In der kommenden Frühlingssession wird das Parlament wiederum viele Geschäfte beraten, die für die Arbeitnehmenden von zentraler Bedeutung sind. Die Haltung von Travail.Suisse, dem unabhängigen Dachverband von 170’000 Arbeitnehmenden, zu ausgewählten Geschäften ist im Folgenden kurz zusammengefasst.
Wirtschaftspolitik und Arbeitsmarktpolitik
Nationalrat – Motion der WAK NR: Stopp dem Lohndumping und dem Missbrauch bei Unteraufträgen (11.4040): Wenn Generalunternehmen Unteraufträge weitergeben, werden die in der Schweiz gültigen Lohn- und Arbeitsbedingungen oft nicht eingehalten. Mit einer Änderung des Gesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen sowie des Binnenmarktgesetzes soll dafür gesorgt werden, dass Lohndumping und der Missbrauch bei Unteraufträgen wirksam bekämpft werden können. Travail.Suisse unterstützt dies vollumfänglich. Der Nationalrat muss den Grundsatz der Solidarhaftung gesetzlich verankern und so ein wirkungsvolles Instrument gegen Lohndumping installieren.
Nationalrat – Motion der WAK NR: Sanierung der Arbeitslosenversicherung (11.3755): Damit die Schulden der Arbeitslosenversicherung schneller getilgt werden können, wurde auf der Beitragsseite ein Solidaritätsprozent auf Löhnen zwischen 126’000 und 315’000 Franken eingeführt. Nun soll das Arbeitslosenversicherungsgesetz dahingehend geändert werden, dass auch auf Einkommen über 315’000 Franken ein Solidaritätsprozent erhoben wird. Damit kann die Schuldenlast um zusätzliche 79 Millionen pro Jahr getilgt werden. Travail.Suisse unterstützt diese Motion, die eine schnellere Sanierung der Arbeitslosenversicherung und mehr Solidarität erlaubt.
Sozialpolitik und Familienpolitik
Nationalrat – pa.Iv. Hochreutener. Verfassungsbasis für eine umfassende Familienpolitik (07.419): Ein neuer Verfassungsartikel 115a soll den Bund und die Kantone dazu verpflichten, die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsarbeit zu fördern und insbesondere für ein bedarfsgerechtes Angebot an familien- und schulergänzenden Tagesstrukturen zu sorgen. Eine Minderheit will den Bund zusätzlich ermächtigen, Grundsätze für die Harmonisierung der Alimentenbevorschussung festzulegen. Eine aktivere Rolle des Bundes in der Familienpolitik ist dringend notwendig. Der vorgeschlagene Verfassungsartikel ist deshalb ein Schritt in die richtige Richtung, auch wenn er wichtige Themenfelder wie Armutsbekämpfung mit Ergänzungsleistungen, Teilzeitarbeit, Vaterschafts- bzw. Elternurlaub ausser Acht lässt. Zudem bedarf die Alimentenbeschussung dringend einer Harmonisierung.
Bildungspolitik
Nationalrat – pa.Iv. Fasel. Weiterbildungsobligatorium (07.459): Travail.Suisse unterstützt die parl. Initiative Fasel “obligatorische Weiterbildung”. Ohne ein Obligatorium gelingt es der Weiterbildungspolitik nicht, den bildungsfernen Personen den Zugang der Weiterbildung zu öffnen.
Nationalrat – Motion Nationalrat (Tschümperlin). Elternbildung im Weiterbildungsgesetz (09.3883): Travail.Suisse unterstützt dieses Anliegen. Die Elternbildung braucht auf nationaler Ebene endlich einen klaren Auftrag und eine gesicherte Basisfinanzierung.
Nationalrat – Forschungs- und Innovationsgesetz (11.069): Travail.Suisse stimmt der Totalrevision des FIFG zu.
National- und Ständerat – Bundesgesetz zur Unterstützung von Dachverbänden der Weiterbildung (12.015): Travail.Suisse unterstützt dieses Gesetz. Dank ihm wird es möglich, die Dachverbände der Weiterbildung bis zu dem Zeitpunkt zu unterstützen, an dem das Weiterbildungsgesetz in Kraft tritt. Ohne die Annahme besteht die Gefahr, das wichtige Strukturen der Weiterbildung aus Mangel an Geld in sich zusammenfallen.
Ständerat – Motion Fetz. BFI-Botschaft 2013-2016. Jährliche Krediterhöhung von mindestens 6 Prozent (11.4137): Travail.Suisse sieht im Bildungsbereich noch Bedarf für Erhöhungen. Allerdings muss mit den Erhöhungen garantiert werden, dass die Gelder für die Lehre, die Forschung und innovative Projekte verwendet werden und nicht für das Aufblasen von administrativen Strukturen.
