Die Rückkehr ins Berufsleben nach einem längeren Erwerbsunterbruch ist ein mehrmonatiger Veränderungsprozess. Laut Expertinnen und Experten erweist sich eine kontinuierliche Begleitung als wichtiger Faktor, damit die Rückkehr ins Berufsleben gelingt. Die Stärkung des Selbstwertes, die Verbesserung des Selbstmarketings, das Auffüllen von beruflich-fachlichen Lücken und die positiven Effekte der Arbeit in Gruppen wurden weiter herausgestrichen. Der Zugang zu Weiterbildung und Praktika erweist sich dabei als Knackpunkt.
Das Projekt „Expérience Reprof“1 hat in einer ersten Phase untersucht, was die Gruppe der Familienfrauen auszeichnet, die Schwierigkeiten haben, ins Berufsleben zurückzukehren. 2011 wurden 13 qualitative Interviews mit Fachpersonen von Frauenberatungsstellen, Sozialdiensten und RAV geführt. Es folgte eine schriftliche Befragung der Frauenberatungsstellen von plusplus.ch. Schliesslich wurden die Ergebnisse an einem Workshop mit Expertinnen und Experten diskutiert.
Im Verlaufe der Untersuchung erwies es sich als schwierig, die Aussagen der Fachpersonen mit statistischen Angaben zu untermauern. Belegen lässt sich einzig, dass die befragten Frauenberatungsstellen von plusplus.ch fast ausschliesslich Frauen beraten (99.4 Prozent im 2010). Rund ein Viertel dieser Beratungen betrafen die Rückkehr ins Berufsleben nach einer Familienphase. Der Anteil der Beratungen zur Rückkehr ins Berufsleben zwischen den Beratungsstellen variiert jedoch stark.
Die vorliegenden Ergebnisse basieren auf dem oben beschriebenen qualitativen Vorgehen. Die wichtigsten Merkmale und Bedürfnisse der Gruppe, die Schwierigkeiten bei der Rückkehr ins Berufsleben hat, werden im Folgenden dargestellt.
Anpassung der persönlichen Lebenssituation
Familienfrauen, die Mühe haben, wieder im Berufsleben Tritt zu fassen, haben meist länger nicht mehr ausser Haus gearbeitet. Als problematisch erweist sich ein Erwerbsunterbruch von 10 und mehr Jahren. Die Familienfrauen sind laut den befragten Fachpersonen motiviert, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Dieser hohen Motivation steht ein tiefer Selbstwert in Bezug auf die in der Familienarbeit erworbenen Kompetenzen gegenüber. Die befragten Fachpersonen beobachten, dass der Transfer der ausserberuflich erworbenen Kompetenzen in die Arbeitswelt meist nicht stattfindet.
Eine weitere Schwierigkeit zeigt sich auch in einem Mangel an Flexibilität, die vom Arbeitsmarkt gefordert wird. Häufig hat diese Gruppe relativ enge Vorstellungen, was das angestrebte Maximalpensum, die Arbeitszeiten und den Arbeitsweg betrifft. Diese mangelnde Flexibilität lässt sich zum einen erklären durch das Fehlen von Angeboten an familienexterner Kinderbetreuung. Gerade in ländlichen Regionen, wo Familien überdurchschnittlich häufig das Alleinernährermodell wählen, gibt es kaum Betreuungsstrukturen. Das Angebot an Kindertagesstätten ist klein und relativ kostspielig, Tagesstrukturen für Schulkinder fehlen noch vielerorts. Entsprechend eingeschränkt sind die Zeitfenster, in der eine Erwerbstätigkeit möglich ist. Zum anderen ist diese Gruppe der Familienfrauen noch stark der Rolle der „treu sorgenden guten Mutter“ verhaftet. Tatsächlich trugen die betroffenen Frauen die letzten Jahre die alleinige Verantwortung für Haushalt und Kinder. Hier ist ein Neuaushandeln der Rollen in der Familie notwendig, und es braucht Zeit, damit eine Fremdbetreuung der Kinder und eine Entlastung von Hausarbeiten umgesetzt werden können.
Bedarf an beruflich-fachlicher Weiterbildung
Laut den befragten Fachpersonen verfügt die Zielgruppe meist über eine abgeschlossene Lehre. Die Gruppe weist aufgrund des langen Erwerbunterbruchs jedoch meist beruflich-fachliche Lücken auf. In Berufen, die einem schnellen Wandel unterliegen, kann die einst absolvierte Ausbildung veraltet sein. Bei gewissen Berufen wie der Fotolaborantin kann sogar eine Neuorientierung notwendig sein. Bei Migrantinnen erweist sich die fehlende Anerkennung der im Herkunftsland erworbenen Diplome als zusätzliche Hürde.
