berufsleben meistens erfolgreich
Viele Frauen, die sich bei der Familiengründung für einen Erwerbsunterbruch entscheiden, nehmen, meist bei der Einschulung der Kinder, wieder eine Erwerbstätigkeit auf. Ob die Rückkehr ins Berufsleben gelingt, hängt vom mehreren Faktoren ab. Zum einen ist entscheidend, ob es in ihrer Region ein genügend grosses Angebot von Teilzeitstellen hat. Zum anderen hängt es wesentlich davon ab, wie die Situation in der angestrebten Branche aussieht. In einer Branche wie der Pflege, in der Personalmangel herrscht und die frauentypische Berufe anbietet, wird ein Wiedereinstieg einfacher gelingen. Die Arbeitgeber sind interessiert an Wieder- und Quereinsteigerinnen. Entsprechend sind sie sensibilisiert auf deren Bedürfnisse und haben spezifische Angebote entwickelt. In anderen Branchen, wo genügend Personal vorhanden ist, stossen Wiedereinsteigerinnen trotz guten Qualifikationen auf Hindernisse und es braucht mehrere Anläufe und Umwege bis zum Ziel.
Dennoch gelingt einer Mehrheit die Rückkehr ins Berufsleben ohne grössere Schwierigkeiten. Die Betroffenen besuchen eine Beratungsstelle, um sich Rat und Unterstützung bei diesem Veränderungsprozess zu holen. Sie nutzen ihr Beziehungsnetz zur Stellensuche und machen sich kundig, wie ein Bewerbungsverfahren heute abläuft, und nehmen schliesslich eine Tätigkeit im erlernten Beruf wieder auf.
Eine erfolgreiche Rückkehr ins Berufsleben ist nicht nur für die betroffene Person von Interesse. In den nächsten Jahren wird der Arbeitskräftemangel aufgrund des demografischen Wandels zunehmen. Es besteht deshalb ein volkswirtschaftliches Interesse, die Erwerbstätigkeit von Personen im erwerbsfähigen Alter zu erhöhen. Neben strukturellen Massnahmen, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern, und den Bemühungen, Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen in der Arbeitswelt zu halten, gilt es auch, einer gelungenen Rückkehr von Familienfrauen in die Arbeitswelt genügend Beachtung zu schenken.
Für eine Minderheit ist die Rückkehr ins Berufsleben schwierig
Eine Minderheit der Wiedereinsteigerinnen erlebt die Rückkehr ins Berufsleben als schwierig. Dies zeigt die im Auftrag der Bundesamtes für Berufsbildung und Technologie BBT erstellte Studie „Angebote im Bereich beruflicher Wiedereinstieg“ des Forschungsinstituts gfs.bern3. Die Studie bestätigt, dass von der Thematik aufgrund der Rollenverteilung in der Gesellschaft mehrheitlich Frauen betroffen sind. Dabei erweist sich ein Erwerbsunterbruch von zehn oder mehr Jahren als problematisch. In Bezug auf die Minderheit, die mit Schwierigkeiten kämpft, stellt die Studie weiter fest: „Solcherartige Wiedereinsteigende haben deutlich schlechtere persönliche Startvoraussetzungen für ‚ihren‘ Wiedereinstiegsprozess, als wir dies für die durchschnittlichen Wiedereinsteigenden beobachten. Sie fühlen sich im Prozess auch erkennbar hilfloser und deutlich weniger erfolgreich. Sie sind in der Folge auch mit den Hilfsangeboten deutlich weniger zufrieden …“4.
Travail.Suisse hat auf der Basis dieser Studie das Projekt „Expérience ReProf“ entwickelt. Das Projekt will die oben erwähnte Gruppe genauer betrachten, die sich mit der Rückkehr ins Berufsleben schwer tut. Es zielt darauf ab, diese Gruppe genauer zu erforschen und allenfalls spezifische Merkmale festzustellen. Insbesondere soll untersucht werden, ob diese Gruppe besondere Bedürfnisse aufweist und inwieweit bestehende Angebote im Bereich des beruflichen Wiedereinstiegs diesen entsprechen. Daraus lassen sich Empfehlungen entwickeln, damit Kursanbieter diese Personengruppe besser erreichen. Das Projekt wird vom Bundesamt für Berufsbildung und Technologie BBT finanziell unterstützt.
Projektverlauf „Expérience Reprof“
In einer ersten Phase wurde die Thematik des beruflichen Wiedereinstiegs breit angegangen. Neben der Gruppe der Familienfrauen, die nach einem Erwerbsunterbruch wieder in die Arbeitswelt zurückkehren, wurde auch die Situation von Langzeitarbeitslosen und Sozialhilfebezügerinnen beleuchtet. Uns interessierte, wie die beteiligten Institutionen mit den betroffenen Personengruppen umgehen und welche spezifischen Massnahmen zur Integration in den Arbeitsmarkt ergriffen werden.
In der ersten Jahreshälfte 2011 wurden 13 Expertengespräche geführt. Interviewt wurden Fachpersonen aus der Sozialhilfe, den RAV und den Frauenberatungsstellen des Netzwerk plusplus.ch. Im Sommer 2011 folgte eine schriftliche Befragung der Frauenberatungsstellen von plusplus.ch, die sich auf die Beratung von Wiedereinsteigerinnen spezialisiert haben. Aufgrund der Interviews und der Befragung wurde schliesslich ein Bericht verfasst. Er beschreibt den Umgang der beteiligten Institutionen mit den verschiedenen Personengruppen und definiert die Merkmale und Bedürfnisse der Gruppe von Frauen, für die sich die Rückkehr ins Berufsleben als schwierig erweist. Im November 2011 wurden das Projekt an einem Workshop einer Gruppe von Expertinnen und Experten vorgestellt und die Ergebnisse der ersten Phase diskutiert. Die Kritikpunkte, die im Workshop aufgeführt wurden, fliessen nun in eine konsolidierte Fassung des Berichts ein, der voraussichtlich im Februar 2012 vorliegen wird. Die wichtigsten Punkte des Berichts werden wir in einem Medienservice Anfang Jahr veröffentlichen.
In der ersten Hälfte 2012 wird eine Untersuchung der Angebote im Bereich beruflicher Wiedereinstieg im Zentrum stehen. Es wird überprüft werden, ob die bestehenden Angebote den spezifischen Bedürfnissen dieser Gruppe entsprechen und welche Angebote sich besonders eignen. In einem weiteren Schritt werden die Anbieter von Kursen im Bereich beruflicher Wiedereinstieg über die Ergebnisse informiert. Travail.Suisse wird eine Tagung durchführen, an der die Resultate vorgestellt werden. Zudem wird eine Broschüre erarbeitet, die Hinweise geben soll, wie Angebote ausgestaltet werden sollen, um diese Zielgruppe zu erreichen.
[1] Zahl statistisch nur bedingt zuverlässig, da sehr klein.
[2] Siehe dazu die Karte: http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/regionen/thematische_karten…
[3] Gfs.bern. Laura Kopp, Urs Bieri et. al.: Angebote im Bereich beruflicher Wiedereinstieg. Synthesebericht zur Studie Angebote im Bereich beruflicher Wiedereinstieg im Auftrag des Bundesamtes für Berufsbildung und Technologie (BBT). Bern 2009.
[4] Dito S. 35.