Familienfrauen, die nach einem langjährigen Erwerbsunterbruch wieder ins Berufsleben zurückkehren wollen, haben oft einen Bedarf an beruflich-fachlicher Weiterbildung. Oft verfügen sie nicht über die finanziellen Ressourcen, um eine Weiterbildung selbst zu finanzieren. Nur eine Minderheit kann für eine beschränkte Dauer Leistungen der Arbeitslosenversicherung beziehen. Bei der Mehrheit der Kantone ist diese Gruppe nicht stipendienberechtigt und die Finanzierung über Stiftungsgelder ist aufwändig. Viele Frauen verzichten deshalb auf eine Weiterbildung und nehmen letztlich eine Stelle unter ihren erworbenen Qualifikationen an.
Familienfrauen, die nach einem langjährigen Erwerbsunterbruch wieder ins Berufsleben zurückkehren wollen, haben meist einen Bedarf an Beratung und Weiterbildung. In der Regel bestehen beruflich-fachliche Lücken und fehlt Wissen in Bezug auf das Selbstmarketing1. Allenfalls kann sogar eine Zweitausbildung notwendig sein. Auf den ersten Blick scheinen die Regionalen Arbeitsvermittlungsstellen RAV die geeignete Anlaufstelle für diese Frauen zu sein. Die RAV sind spezialisiert auf die Integration in den Arbeitsmarkt. Ihre Mitarbeitenden unterstützen die Arbeitslosen bei der Stellensuche. Mit den Arbeitsmarktlichen Massnahmen AMM haben die RAV zudem ein Instrument zur Hand, um Stellensuchende mithilfe von gezielten Bildungs- und Beschäftigungsmassnahmen rascher in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
Beschränkter Zugang zu Leistungen der Arbeitslosenversicherung
Der Zugang zu Leistungen der Arbeitslosenversicherung ist für Familienfrauen mit einem langjährigen Erwerbsunterbruch jedoch eingeschränkt. Zum Bezug von Taggeldern sind nur jene Familienfrauen berechtigt, die eine Einkommenseinbusse aufgrund von Todesfall/Trennung nachweisen können. Mit der letzten Revision des AVIG von 2011 wurden die Taggelder für diese sogenannten Beitragsbefreiten zudem von 12 auf 4 Monate empfindlich gekürzt. Diese Kürzung betrifft nicht nur die Taggelder, sondern auch den Zugang zu den Arbeitsmarktlichen Massnahmen. Bei den Wenigen, welche weiterhin Anspruch auf Leistungen der Arbeitslosenversicherung haben, stehen die RAV-Beraterinnen und -Berater unter erheblichen Zeitdruck. Sie müssen innert kürzester Zeit abklären, ob eine Standortbestimmung, ein Weiterbildungskurs oder eine andere Massnahme notwendig ist und diese verfügen. Es ist zu befürchten, dass die vier Monate vielfach ungenutzt verstreichen.
Faktisch ist heute die Mehrzahl der Familienfrauen mit einem langjährigen Erwerbsunterbruch von den Leistungen der Arbeitslosenversicherung ausgeschlossen. Für die RAV sind die wenigen Familienfrauen Einzelfälle, die keine systematische Spezialbetreuung erlauben.
Nun sieht das Gesetz für Personen, die keinen Anspruch auf Taggelder haben, noch die Möglichkeit vor, über Artikel 59d AVIG Zugang zu Arbeitsmarktlichen Massnahmen zu gewähren. Dabei werden meist Bildungsmassnahmen gesprochen, da es bei Beschäftigungsmassnahmen Probleme mit den Sozialversicherungen gibt. Die Kosten der Bildungsmassnahmen, die über diesen Artikel gesprochen werden, teilen sich die Arbeitslosenversicherung und der Kanton hälftig. Diese finanzielle Beteiligung des Kantons führt dazu, dass der Artikel sehr unterschiedlich angewandt wird2. In den letzten Jahren reduzierte sich ausserdem die Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Arbeitsmarktlichen Massnahmen nach Artikel 59d AVIG laufend (2008: 5’352 Personen, 2009: 4’739 Personen, 2010: 4’374, 2011 4’078). Es ist anzumerken, dass unter den Teilnehmenden nicht nur Familienfrauen zu finden sind, sondern auch Sozialhilfebeziehende, vorläufig Aufgenommene und andere Personen, welche die Beitragszeit für einen Taggeldbezug nicht erfüllen. Die Möglichkeit, über diesen Gesetzesartikel Bildungsmassnahmen zu finanzieren, wird insgesamt wenig genutzt.
