Am 4. März stimmen wir über die NoBillag-Initiative ab und damit über die Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühren. Aus Sicht der Arbeitnehmenden muss diese radikale Initiative klar abgelehnt werden. Ohne Gebühren können finanzstarke Unternehmen die Berichterstattung beeinflussen und die Stimme der Arbeitnehmenden ausschalten.
Im Frühling 2014 hat der damalige SVP-Nationalrat Mörgeli mit einem parlamentarischen Vorstoss gefordert, dass die Leitungsgremien der SRG nach der Wählerstärke der Parteien besetzt werden sollen. Die SVP als wählerstärkste Partei würde so den Generaldirektor stellen. Er hat den Vorstoss nach der medialen Berichterstattung allerdings im Herbst des gleichen Jahres wieder zurückgezogen. Offenbar hat er gemerkt, dass die SRG eben kein Staatsbetrieb ist und von einem unabhängigen Verein nach ZGB Art. 60 ff. geführt wird. Bereits im Jahr 2000 hat der gleiche Nationalrat die Abschaffung der Empfangsgebühren gefordert – also genau das, worüber wir am 4. März 2018 mit der mit der NoBillag-Initiative abstimmen. Den Befürwortern der Initiative geht es in erster Linie um Macht.
Die Journalistinnen und Journalisten arbeiten nach publizistischen Leitlinien und sind kraft der Verfassung verpflichtet, sachgerecht die Vielfalt der Meinungen zum Ausdruck zu bringen. Obwohl immer wieder versucht wird, Einfluss auf die Berichterstattung zu nehmen, sind die Redaktionen in ihrer Berichterstattung frei. Das veranschaulichen die Konsumentensendungen sehr gut: Obwohl die Detailhändler grosse Fernseh-Werbekunden sind, wird im „Kassensturz“ oder bei „A bon entendeur“ kritisch über ihre Produkte berichtet. Diese kritische Berichterstattung über Wirtschaft und Politik ist nur dank der Unabhängigkeit der SRG möglich. Erst das Gebührensystem ermöglicht diese wichtige Unabhängigkeit.
Unabhängigkeit und objektive Information sind in Gefahr
Ohne Gebühren wären die audiovisuellen Medien nur noch auf Abo- und Werbeeinnahmen angewiesen. Wer so abhängig ist, kann nicht mehr objektiv berichten. Bei kleinen Zeitungen ist es schon heute gang und gäbe: Wer ein Inserat schaltet, erhält einen Artikel im redaktionellen Teil. Auf die Werbekunden müssen die Journalistinnen und Journalisten Rücksicht nehmen. Verlören die audiovisuellen Medien ihre heutige Unabhängigkeit, ist die Gefahr gross, dass die Unternehmen und die finanzstarken Kreise im Land bestimmen würden, worüber berichtet wird. Sie könnten erreichen, dass über sie keine kritischen Beiträge mehr erscheinen. Über die Anliegen der Arbeitnehmenden würde kaum mehr informiert. Die Berichterstattung über GAV-Verhandlungen könnte einseitig zu Gunsten der Arbeitgeberseite erfolgen. Was wahr und was falsch ist, könnte so beeinflusst werden (Fake-News!). Das ist für unser Zusammenleben, für unsere Demokratie gefährlich.
In unserem politischen System ist es wichtig, dass alle Bürgerinnen und Bürger gleich und objektiv informiert werden. Bei einer Annahme der NoBillag-Initiative würden die Vorgabe der sachgerechten Darstellung und die Pflicht, die Vielfalt der Meinungen angemessen zum Ausdruck zu bringen, entfallen. Es gäbe somit kein Medium mehr, dass die Basisinformation liefert und national im Fernsehen sachgerecht über die Schweiz berichtet. Die Meinung der Minderheiten hätte keinen Platz mehr. Wer viel Geld hat, kann sich einfach die Meinung des Volkes kaufen. Wollen wir das wirklich?
