Die Sozialpartner sollen Vorschläge für eine Reform der beruflichen Vorsorge erarbeiten. Soll eine Reform erfolgsversprechend sein, müssen die heutigen Geldabflüsse durch gewinnorientierte Akteure sinken. Denn Geldabflüsse verteuern das System und stellen seine Legitimität in Frage. Travail.Suisse setzt sich für Lösungen mit einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis für die Arbeitnehmenden ein.
Die Pensionskassenwelt ist zweigeteilt. Auf der einen Seite stehen die klassischen Pensionskassen. Sie führen die berufliche Vorsorge nicht gewinnorientiert durch. Auf der anderen Seite bieten Lebensversicherer Pensionskassenlösungen an. Für sie ist die 2. Säule vor allem ein Geschäftsfeld, welches Gewinne generieren soll. Die berufliche Vorsorge ist aber in erster Linie eine obligatorische Sozialversicherung. Sie muss allen versicherten Arbeitnehmenden eine gute Absicherung im Alter zu einem anständigen Preis-Leistungs-Verhältnis ermöglichen. Bereits viele herkömmliche Pensionskassen sind durch dieses Ziel herausgefordert. Klar verfehlt wird es bei den Angeboten der gewinnorientierten Lebensversicherer. Für die Arbeitnehmenden sind die Modelle der Lebensversicherer – die sogenannte Vollversicherung, aber teilweise auch die neu diskutierten teilautonomen Lösungen – sehr unvorteilhaft. Erstens müssen mit den Beiträgen und den Anlagen nebst den Renten und der Verzinsung der Aktivversicherten auch noch die Gewinne der Aktionäre finanziert werden. Zweitens kassieren die Versicherungsgesellschaften seit Jahren stark überhöhte Prämien für allfällige Invaliden- oder Hinterlassenenleistungen. Beides wird von der heute geltenden Regulierung gedeckt. Und drittens werfen die Anlagen der Versicherer zur Zeit nur bescheidene Renditen ab. Dementsprechend tief ist die Verzinsung der Altersguthaben der Versicherten.
Garantierte Umsatzbeteiligung der Versicherer
Unter dem geltenden Gesetz (Legal Quote) können sich die Lebensversicherer mit bis zu zehn Prozent am Umsatz beteiligen. Der Umsatz besteht a) aus den erwirtschafteten Anlagerenditen, b) aus den einkassierten Prämien für Todesfall- und Invalidität (Risikoprämien) sowie c) aus den Prämien zur Abdeckung der Verwaltungskosten. Das ursprüngliche Ziel der Legal Quote war eine Gewinnbegrenzung. Das Versicherungsaufsichtsgesetz legt deshalb fest, dass mindestens 90 Prozent der „Überschüsse“ aus dem Geschäft der 2. Säule den versicherten Arbeitnehmenden zugutekommen sollen. Der Begriff „Überschuss“ wurde gesetzlich jedoch nie klar definiert. Gemeint war „Ertrag minus Aufwand“. In der Verordnung wurde der Überschuss jedoch mit den gesamten Erträgen gleichgesetzt. Aus der Gewinnbeteiligung für die Versicherer wurde eine Ertragsbeteiligung. Jährlich resultieren daraus überhöhte Gewinne. Seit 2005 sind so über 6 Milliarden Franken an die Lebensversicherer geflossen (mehr dazu hier ).
Überhöhte Risikoprämien
Besonders stossend ist, dass die Gewinne der Versicherer zu einem grossen Teil aufgrund von überhöhten Prämien zur Absicherung der Risiken für Todesfall und Invalidität zustande kommen. Die einkassierten Prämien, bezahlt von den Arbeitgebern und Arbeitnehmenden, übersteigen die Aufwände Jahr für Jahr um über eine Milliarde Franken. Im Normalfall müssten die Prämien im Mehrjahresdurchschnitt ungefähr den Aufwendungen für die Renten/Abfindungen bei Tod und Invalidität entsprechen. Zusätzlich braucht es eine gewisse Reserve für Rückstellungen. Obwohl in den letzten Jahren die Zahl der Invaliditätsfälle deutlich zurückgegangen ist, haben die meisten Lebensversicherer die Prämien für Invalidität nur unwesentlich reduziert. Die Prämien für Todesfall- und Invaliditätsleistungen sind über Jahre hinweg fast doppelt so hoch wie die effektiv ausbezahlten Leistungen. Solange die Versicherer mit überhöhten Risikoprämien viel Geld verdienen können, werden sie es auch tun. Die Risikoprämien müssen deshalb nicht nur im klassischen Vollversicherungsmodell, sondern auch in den nun stärker propagierten teilautonomen Lösungen stärker vor Missbräuchlichkeit geschützt werden.
Schlechte Verzinsung der Altersguthaben
Die Versicherungskonzerne schreiben ihren Versicherten fast durchs Band nur das gesetzliche Minimum an Zins gut. Dort wo es kein gesetzliches Minimum gibt – im sogenannten Überobligatorium – werden noch tiefere Zinsen geboten. Der Finma-Offenlegungsbericht 2016 zeigt, dass die Lebensversicherer seit 2006 im Überobligatorium immer einen tieferen Zins als den im Obligatorium vorgeschriebenen Mindestzins gutschreiben. 2017 betrug das arithmetische Mittel der Zinssätze der Lebensversicherer 0.41 Prozent, der Mindestzins lag bei 1 Prozent. Die Lebensversicherer bieten den Versicherten durchwegs eine schlechte Verzinsung der Altersguthaben an. Dies drückt sich in einer tieferen Rente aus.
Zusammen mit den erheblichen Geldabflüssen, welche aus den Verwaltungs- und Vermögensverwaltungskosten entstehen, belasten die erwähnten Punkte das Preis-Leistungs-Verhältnis für die versicherten Arbeitnehmenden stark. Sollen Reformen der 2. Säule auf Akzeptanz stossen, müssen diese Geldabflüsse spürbar sinken.