Im Rahmen der alljährlichen Studie zu den Managerlöhnen setzt sich Travail.Suisse, der unabhängige Dachverband der Arbeitnehmenden, mit verschiedenen Aspekten der Corporate Governance auseinander – so auch mit der Geschlechtervertretung in den Führungsgremien der untersuchten Schweizer Unternehmen.
Während sich der Frauenanteil in den Verwaltungsräten nun seit mehreren Jahren erhöht, kann bei der Vertretung von Frauen in Konzernleitungen nur von minimalen Fortschritten auf einem sehr tiefen Niveau die Rede sein. Die Zahlen der Studie zeigen ein weiteres Mal deutlich auf, dass eine greifende, zeitlich unbegrenzte Regelung bezüglich Geschlechterrichtwerten dringend nötig ist, um der Unterrepräsentation von Frauen in Führungsgremien nachhaltig und dauerhaft zu begegnen.
Auch in der 14. Ausgabe der von Travail.Suisse durchgeführten Studie, gilt es die weibliche Vertretung in Konzernleitungen und Verwaltungsräten von den 26 untersuchten Unternehmen1 kritisch zu bewerten. Im Vergleich zum letzten Jahr, kann nur von marginalen Verbesserungen gesprochen werden. Im Schnitt wird lediglich jeder 15. Posten in Konzernleitungen von einer Frau besetzt. Um weniger als ein halbes Prozent nahm der Frauenanteil in Konzernleitungen der untersuchten Unternehmen zu und steht neu bei 6.7% – nach wie vor weit entfernt von den vom Bundesrat geforderten 20%. Hervorzuheben ist zudem, dass rund 58% der Unternehmen im Sample während des Jahres 2017 keine Frauen in ihren Geschäftsleitungen beschäftigen und somit reine Männerkomitees2 darstellten.
Der Frauenanteil in den Verwaltungsräten in unserem Sample ist im Vergleich zum Vorjahr leicht angestiegen und beträgt 24.9%. Dieser vermeintlich hohe Prozentsatz ist jedoch mit Vorsicht zu geniessen. Der Schillingreport 20183 kommt zwar auf ähnliche Zahlen für die SMI-Unternehmen, findet jedoch nur 19% weibliche Verwaltungsräte bei der Untersuchung der 118 grössten Schweizer Unternehmen. Die unterschiedlichen Resultate sind auf die verschiedene Zusammensetzung der Samples zurückzuführen. Es wird deutlich, dass man trotz positiver Entwicklungen immer noch ein gutes Stück von der vom Bundesrat geforderten 30%-Vertretung der Geschlechter in Verwaltungsräten entfernt ist.
Positiv stimmt, dass in den von Travail.Suisse untersuchten Unternehmen 26.3% der Neueintritte in die Verwaltungsräte Frauen waren. Die Richtung ist also die Richtige – zu hoffen bleibt, dass dies auch in den folgenden Jahren der Fall sein wird.
Etwas anders sieht es bei den Neubesetzungen in Konzernleitungen aus: In drei von dreissig Fällen wurde eine vakante Stelle mit einer Frau besetzt. Dass selbst dieser tiefe Wert zu einer Verbesserung des Geschlechtergleichgewichtes führt, gibt zu denken. Der Frauenanteil in Konzernleitungen wächst nur sehr langsam – wobei es müssig ist bei derartigen Werten überhaupt von Wachstum zu sprechen. Zudem ist alarmierend, dass die prozentualen Neubesetzungen durch Frauen im Vergleich zum letzten Jahr sogar rückläufig sind. Um die geforderten Mindestvertretung der Geschlechter in absehbarer Zukunft zu erreichen, müssen schnell politische Massnahmen her – vor Allem mit Blick auf die Vertretung in Konzernleitungen.
Dauerhafte Geschlechterrichtwerte sind nötig
In der Botschaft zur Aktienrechtsrevision schlug der Bundesrat Ende 2016 vor, dass jedes Geschlecht mindestens zu 20% in Konzernleitungen und zu 30% in den Verwaltungsräten vertreten sein soll. Für die Erreichung der Richtwerte sollen den betroffenen börsenkotierten Unternehmen jeweils fünf Jahre für den Verwaltungsrat und zehn Jahre für die Konzernleitung Übergangsfrist gewährt werden. Die Umsetzung würde auf dem „comply-or-explain“-Ansatz beruhen. Demnach müssten Unternehmen im Falle einer Nichteinhaltung lediglich in einem Bericht Gründe für den Missstand und Massnahmen zur Verbesserung der Situation angeben. Kontrollmechanismen und Sanktionen, wie sie seitens Travail.Suisse gefordert wurden, waren nicht vorgesehen. Travail.Suisse unterstützte die Vorlage, weil sie wichtige – wenn auch zaghafte – Schritte in die richtige Richtung bietet.
Im Sommer 2017 begann die Detailberatung im Nationalrat. Ende letzten Jahres, teilte die Rechtskommission des Nationalrats mit, dass sie in Bezug auf die Geschlechterrichtwerte weitgehend dem Vorschlag des Bundesrats folge. Die Übergangsfristen, welche der Bundesrat Firmen zum Erreichen der Richtwerte gewähren wollte, wurden sogar verkürzt: Neu soll jedes Geschlecht binnen fünf Jahren zu mindestens 20% in der Konzernleitung, und innerhalb von drei Jahren zu mindestens 30% im Verwaltungsrat vertreten sein. So weit so gut. Leider aber hat die Kommission in ihrem Vorschlag diese Richtwerte-Regelung auf zehn Jahre beschränkt. Eine Dekade nach dem Inkrafttreten soll die Regelung automatisch und ersatzlos wegfallen. Travail.Suisse begrüsst zwar die Herabsetzung der Frist zur Erreichung der Richtwerte, stellt sich aber entschlossen gegen die sinnlose zeitliche Beschränkung.
Eine derartige Befristung schmälert die Bedeutung eines Gesetzes ungemein. Im Kontext der Geschlechterrichtwerte ist dies besonders stossend, da die geplanten Sanktionen bei Nichteinhaltung bereits relativ zahnlos ausfallen. Die Gefahr besteht, dass die Gesetzeskonformität für die Unternehmen zu einer Kosten-Nutzen-Frage verkommt. Die Gleichstellung der Geschlechter darf jedoch keinesfalls Opfer einer Kalkulation werden. Vielmehr soll mit einer dauerhaften Einführung von Richtwerten nachhaltig zu einer Verbesserung ebendieser beigetragen werden.
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fn. 1ABB, Ascom, Bâloise, Bobst, Clariant, Coop, Credit Suisse, Georg Fischer, Helvetia, Implenia, Lindt & Sprüngli, Lon-za, Migros, Nestlé, Novartis, Oerlikon, Post, Roche, Ruag, Schindler, Swatch, Swiss Life, Swisscom, UBS, Valora, Zürich
2 Geschäftsleitungen ohne Frauen: Bâloise, Bobst, Coop, Georg Fischer, Helvetia, Implenia, Lindt & Sprüngli, Lonza, Migros, Novartis, Ruag, Schindler, Swiss Life, Swisscom, Valora
3 Schillingreport 2018 (Medienmitteiling): https://www.schillingreport.ch/de/home