Angebot wird ohne Gebühren teurer
Bei einem Ja würden über 6000 Arbeitsplätze bei der SRG und Privaten wegfallen, da die Schaffung eines Bezahlsystems für die heutigen Leistungen der Anbieter in dieser kurzen Zeit nicht möglich ist. Und sogar wenn sie möglich wäre: Die Einnahmen aus dem Verkauf der Abos für einzelne Sendungen wie die Tagesschau oder für Sportsendungen würden nicht ausreichen, um das bisherige Angebot zu erhalten. Ein vergleichbares Angebot für die Westschweiz oder die italienischsprechende Bevölkerung wäre nicht mehr finanzierbar. Nur dank den Gebühren aus der Deutschschweiz ist der Service public in allen vier Landessprachen finanzierbar. Auf dem freien Markt würden die Kosten für die einzelnen Konsumentinnen und Konsumenten viel höher ausfallen als 365 Franken pro Jahr oder rund 31 Franken pro Monat. Was die Bezahl-Angebote kosten, können wir nicht nur im Ausland beobachten: So kostet der Sportsender Mysports, der ausschliesslich die Eishockey-Spiele der Schweizer Liga ausstrahlt, 25 Franken pro Monat!
Die Forderung der Initianten, wir sollten nur für das bezahlen müssen, was wir auch konsumieren wollen, ist nicht umsetzbar. Die Fixkosten sind im Fernsehgeschäft immer noch sehr hoch, wenn die Qualität des Angebots gehalten werden soll. Ohne Gebühren produziert in der Schweiz niemand ein ähnliches Medienangebot wie heute, das via Fernsehkanal oder Internet konsumiert werden kann. Und auch wenn es noch ein kleines Gratis-Angebot geben würde, würde dieses von so viel Werbung begleitet, dass niemand mehr zuschauen würde. Damit würden die Werbeinnahmen einbrechen und das Angebot müsste noch mehr eingeschränkt werden. Es gäbe auch kein werbefreies Radio mehr. Heute ist der SRG Werbung auf ihren Radiokanälen gesetzlich verboten. Das würde sofort ändern: Ein nationales Radio ohne Gebühren kann nur mit viel Werbung finanziert werden, und das indem gleichzeitig das Informationsangebot verkleinert wird. Eine Bezahlschranke existiert weder im UKW- noch im DAB-Radio.
Kein Kontrolle der Politik und keine Schweizer Angebote mehr
Ohne die SRG würde ein wichtiges Kontrollmedium der Politik fehlen. Nicht umsonst werden die Medien als 4. Gewalt im Staat bezeichnet. Die Printmedien haben ihre Redaktionen bereits arg verkleinert, auch die Schweizerische Nachrichtenagentur sda hat angekündigt, 40 Journalisten-Stellen abzubauen. Wenn die SRG mit NoBillag auch noch zerschlagen wird, fehlt ein wichtiges unabhängiges Medium zur Einordnung der Vorgänge in Politik und Wirtschaft. Es fehlten auch Sendungen, welche die Schweiz zum Thema machen, einen Schweizer Bezug haben oder der Schweizer Kunstszene eine Bühne geben. Auch das SRG-Korrespondentennetz in allen Kantonen und auf der ganzen Welt wäre nicht mehr finanzierbar. Was weniger bekannt ist: Viele Sendungen von SRF, RTS und RSI werden im Ausland ausgestrahlt. Via TV5monde erreicht RTS über 300 Millionen Haushalte pro Monat. Das ist Werbung für unser Land, die nicht unterschätzt werden darf. Das bewegte Bild ist immer noch effektiver als Text und Bilder. Und: Dank der Mitgliedschaft bei der European Broadcasting Union (EBU), dem Zusammenschluss der öffentlich-rechtlichen Fernsehstationen Europas, profitiert die SRG und damit die ganze Schweiz von Sendungen und Sportübertragungen, welche die fast 40 Stationen nur gemeinsam erwerben können. Die EBU-Mitgliedschaft wäre bei einem Ja zu NoBillag gefährdet und der Vorteil für die Schweiz weg.
Kurz: Die NoBillag-Initiative ist radikal und gefährdet den nationalen Zusammenhalt in der Schweiz mit den vier Landessprachen. Ein öffentlich-rechtliches Medium gibt in einer Demokratie allen eine Stimme und ermöglicht ein verständnisvolleres Zusammenleben. Lehnen wir deshalb das Experiment NoBillag ab. Der Vorstand von Travail.Suisse hat einstimmig die Nein-Parole beschlossen.