Kaum eigene finanzielle Mittel für Weiterbildung
Ein Teil der Frauen wendet sich direkt an die Frauenberatungsstellen des Netzwerks plusplus.ch, die sich auf die Frage der Rückkehr ins Berufsleben spezialisiert haben. Ein anderer Teil wird von den RAV und anderen öffentlichen Stellen überwiesen. Da der Zugang zu Bildungsmassnahmen bei der Arbeitslosenversicherung beschränkt ist, wird geprüft, ob eine notwendige Weiterbildung mit eigenen Mitteln finanziert werden kann (Ersparnisse, private Darlehen). Nach Auskunft der Frauenberatungsstellen ist dies aber oft nicht der Fall. Die betroffene Gruppe verfügt kaum über freie Mittel, denn das Familienbudget ist in der Regel knapp bemessen. Dass Familien tendenziell weniger Ersparnisse haben, zeigt auch der Familienbericht des Bundesamtes für Statistik BFS: „Die ausgeführten Einkommens- und Ausgabeneffekte führen langfristig auch dazu, dass Familien tendenziell weniger Möglichkeiten haben, Geld auf die hohe Kante zu legen.“3
Wenig Chancen auf Stipendien und Stiftungsgelder
Die öffentliche Hand verfügt mit den Stipendien über ein Mittel, um Ausbildungen für einkommensschwache Personen finanziell zu unterstützen. Familienfrauen mit einem langjährigen Erwerbsunterbruch kommen jedoch meist nicht in den Genuss von Stipendien. In sechs Kantonen scheitern sie bereits an der Alterslimite, da Stipendien nur an Personen bis 30 bzw. 40 Jahre vergeben werden. In der Mehrheit der Fälle sind diese Frauen aber älter, lag doch das Alter der Mütter bei der Erstgeburt im Jahre 2000 bereits bei 28.7 Jahren und stieg in den folgenden Jahren weiter an4.
Sechs Kantone sehen für Weiterbildungen und Zweitausbildungen nur Darlehen vor. Bei einem knappen Haushaltsbudget ist aber eine Verschuldung nicht wünschenswert. Bei weiteren vier Kantonen stellen sowohl die Alterslimite wie die Beschränkung auf Darlehen für Weiterbildungen und Zweitausbildungen eine Hürde dar. Somit verbleiben zehn Kantone, die Stipendiensysteme aufweisen, die es Familienfrauen ermöglichen, Stipendien für eine Weiterbildung oder Zweitausbildung zu erhalten.
Das interkantonale Stipendien-Konkordat IKSK wird für Familienfrauen mit einem langjährigen Erwerbsunterbruch kaum Abhilfe schaffen. Es wurde 2009 verabschiedet und tritt in Kraft, wenn zehn Kantone beigetreten sind (Stand 29. Februar 2012: acht Kantone haben den Beitritt beschlossen). Es strebt eine Harmonisierung der kantonalen Stipendiensysteme an und legt Mindeststandards fest. Das Stipendien-Konkordat sieht eine Alterslimite von 35 Jahren bei Ausbildungsbeginn vor5. Diese Alterslimite ist für Familienfrauen mit einem langjährigen Erwerbsunterbruch zu tief angesetzt. Die Vereinbarung lässt es den Kantonen ausserdem frei, ob und in welcher Form sie Zweitausbildungen und Weiterbildungen finanziell unterstützen wollen6.