Gleichstellungspolitik
Nationalrat – pa.Iv. Maury Pasquier. Ratifikation des IAO-Übereinkommens Nr. 183 über den Mutterschutz (07.455): Mit der Ratifizierung des IAO-Übereinkommens über den Mutterschutz wird der rechtlichen Unsicherheit in Bezug auf die Entlöhnung der Stillpausen ein Ende gesetzt. Travail.Suisse erwartet, dass sich der Nationalrat nach der befürwortenden Stellungnahme der SGK-N für die Ratifizierung ausspricht. Der Ständerat hat dies bereits getan.
Nationalrat – pa.Iv. Meier-Schatz. Betreuungszulage für pflegende Angehörige (11.411): Travail.Suisse unterstützt die Initiative, denn die Betreuung von Kindern und älteren Menschen ist als Aufgabe des Service public zu betrachten. Der Wert der Arbeit, die Bürgerinnen und Bürger für ihre älteren Angehörigen erbringen, muss anerkannt und auch finanziell entschädigt werden, denn oft reduzieren die Betroffenen dafür ihr Arbeitspensum, wodurch sich auch ihr Einkommen und ihre Vorsorge verringern. Heute verbringt nur eine Minderheit der Bevölkerung ihren Lebensabend in Heimen, aber durch die demografische Entwicklung werden dieser Anteil und die damit verbundenen Kosten steigen. Um die Kosten zu begrenzen, muss die öffentliche Hand weiterhin auf die Angehörigen zählen können. Es ist richtig und umsichtig, den Wert dieser Leistungen anzuerkennen und sie teilweise finanziell zu entschädigen.
Nationalrat – pa.Iv. Grüne Fraktion. Vorwärtsmachen mit Elternzeit und Elterngeld (11.405): Travail.Suisse unterstützt das Prinzip der Initiative, denn in der Schweiz, die gegenüber ihren Nachbarländern stark im Rückstand ist, werden die Bedürfnisse von Familien mit Kleinkindern weder anerkannt noch befriedigt. Travail.Suisse fordert als ersten Schritt die Einführung eines bezahlten Urlaubs (20 Tage), der den Vätern bei der Geburt ihres Kindes vorbehalten ist. Der Elternurlaub, der zu den heutigen Ansprüchen (z.B. Mutterschaftsurlaub) hinzukommt, ist langfristig angelegt und entspricht den spezifischen Bedürfnissen der Familien von der Geburt bis zur Einschulung der Kinder, so dass Eltern Arbeit und Familie besser unter einen Hut bringen können als heute. Die Finanzierung über den bereits bestehenden EO-Ausgleichsfonds lässt sich einfach umsetzen. Die Kosten werden so auf alle Schichten der erwerbstätigen Bevölkerung und die Unternehmen verteilt, wodurch der Elternurlaub allen offen steht.
Migrations- und Integrationspolitik
Nationalrat – Standesinitiativen betreffend Zugang zur Berufslehre für Papierlose (10.318, 10.325, 10.330): Der Nationalrat darf seiner Kommission nicht folgen und muss die Standesinitiativen von BS, JU und NE annehmen, nach denen Jugendliche ohne Rechtsstatus Zugang zur Berufslehre erhalten sollen. Diese Jugendlichen dürfen nicht für eine Situation bestraft werden, für die sie nichts können. Es liegt sowohl im sozialen als auch im wirtschaftlichen Interesse der Schweiz, dass eine legale Lösung gefunden wird. Es ist daran zu erinnern, dass die beiden Kammern bereits die Motion Barthassat angenommen haben, die den Bundesrat beauftragt, das Gesetz so zu ändern, dass junge Papierlose Zugang zur Berufsbildung erhalten. Nun muss das Parlament in seinen Entscheidungen kohärent bleiben.
Nationalrat – Bürgerrechtsgesetz. Totalrevision (11.022): Da die Staatspolitische Kommission des Nationalrates Nichteintreten beantragte, hatte die Revision einen schlechten Start in der grossen Kammer. Es ist jedoch notwendig, die Einbürgerungsbedingungen zu erleichtern. Sogar die OECD, die man nicht als links gerichtet bezeichnen kann, vertritt in einer kürzlich veröffentlichen Studie die Ansicht, dass die Revisionsvorlage zu restriktiv ist. Die C-Bewilligung als neue Bedingung für das Bürgerrecht muss gestrichen werden, da diese Regelung diskriminierend ist.
