Die Denkfabrik Avenir Suisse hat kürzlich mit einer Hochschul-Studie für viel Stirnrunzeln gesorgt. Co-Autor Matthias Ammann erklärt, wieso die Politik weniger mitreden soll, nicht jede Pädagogische Hochschule forschen muss und Studierende mehr bezahlen sollen.
*Sie fordern in einem Zehn-Punkte-Programm eine Fitnesskur für die Schweizer Hochschulen. Steht es so schlecht um unsere Bildungsinstitutionen?
Matthias Ammann_**: _Die meisten leisten solide Arbeit. Sechs Schweizer Universitäten, an denen fast 40 Prozent aller Studierender eingeschrieben sind, gehören zu den weltweit besten 150 Hochschulen. Das ist im internationalen Vergleich ein Spitzenwert. Aber der Wettbewerb nimmt zu und das Niveau wird schwierig zu halten sein, wenn sich die Hochschulen verzetteln statt sich auf bestimmte Wissens- und Forschungsgebiete zu konzentrieren. Die Bildung kostet viel und immer mehr Geld. Deshalb muss man genau hinschauen, was damit erreicht wird. Wir wollen nicht sparen, aber die Mittel effizienter einsetzen.
Mit den Änderungen im Zusammenhang mit dem Hochschul-Förderungs- und Koordinationsgesetz (HFKG) hat sich der Hochschulraum erst gerade grundlegend verändert. Wieso wollen Sie nun schon wieder am System herumschräubeln?
Das HFKG hat einige durchaus positive Veränderungen gebracht. Zum Beispiel eine Reduktion der verschiedenen Organe und Gremien sowie mehr Autonomie für die einzelnen Hochschulen. Doch wir erachten das Gewicht der Politik als zu gross. Hochschulen sollen sich stärker nach dem internationalen Wettbewerb und dem Bedarf der Wirtschaft richten als nach regionalen Interessen. Ungesund ist auch, dass Politiker in Hochschulräten vertreten sind. So haben sie zwei verschiedene Hüte an: Sie erteilen einen Leistungsauftrag und sitzen gleichzeitig im Gremium, das ihn erfüllen muss. Wir wünschen uns in den Hochschulräten ausschliesslich Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft.
Wer könnte die Interessen der Gesellschaft besser vertreten als demokratisch gewählte Politiker?
Das Problem ist, dass Politiker die Interessen der Regionen vertreten statt der gesamten Schweizer Hochschulbildung. Sie wollen wiedergewählt werden und sind deshalb bestrebt, möglichst viel Geld in ihren Kanton zu holen.
Das ist doch legitim. Hochschulen tragen massgeblich zu wirtschaftlichen Entwicklungen auch in Randregionen bei. Es entstehen zahlreiche Synergien mit den Unternehmen.
Leider ist das nicht überall gleichermassen der Fall. Während es zum Beispiel in Winterthur mit Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften sehr gut funktioniert, fehlt es anderorts an genügend Unternehmen, damit sich ein Cluster entwickeln kann.
Mehr Exzellenz statt breite Angebotspaletten: Das mag bei der Spitzenforschung berechtigt sein, kann aber wohl nicht für alle Hochschulen gelten. Ist es bei einer kleinen Pädagogischen Hochschule nicht ausreichend, wenn sie gute Lehrpersonen für die jeweilige Region ausbildet?
Einverstanden. Und genau deshalb sollte man das Humboldtsche Prinzip – die Einheit von Lehre und Forschung – auch mal in Frage stellen. Guter Unterricht muss nicht in jedem Fall durch eigene Forschung gestützt werden. Auch in diesem Bereich fordern wir mehr Konzentration statt Verzettelung. Bei der Vergabe von Forschungsgeldern sollen ausländische und unabhängige Experten gewährleisten, dass die Projektgelder an exzellente und anerkannte Spitzenforscher gehen.
Einer Ihrer Kritikpunkte sind Doppelspurigkeiten: Vergleichbare Studiengänge in unmittelbarer Nähe zueinander. Wäre nicht gerade die vom HFKG angestrebte Koordination geeignet, Absprachen und die Zusammenarbeit zu verbessern?
Das HFKG kann nur in den kostenintensiven Bereichen koordinieren, also vor allem in der Medizin und in hochtechnologisierten Fachrichtungen. Zudem sind wir planwirtschaftlichen Instrumenten gegenüber skeptisch eingestellt. Besser ist es, die Rahmenbedingungen zu verändern – konkret: Der Anreiz muss über finanzielle Mittel erfolgen. Man sollte die Grundbeiträge pro Studierenden kürzen und das Geld stärker nach Qualitätskriterien verteilen.
Sie fordern höhere Studiengebühren. Wer nicht aus einer gut situierten Familie stammt, muss aber heute schon belastend hohe Arbeitspensen wahrnehmen. Wie wollen Sie die Chancengleichheit gewährleisten?
Die Semestergebühr liegen im internationalen Vergleich sehr tief, variieren aber je nach Hochschule stark. Dies führt zu vielen Studienabbrüchen und –wechseln, weil sich viele Studierende der Kosten nicht bewusst sind. So finanziert die arbeitende Bevölkerung Töchter und Söhne aus gutem Haus – eine Umverteilung von unten nach oben. Bei höheren Gebühren müsste man aber das Darlehenswesen aufbauen, um die Chancengerechtigkeit zu wahren.
Für ausländische Studierende fordern Sie gar kostendeckende Gebühren. Dies widerspricht dem Bestreben, die besten in die Schweiz zu holen. Damit würden sie nur noch solche erreichen, die es sich leisten können.
Wir sehen zwei mögliche Strategien: Hochschulen können als Bildungsdienstleister auftreten, die von ausländischen Studierenden einen namhaften Beitrag an die Kosten verlangen. Oder sie betreiben Talentimport: Sie ermöglichen den intelligentesten und fähigsten Leuten ein Studium in der Schweiz. Ein Problem ist aber das Drittstaatenkontingent, das Anstellungen von hier ausgebildeten Fachkräften häufig verhindert. Hier sollte man Ausnahmen machen.
**Matthias Ammann ist Mitautor der Studie „Exzellenz statt Regionalpolitik im Hochschulraum Schweiz“ und Bildungsexperte bei der Denkfabrik Avenir Suisse.*