An der vierten nationalen Konferenz zum Thema ältere Arbeitnehmende hat Travail.Suisse, der unabhängige Dachverband der Arbeitnehmenden, zusammen mit Bund, Kantonen und anderen nationalen Sozialpartnern eine gemeinsame Schlusserklärung verabschiedet. Obwohl die Fortschritte klein sind und die konkreten Massnahmen ausbleiben, darf die Wirkung einer nationalen Konferenz nicht unterschätzt werden. Die Demografie erfordert ein Umdenken der Unternehmen, aber auch der Arbeitnehmenden. Travail.Suisse wird sich weiterhin für die Verbesserung der Situation einsetzen.
Das Schöne am gesellschaftlichen Fortschritt ist, dass wir länger leben. Dazu kommt mit der aktuellen demografischen Entwicklung, dass in den nächsten Jahren weiterhin mehr Arbeitnehmende den Arbeitsmarkt verlassen, als neue eintreten. Die Unternehmen werden also auch mehr ältere Arbeitnehmende beschäftigen. Im Jahr 2017 entsprach der Anteil von Personen ab 55 Jahren am gesamten Arbeitsangebot bereits 18 Prozent, während es 2007 erst 16 Prozent waren. Dies erfordert aber ein Umdenken in der Personalpolitik. Die älteren Mitarbeitenden müssen für lebenslanges Lernen bereit sein und sich mit ihren beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten auseinandersetzen. Die Arbeitgeber müssen in die älteren Arbeitnehmenden investieren, damit sie ihre Arbeitsmarktfähigkeit erhalten können. Wer im Alter die verlangten Qualifikationen nicht mehr mitbringt, riskiert den Anschluss zu verlieren. So ist in den letzten fünf Jahren die Zahl der arbeitslosen Personen über 50 Jahre im Vergleich zu den übrigen Alterskategorien deutlich überdurchschnittlich angestiegen (vgl. Grafik 1). 2017 blieb die Quote zu 2016 konstant, obwohl die Wirtschaft gut lief und Fachkräfte gesucht waren.
Diese Zunahme ist teilweise Demografie bedingt, wiederspiegelt aber auch die sich verschlechternden Chancen der älteren Arbeitnehmenden auf dem Arbeitsmarkt, wie ein Blick auf die Veränderungen der Arbeitslosenquoten zeigt (vgl. Tabelle1).
Auch das sehr erfolgreiche erste Quartal 2018 bestätigt dieses Bild. Während sich das Total der Arbeitslosen gegenüber dem Vorjahr um 14.4% verringert hat, ist diese Abnahme sowohl bei den 50-54-jährigen (11.7%), als auch den 55-59-jährigen (8%) und den über 60-jährigen (2.7%) deutlich unterdurchschnittlich. Von der Entspannung am Arbeitsmarkt können also die älteren Arbeitnehmenden deutlich weniger profitieren als die übrigen Alterskategorien.
Neben der Zunahme von älteren Personen in der Arbeitslosenversicherung lässt sich auch eine Zunahme in der Sozialhilfe beobachten (vgl. Grafik 2). Wer nach dem Wegfall des Taggeld-Anspruchs seine Existenz nicht mehr selbst sicherstellen kann und deshalb gezwungen ist, wirtschaftliche Sozialhilfe zu beantragen, kommt in eine schwierige Situation. Die finanziellen und sozialen Auswirkungen einer Aussteuerung sind für die Betroffenen gravierend.
Während sich für die meisten Alterskategorien über die letzten rund 10 Jahre konstante oder nur leicht steigende Sozialhilfequoten feststellen lassen, ist die Zunahme bei den 56-64-Jährigen frappant. Insbesondere seit 2011 steigt die Sozialhilfequote bei den älteren Personen stark überdurchschnittlich. Insgesamt hat sich die Zahl der sozialhilfebeziehenden 56-64-Jährigen in den letzten 10 Jahren auf über 30‘000 Personen verdoppelt.
Auch aus dem «Barometer Gute Arbeit» von Travail.Suisse sind Anhaltspunkte für Probleme der älteren Arbeitnehmenden ersichtlich: Insbesondere nehmen ältere Arbeitnehmenden ihre Arbeitsmarktfähigkeit im Vergleich mit den jüngeren Kolleg/-innen deutlich eingeschränkter wahr. Konkret steigt der Anteil der Arbeitnehmenden, der bei einem freiwilligen oder unfreiwilligen Arbeitsplatzverlust nicht oder kaum daran glaubt wieder eine vergleichbare Stelle zu finden mit zunehmenden Alter markant an (vgl. Grafik 3).
Während bei den 16-29 Jährigen jeder Dritte und bei den 30-45 Jährigen knapp die Hälfte mit entsprechenden Schwierigkeiten rechnet, glauben bei den 46-65 Jährigen rund zwei Drittel nicht oder kaum daran bei Stellenverlust wieder eine vergleichbare Stelle zu finden. Auffällig ist weiter, dass der Anteil der Arbeitnehmenden mit eingeschränkter Arbeitsmarktmobilität bei den beiden jüngeren Alterskategorien zwischen 2015 und 2017 stabil geblieben ist, derjenige der älteren Arbeitnehmenden um weitere 4.3% zugenommen hat.
Massnahmen sind nötig, um Aussteuerungen zu verhindern
Die Analyse zeigt, dass angesichts der verbesserten Situation auf dem Arbeitsmarkt für die älteren Arbeitnehmende grosse Herausforderungen zu meistern sind. Wichtig ist es, konkrete Verbesserungen anzugehen. An der Konferenz wurde beschlossen in einer Arbeitsgruppe „Vorschläge zu prüfen, mit denen finanzielle und soziale Probleme durch drohende Aussteuerungen von älteren Arbeitnehmenden verhindert werden können.“ Es muss verhindert werden, dass ältere Arbeitnehmende kurz vor der Pension noch auf Sozialhilfe angewiesen sind. Für Travail.Suisse sind regelmässige Standortbestimmungen zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden zentral, um gemeinsam Weiterbildungen zu planen. Die Mitarbeitenden brauchen dafür Unterstützung, die Unternehmen müssen in die älteren Arbeitnehmenden investieren. Die Unternehmen können sich so einen Wettbewerbsvorteil schaffen. Auch die Berufs- und Laufbahnberatung für Erwachsene gerät dabei in den Fokus. Travail.Suisse unterstützt die Forderung von Profunda-Suisse, dass die Kantone Angebote für die Laufbahnberatung von älteren Arbeitnehmenden ausbauen sollen. Wer vom Arbeitgeber keine Unterstützung erhält, braucht sie von ausgewiesenen Fachleuten.
Travail.Suisse setzt sich weiter für ältere Arbeitnehmende ein
Travail.Suisse hat mit dem Schweizerische Arbeitnehmer- und Arbeitslosenverband Save50Plus eine Zusammenarbeitsvereinbarung abgeschlossen, um gemeinsam politische Massnahmen zu verfolgen. Im kommenden Jahr werden weitere Massnahmen geprüft, um die Situation der älteren Arbeitnehmenden zu verbessern und den richtigen Umgang mit den älteren Arbeitnehmenden in den Unternehmen zu fördern.