Travail.Suisse, der unabhängige Dachverband der Arbeitnehmenden, stärkt mit seinem Positionspapier dem Service public den Rücken. Zu oft wird das Angebot in Frage gestellt, bewusst schlecht gemacht oder gar abgebaut. Die aktuelle Debatte über die NoBillag-Initiative ist das beste Beispiel. Die Diskussion über das Angebot des Service public in Zeiten des digitalen Umbruchs soll angesichts der gesellschaftlichen Veränderungen geführt werden. Es braucht aber mehr und nicht weniger Service public. So muss das Angebot der Care-Arbeit als neuer Bereich des Service public anerkannt und der audiovisuelle Service public im Internet erlaubt werden.
Der Titel des neuen Travail.Suisse-Positionspapier, „Ein starker Service public: Grundlage der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Entwicklung der Schweiz“, bringt den Inhalt auf den Punkt: Der Service public ist die Grundlage einer modern und effizient funktionierenden Schweiz und somit entscheidend für ihre wirtschaftliche, soziale und ökologische Entwicklung. Alle Bewohnerinnen und Bewohner sollen zu erschwinglichen Preisen qualitativ gute Leistungen verlässlich in Anspruch nehmen können. Der Service public soll aber nicht unter Heimatschutz stehen. Der Leistungsumfang ist periodisch zu prüfen und den Bedürfnissen anzupassen. Der digitale Wandel erfasst auch den Service public. Zu oft wird bei diesen Diskussionen nur an Abbau und Privatisierungen gedacht. Travail.Suisse wehrt sich gegen Experimente und fordert die Politik auf, den Umfang der Service-public-Leistungen weiterzudenken.
Forderung 1: Keine Privatisierungs-Risiken eingehen
Liberalisierungen und Privatisierungen können nur akzeptiert werden, wenn dadurch keine Risiken für das Angebot des Service public entstehen oder diese beherrschbar sind. Bei allen Unternehmen des Service public sollen Gesamtarbeitsverträge mit den Sozialpartnern abgeschlossen werden. Die Arbeitsbedingungen müssen überdurchschnittlich gut sein und den Arbeitsfrieden garantieren. Privatisierungen aus ideologischen Gründen sind abzulehnen. Der Staat – Bund, Kantone und Gemeinden – müssen den Service public gewährleisten. Die diskutieren Steuerausfälle etwa durch die Steuervorlage 17, die Abschaffung der Stempelsteuer oder die Individualbesteuerung dürfen nicht zu einem Abbau von Service public-Leistungen führen.
h2. Forderung 2: Rahmengesetz für Betreuungsinfrastruktur für Kinder und ältere Menschen
Die Schweiz steht durch die Alterung der Gesellschaft und den Fachkräftemängel vor grossen Herausforderungen. Die Care-Economy muss vor diesem Hintergrund zu einem neuen Bereich des Service public werden. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie muss durch ein staatliches Angebot an Betreuungseinrichtungen verbessert werden. Diese Leistungen müssen wie jene der Post im ganzen Land zur Verfügung stehen, damit alle Familien von Kindern im Vorschulalter oder in der obligatorischen Schulzeit diese Angebote nutzen können – ohne auf den Goodwill des Arbeitgebers angewiesen zu sein. Auch ein Angebot für die Entlastung von pflegenden und betreuenden Angehörigen gehört zum Service public, damit auch ihre Aufgabe mit dem Beruf vereinbar ist (Spitex, Altersheime, Tagesheime etc.). Die aktuelle Anschubfinanzierung des Bundes soll deshalb in ein Rahmengesetz für die Infrastruktur zur familienexternen Betreuung von Kindern und älterer hilfsbedürftiger Personen überführt werden.
Forderung 3: Audiovisueller Service public auch im Internet
Mit der NoBillag-Initiative wird intensiv über den audiovisuellen Service public diskutiert. Im Kern geht es um dessen Abschaffung: Nur noch der Markt soll über das Angebot entscheiden. Was mit freier und objektiver Berichterstattung passieren kann, wenn sie ganz und ausschliesslich dem freien Markt überlassen wird, haben die Diskussionen rund um die Schweizerische Depeschenagentur sda jüngst gezeigt: Ein CEO, der sage und schreibe nach mehr als elf Jahren im Amt überhaupt das erste Mal mit seinen Kunden spricht, danach in einer Hauruck-Übung den Profit über alles stellt und dafür Stellenabbau betreibt mit miserablen Sozialplänen. Das Vertrauen, dass der freie Markt im Journalismus gut funktioniert, hat mehr als gelitten. Travail.Suisse lehnt also die radikale NoBillag-Initiative ganz klar ab. Der audiovisuelle Service public muss vielmehr gefestigt und mit Angeboten im Internet ergänzt werden. Mit der neuen Konzession für die SRG SSR und mit dem neuen Mediengesetz muss der audiovisuelle Service public weiterentwickelt werden.
NoBillag-Initiative gefährdet Demokratie
Eine Diskussion über die SRG SSR und ihr Angebot ist aber nur möglich, wenn die NoBillag-Initiative abgelehnt wird. Ab 2019 werden die Radio- und Fernsehgebühren 365 Franken betragen (2018 noch rund 450 Franken). Für dieses Geld erhalten wir qualitativ hochstehende Inhalte: Informationen über das Geschehen in der Schweiz, Schweizer Musik und Schweizer Filme, Verkehrsnachrichten und viele Sportübertragungen (im Radio ohne Werbung). Bei einem Ja gäbe es viele Angebote überhaupt nicht mehr oder sie wären teurer als 365 Franken. Als Beispiel: Alleine das Abo, um Eishockeyspiele in der Schweiz am Fernsehen zu schauen, kostet heute 300 Franken im Jahr. Das wichtigste Argument aus Sicht der Arbeitnehmenden ist jedoch: Dank den Gebühren und den gesetzlichen Vorgaben soll die SRG zur freien Meinungsbildung des Publikums „durch umfassende, vielfältige und sachgerechte Information insbesondere über politische, wirtschaftliche und soziale Zusammenhänge“ beitragen. Diese Verpflichtung stellt sicher, dass die Bürgerinnen und Bürger sachgerecht informiert abstimmen können und nicht durch Propaganda einflussreicher und wohlhabender Personen und Unternehmen beeinflusst werden.