Ständerat – pa.Iv. Müller Philipp. Keine Bevorzugung von Personen aus dem Asylbereich bei der Niederlassungsbewilligung (10.484): Die parlamentarische Initiative Philipp Müller muss vom Ständerat abgelehnt werden. Anerkannte Flüchtlinge verdienen angemessenen Schutz, nachdem sie in ihren Heimatländern verfolgt und bedroht wurden. Man kann daher nicht von einer Ungleichbehandlung sprechen, denn die Lage der Flüchtlinge ist anders als diejenige der Ausländerinnen und Ausländer, die aus wirtschaftlichen Gründen in die Schweiz gekommen sind. Deshalb ist für Flüchtlinge der Rechtsanspruch auf eine C-Bewilligung nach fünf Jahren beizubehalten.
Energie- und Klimapolitik
Ständerat – Für ein gesundes Klima. Volksinitiative (09.067): Das CO2-Gesetz wurde am 23.12.2011 vom Parlament verabschiedet. Es setzt der Schweiz ein Reduktionsziel von 20 Prozent bis 2020. Die Initiative «Für ein gesundes Klima» sieht eine Reduktion von 30 Prozent vor. Die Frist für die Behandlung der Initiative wurde um ein Jahr bis zum 29. August 2012 verlängert. Travail.Suisse befürwortet die Initiative, denn sie veranlasst uns, den Treibhausgas-Ausstoss noch mehr zu senken, was zur Innovation und zur Schaffung von Arbeitsplätzen in der Schweiz beiträgt.
Ständerat – Motionen betreffend Industriezweige mit hohem Energieverbrauch (11.3485, 11.3502, 11.3501, 11.3749): Verschiedene im National- und im Ständerat eingereichte Motionen verlangen, dass energieintensive Industriezweige zu Vorzugsbedingungen mit Strom versorgt werden, so dass der Kostendruck nicht höher (oder sogar tiefer) als in der EU ist. Travail.Suisse ist erfreut darüber, dass der Bundesrat diese Motionen im Allgemeinen ablehnt und die Thematik im Rahmen der Energiestrategie 2050 wieder aufnehmen will. Anzustreben ist ein Mittelweg zwischen Massnahmen zur Wahrung von Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätzen und einem Anreizsystem zur Belohnung der Unternehmen, die sich überdurchschnittlich stark um Innovationen zur Senkung des Stromverbrauchs bemühen.
Finanzpolitik
Nationalrat – Vereinfachung der Mehrwertsteuer (08.053): Travail.Suisse lehnt einen Einheitssatz kategorisch ab und unterstützt die vom Nationalrat beantragte Rückweisung der Vorlage an den Bundesrat und das vorgeschlagene Modell mit zwei Sätzen und verschiedenen Ausnahmen. In Bezug auf die einjährige Mehrwertsteuerbefreiung des Gastgewerbes als Massnahme zur Abfederung des starken Frankens zeigt sich Travail.Suisse skeptisch, weil dieser Schritt nicht gezielt genug wäre. Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates befürwortet die Massnahme zwar, aber äusserst knapp mit 13 gegen 12 Stimmen.
Nationalrat – Motion des Nationalrates, Aufgabenüberprüfung (11.3317): Diese Motion der Finanzkommission des Nationalrates wurde vom Ständerat geändert. Travail.Suisse ist der Ansicht, dass der Aufgabenüberprüfung ein Ende gesetzt werden muss, denn deren im April 2006 vom Bundesrat vertretenes Ziel, die Staatsquote auf einem Niveau von unter 40 Prozent des BIP zu stabilisieren, ist bereits erreicht (34,10% des BIP im Jahr 2010). Gelingt es nicht, die Aufgabenüberprüfung zu streichen, ist die Version des Ständerates vorzuziehen, da die Einsparungen nicht alle für den Schuldenabbau eingesetzt werden müssen, sondern teilweise für die Finanzierung von neuen vorrangigen Aufgaben verwendet werden dürfen.
Ständerat – Besteuerung nach dem Aufwand. Bundesgesetz (11.043): Auch wenn dieses Gesetz eine restriktivere Handhabung dieser Besteuerungsart anstrebt, bleibt es schockierend, dass reiche Ausländerinnen und Ausländer pauschal und nicht nach ihrem Einkommen und Vermögen besteuert werden. Der Kanton Zürich, der diese Art der Besteuerung abgeschafft hat, erlitt danach keine Steuereinbussen. Travail.Suisse fordert den Ständerat auf, diese Vorlage abzulehnen.