In der Wintersession wird das Parlament die Liberalisierung der Öffnungszeiten von Tankstellenshops rund um die Uhr beschliessen. Was auf den ersten Blick als „Peanuts“ daherkommt, erweist sich in Tat und Wahrheit als grobe Verschlechterung des Arbeitnehmerschutzes vor Nacht- und Sonntagsarbeit im Arbeitsgesetz. Der Vorstand von Travail.Suisse wird nach der parlamentarischen Debatte über das Referendum befinden.
Die Annahme der Vorlage „Liberalisierung der Öffnungszeiten von Tankstellenshops“ führt zur Einführung des 24-Stunden-Betriebs im Detailhandel. Gleichzeitig weitet sie die Sonntagsarbeit aus. Damit wird der Schutz der Arbeitnehmenden vor Nacht- und Sonntagsarbeit verschlechtert.
Beim nächsten Tropfen bricht der Damm
Doch dem ist nicht genug: In der parlamentarischen Pipeline befinden sich bereits weitere Vorstösse zur Deregulierung der Öffnungszeiten im Detailhandel. So hat der Ständerat die Motion Lombardi, die eine Zwangserweiterung der kantonalen Ladenöffnungszeiten auf 6 bis 20 Uhr am Montag bis Freitag und auf 6 und 19 Uhr am Samstag fordert, bereits angenommen. Der Ständerat wird in dieser Wintersession als Erstrat über die Motion Abate beschliessen. Diese verlangt eine neue Fremdenverkehrsdefinition im Arbeitsgesetz, was nichts anderes als eine abermalige Verwässerung des Sonntagsarbeitsverbots zur Folge hätte.
Shoppen rund um die Uhr bachab geschickt
Dabei haben die jüngsten Volksabstimmungen in den Kantonen Zürich und Luzern gezeigt, dass längeres Shoppen oder Rund-um-die-Uhr-Lädele von der Stimmbevölkerung gar nicht erwünscht ist. Die beiden Abstimmungsresultate entsprechen dem langfristigen Trend: Seit dem Jahr 2006 wurden 90 Prozent der kantonalen Abstimmungen zur Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten verworfen. Was jetzt auf Bundesebene abläuft, ist nichts als Zwängerei.
Die Grundsätze von Travail.Suisse
Der Vorstand von Travail.Suisse hat sich für folgende Grundsätze ausgesprochen:
Für das Nachtarbeits- und Sonntagsarbeitsverbot – gegen den Dammbruch
Das Arbeitsgesetz regelt die Ausnahmebestimmungen aufgrund der Kriterien der „wirtschaftlichen und technischen Unentbehrlichkeit“. Diese Unentbehrlichkeit ist bei 24-Stunden-Tankstellenshops nicht gegeben. Es ist verfehlt, die Ausnahmebestimmungen zu lockern, da dies einen gravierenden Dominoeffekt auslösen wird. Die Rund-um-die-Uhr-Öffnungszeiten der Tankstellenshops erhöhen den Druck auf den ganzen Detailhandel und tangieren weitere Branchen. Immer mehr Zulieferbetriebe im Bereich Logistik, Sicherheit, Reinigung oder Informatik und letztlich auch die Produktionsstätten werden nachziehen müssen. In der Folge wird der Ruf nach gleichlangen Spiessen lauter, und die heutigen Nacht- und Sonntagsarbeitsverbote erodieren.
Für Zeit mit Familie und Freunden – gegen die ungesunde soziale Desynchronisation
Die Sonntags- und Nachtruhe ist zu schützen. Ein ausgewogenes Gleichgewicht von Aktivität über den Tag und Ruhe während der Nacht entspricht der biologischen Notwendigkeit des Menschen. Zahlreiche Studien belegen, dass Nachtarbeit die Gesundheit der Arbeitnehmenden beeinträchtigt und vermehrt zu chronischen Krankheiten führt. Es ist zum Beispiel erwiesen, dass Herz- und Kreislaufbeschwerden, Magen- und Darmgeschwüre und sogar Krebs häufiger vorkommen bei Menschen, die Schicht- und Nachtarbeit leisten. Mehr Nacht- und Sonntagsarbeit beeinträchtigt auch das soziale Leben der Betroffenen und ihrer Familien. Der Abend und der Sonntag, oftmals die einzige Gelegenheit, zusammen Zeit zu verbringen und sich auszutauschen, fallen weg. Die soziale Desynchronisation hat sowohl für den einzelnen als auch für die Gemeinschaft destabilisierende Auswirkungen und ist nicht wünschenswert.
Sonntagsarbeit schafft keine neuen Arbeitsplätze – gegen unfaire Arbeitsbedingungen
Durch die Rund-um-die-Uhr-Öffnungszeiten wird der Personalbestand in den Tankstellenshops kaum aufgestockt, sondern während den längeren Öffnungszeiten wird mit gleich vielen Angestellten gearbeitet. Das erhöht wiederum die Arbeitszeiten und den Arbeitsdruck auf die Betroffenen. Die Liberalisierung verschlechtert die Arbeitsbedingungen und untergräbt den Grundsatz „Flexibilität gegen Schutz“, da es keine Gesamtarbeitsvertragspflicht gibt und das Recht auf Lohnzuschläge beschränkt ist. Auch steigt der Umsatz des gesamten Detailhandels nicht. Die Kaufkraft der Konsumenten bleibt gleich, auch wenn länger eingekauft werden kann.