Bei der betroffenen Gruppe ist zudem wenig Wissen vorhanden über die Situation auf dem aktuellen Arbeitsmarkt und die Stellensuche per Internet. Ebenso fehlt es an Kenntnissen über das Selbstmarketing in Bewerbungsschreiben, Lebenslauf und Vorstellungsgespräch. Die betroffene Gruppe hat einen Bedarf an beruflich-fachlicher Weiterbildung sowie an Angeboten, die das Selbstmarketing verbessern. Betont wurde von den Fachpersonen, dass Weiterbildungsangebote flexibel ausgestaltet sein müssen, damit sie in Teilzeit und mit Unterbrüchen absolviert werden können.
Kontinuierliche Begleitung wichtig
Die Rückkehr ins Berufsleben ist ein Veränderungsprozess, der oft mehrere Monate dauert. Zu Beginn dieses Prozesses erweist sich laut den Fachpersonen eine Standortbestimmung als hilfreich. Sie macht auf der einen Seite das bisher Geleistete sichtbar. Die beruflich und ausserberuflich erworbenen Kompetenzen werden benannt, die persönlichen Stärken aufgezeigt. Die Zielgruppe wird dadurch in ihrem Selbstwert gestärkt. Auf der anderen Seite hilft eine Standortbestimmung, allfällige Lücken aufzudecken (Praxis, Fachwissen, Grundkompetenzen). Eine realistische Selbsteinschätzung der Stärken und Schwächen hilft der Zielgruppe, ihren persönlichen Weg zurück ins Berufsleben gezielt zu planen.
Die befragten Fachpersonen schätzen eine kontinuierliche Begleitung durch den Veränderungsprozess als entscheidenden Faktor ein, damit die Rückkehr ins Berufsleben erfolgreich verläuft. Denn für die Umsetzung der persönlichen Vorhaben ist es wichtig, immer wieder auf professionelle Unterstützung zurückgreifen zu können, um Informationen einzuordnen und zu beurteilen, mit Rückschlägen umgehen zu lernen usw.
Auf die positiven Effekte der Arbeit in Gruppen wurde mehrfach hingewiesen. Die Arbeit in einer Gruppe ermöglicht, von den Erfahrungen und Ideen der anderen zu profitieren, sich gegenseitig zu ermutigen und anzutreiben. Die Arbeit in einer Gruppe kann aber auch genutzt werden, um neue Kontakte zu knüpfen. Laut den befragten Fachpersonen ist das soziale Netzwerk der Zielgruppe in der Regel nämlich eher bescheiden, auf die Familie beschränkt und häufig für die Stellensuche kaum nutzbar.
Zugang zur Weiterbildung als Knackpunkt
Der Nutzen einer Standortbestimmung und einer kontinuierlichen Begleitung durch den Veränderungsprozess wurde durch die befragten Expertinnen und Experten herausgestrichen. Daneben besteht bei der Zielgruppe meist ein Bedarf an Weiterbildung in Bezug auf Fachwissen und Selbstmarketing. Zu erwähnen ist zudem der Vorteil von Praktika, um wieder in die veränderte Berufswelt einzusteigen und neue Arbeitserfahrungen zu sammeln. Beklagt wurde jedoch mehrfach, dass es zuwenig entsprechende Angebote gibt.
Die Teilnahme an einer Laufbahngruppe oder einem Coaching über längere Zeit ist meist mit Kosten verbunden. Eine Weiterbildung, um wieder beruflich à jour zu sein, kann schnell teuer werden. Die betroffene Gruppe verfügt aber kaum über freie Mittel, denn das Haushaltbudget ist in der Regel knapp bemessen. In einer Trennungssituation akzentuiert sich die finanziell angespannte Lage noch. Viele verzichten deshalb auf eine Weiterbildung, ausser sie haben Zugang zu Bildungsangeboten, die von der öffentlichen Hand zur Verfügung gestellt werden.
Wir werden in einem weiteren Medienservice auf den Zugang der Zielgruppe zu Angeboten der öffentlichen Hand im Bereich des Wiedereinstiegs eingehen.
1Das Projekt „Expérience ReProf“ wird vom Bundesamt für Berufsbildung und Technologie finanziell unterstützt und dauert bis März 2013. Mehr zum Projekt erfahren Sie unter http://www.travailsuisse.ch/de/node/3029 .