Als letzte Alternative bleibt die Finanzierung über Stiftungen. Die Suche nach einer oder mehreren geeigneten Stiftungen und die Gesuchseingabe sind jedoch sehr aufwändig. Das bestätigen die Expertinnen der Frauenberatungsstellen. Das Fazit: kaum Zugang zu den Leistungen der Arbeitslosenversicherung, wenig Chancen auf Stipendien, viel Aufwand bei der Suche nach Stiftungsgeldern. Viele Familienfrauen, die ins Berufsleben zurückkehren wollen und einen Bildungsbedarf haben, werden letztlich auf eine Weiterbildung verzichten, weil sie sich eine solche schlicht nicht leisten können. Um dennoch in den Arbeitsmarkt einzusteigen, nehmen sie vielfach eine Arbeit auf, die nicht ihren Qualifikationen entspricht. Frauen sind denn auch eher als Männer an ihrer Arbeitsstelle erheblich bzw. mutmasslich überqualifiziert7.
Potenzial der Familienfrauen ausschöpfen
Angesichts des steigenden Bedarfs an qualifizierten Arbeitskräften sind Arbeitgeberverbände, aber auch Bund und Kantone gefordert, Lösungen zu finden, um dieser Gruppe den Zugang zur Weiterbildung zu erleichtern. Artikel 32 des Berufsbildungsgesetzes BBG sieht vor, dass der Bund Massnahmen für den Wiedereinstieg in den Kantonen fördert. Die Finanzierung der berufsorientierten Weiterbildungsangebote der Kantone erfolgt im Rahmen der Pauschalfinanzierung von Artikel 53 BBG. Hier liegt denn auch der Schwachpunkt. Viele Kantone haben nämlich kaum Weiterbildungsangebote für diese Zielgruppe entwickelt. Es gilt, griffigere Instrumente zu entwickeln, damit sie auch tatsächlich gefördert wird. Das geplante Weiterbildungsgesetz sieht im Artikel 8 Absatz 1 vor, die Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern zu verbessern. Dazu gehört konkret, dass die Beratung und Weiterbildung von Familienfrauen, die nach einem Erwerbsunterbruch wieder ins Berufsleben zurückkehren wollen, von Bund und Kantonen finanziell unterstützt werden. Das kann nachfrageorientiert erfolgen, wie dies das vorgeschlagene Weiterbildungsgesetz vorsieht. Bund und Kantone haben es aber heute schon in der Hand, Beratung und Weiterbildung für diese Zielgruppe zu fördern.
1Im Artikel „Rückkehr ins Berufsleben begleiten“ unter http://www.travailsuisse.ch/de/node/3089 erfahren Sie mehr über die Merkmale und Bedürfnisse dieser Gruppe.
2Einzelne Kantone bevorzugen andere Finanzierungsquellen, um diesen Personen zu unterstützen. So kennt Basel Stadt die Arbeitslosenhilfe ALH.
3Bundesamt für Statistik BFS. Katja Branger, Eric Crettaz et al.: Familien in der Schweiz, Statistischer Bericht 2008. Neuchâtel 2008. S. 39.
4Das Alter der Mütter bei der Erstgeburt ist in der Zwischenzeit weiter angestiegen und liegt 2010 bei 30.2 Jahren. Zur Tabelle des Bundesamtes für Statistik siehe unter http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/01/06/blank/key/02/0… .
5IKSK Artikel 12 Absatz 2: „Für den Bezug von Stipendien können die Kantone eine Alterslimite festlegen. Die Alterslimite darf 35 Jahre bei Beginn der Ausbildung nicht unterschreiten.“
6IKSK Artikel 10 Absatz 2: „Die Vereinbarungskantone können für Zweitausbildungen und Weiterbildungen ebenfalls Ausbildungsbeiträge entrichten.“
7Bundesamt für Statistik BFS: Qualität der Beschäftigung in der Schweiz. Neuchâtel 2011. S. 25.